Akkord-Stempeln an deutschen Grenzübergängen
Einkaufstouristen strömen wieder zum Shopping nach Konstanz und Co

Die Frankenstärke und die nachlassende Teuerung locken Schweizer Einkaufstouristen wieder vermehrt über die Grenze, wie deutsche Hauptzollämter bestätigen. Schweizer Detailhändlern gehen dadurch Milliarden-Einnahmen durch die Lappen.
Publiziert: 12.07.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2024 um 07:22 Uhr
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Robin WegmüllerRedaktor Wirtschaft

Auf den Parkplätzen in den deutschen Einkaufshochburgen Weil am Rhein, Konstanz und Co. wimmelt es wieder an Autos mit Schweizer Kennzeichen. So auch im Parkhaus des Einkaufszentrums Cano in Singen, wo Schweizer Fahrzeuge speziell erfasst werden. Das lässt genaue Rückschlüsse darauf zu, wie viele Schweizer Einkaufstouristen täglich vor Ort sind.

«Der Anteil der Schweizer Kunden liegt aktuell unter der Woche bei 20 bis 25 Prozent, am Wochenende sind es bereits wieder 30 bis 40 Prozent», erklärt Center-Managerin Kitty Molnar (44) gegenüber Blick. Ihre Auswertung bestätigt, was sich schon im letzten Sommer abgezeichnet hat. Die Wende beim Einkaufstourismus ist da. Bei Herr und Frau Schweizer wächst wieder die Lust auf Euro-Schnäppchen jenseits der Grenze.

Untermauert wird der Befund durch Auswertungen der Hauptzollämter in Singen und Lörrach, welche die Deutschen Blick zur Verfügung stellten. Diese erfassen die Anzahl Ausfuhrzettel für Schweizer Einkäufe in Deutschland, welche die Zollbeamten an der Grenze wieder im Akkord abstempeln. Mit diesen, meist grünen Ausfuhrscheinen können sich Einkaufstouristen die deutsche Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent beim nächsten Einkauf im Laden zurückholen.

Schweizerinnen und Schweizer strömen wieder vermehrt in deutsche Einkaufszentren.
Foto: imago images/Geisser
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Was ist ein Ausfuhrschein?

Schweizer können in Deutschland steuerfrei einkaufen. Für jede Besorgung in einem Laden des Nachbarlandes bekommen sie die Mehrwertsteuer zurückerstattet.

Vor Ort im Geschäft zahlt man zwar den vollen Preis, erhält dafür aber einen Ausfuhrschein. Wird dieser später vom Zoll gestempelt, kann mit dem Ausfuhrschein die Umsatzsteuer zurückgefordert werden.

In Deutschland gilt seit dem 1. Januar 2020 eine Untergrenze von 50 Euro pro Einkauf. Das bedeutet, Schweizerinnen und Schweizer erhalten nur dann die Mehrwertsteuer zurück, wenn der Einkauf mehr als 50 Euro beträgt.

Schweizer können in Deutschland steuerfrei einkaufen. Für jede Besorgung in einem Laden des Nachbarlandes bekommen sie die Mehrwertsteuer zurückerstattet.

Vor Ort im Geschäft zahlt man zwar den vollen Preis, erhält dafür aber einen Ausfuhrschein. Wird dieser später vom Zoll gestempelt, kann mit dem Ausfuhrschein die Umsatzsteuer zurückgefordert werden.

In Deutschland gilt seit dem 1. Januar 2020 eine Untergrenze von 50 Euro pro Einkauf. Das bedeutet, Schweizerinnen und Schweizer erhalten nur dann die Mehrwertsteuer zurück, wenn der Einkauf mehr als 50 Euro beträgt.

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Zahl der Ausfuhrscheine steigt

Und diese Daten zeigen Folgendes: 2019 fertigten Zollbeamte noch 15,59 Millionen Bescheinigungen ab. Unzählige Schweizerinnen und Schweizer kauften in Deutschland ein. 2020 sind die Zahlen dann massiv eingebrochen (4,66 Millionen Bescheinigungen). Dafür verantwortlich war neben der Corona-Pandemie vor allem die Einführung der Bagatellgrenze. Seit knapp vier Jahren erhalten Einkaufstouristen erst ab einem Einkaufswert von 50 Euro die deutsche Mehrwertsteuer zurück.

Die Bagatellgrenze schreckte aber nicht lange ab. Im letzten Jahr wurden bereits wieder 7,65 Millionen Ausfuhrzettel gezählt. Der Trend zeigt weiter nach oben, Zahlen für das laufende Jahr liegen aber noch nicht vor. «Als Tendenz ist aktuell ein anhaltender Anstieg der Abfertigungszahlen im Vergleich zum Vorjahr erkennbar», erklärt Sonja Müller, Sprecherin des Hauptzollamts Singen.

Freude auf der Seite der deutschen Einkaufszentren. Sie profitieren vor allem von grösseren Shopping-Trips der Schweizer am Wochenende. Das zeigt eine kürzlich durchgeführte Befragung des Einkaufszentrums Cano. Unter der Woche seien die Gäste aus der Schweiz vor allem direkt an der Grenze in Lebensmittel- und Drogerie-Geschäften zu finden.

Des einen Freud, des anderen Leid

Ärger auf der anderen Seite im Schweizer Detailhandel. Dagmar Jenni (56), Direktorin der Swiss Retail Federation, macht der anhaltende Einkaufstourismus Sorgen. «Angesichts des unvermindert starken Frankens und der nachlassenden Inflation in den Nachbarländern ist nicht mit einer Trendumkehr zu rechnen», sagt Jenni.

Die Folgen bekommen hiesige Geschäfte direkt in den eigenen Kassen zu spüren, denn ihnen gehen Milliarden-Umsätze durch die Lappen. «Wir gehen angesichts der Entwicklung der Debit- und Kreditkartentransaktionen für das Jahr 2023 und der weiteren moderaten Erhöhung 2024 von einem Verlust des Schweizer Detailhandelsertrags durch Einkaufstourismus von über 10 Milliarden Franken im Jahr 2024 aus», bilanziert Jenni.

Was geschieht in Bern?

Darum müsse die Politik nun handeln. Momentan gilt für Einkaufstouristen: Waren können mehrwertsteuerfrei in die Schweiz eingeführt werden, wenn ihr Gesamtwert 300 Franken pro Person nicht übersteigt. Wenn diese Freigrenze überschritten wird, muss der entsprechende Schweizer Mehrwertsteuersatz bezahlt werden. «Wir fordern den Bundesrat auf, die Wertfreigrenze so rasch als möglich auf 50 Franken zu senken und so die Bevorteilung der im Ausland Einkaufenden zu minimieren», so Jenni. 

Im März hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur Senkung der Wertfreigrenze geschlossen. Ein offizieller Entscheid des Bundesrats zur kontrovers diskutierten Wertfreigrenze fehlt aber noch.

«Wir verbinden Konstanz nicht nur mit günstigem Einkauf»
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Ausflüge über die Grenze:«Wir verbinden Konstanz nicht nur mit günstigem Einkauf»
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