Jetzt gelten US-Sanktionen gegen den Iran
Das Ende für Präsident Rohani?

Seit 06.00 Uhr Schweizer Zeit sind US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zu den wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen.
Publiziert: 07.08.2018 um 06:43 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:28 Uhr
US-Sanktionen gegen Iran treten in Kraft
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Kein Gold und keine Dollar mehr:US-Sanktionen gegen Iran treten in Kraft
Fabian Vogt

Als die USA im Mai aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausstiegen war klar, dass auch frühere Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft treten würden. Trump unterzeichnete am Montag eine entsprechende Verfügung, seit Dienstagmorgen, 06.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit gilt diese. Die Sanktionen sorgen auf der weltpolitischen Bühne für viel Unruhe und treffen den Iran mitten in einer Währungskrise, welche für die Mullah-Regierung um Präsident Hassan Rohani das Ende bedeuten könnte. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.

Übersteht Irans Präsident Hassan Ruhani die heute beginnenden US-Sanktionen?
Foto: KEYSTONE/AP/RONALD ZAK

Warum wollen die USA den Iran bestrafen?

Weil sie nicht glauben, dass sich der Iran an die Verpflichtungen hält, die im Atomabkommen 2015 vereinbart wurden. Darin verpflichtete sich der Iran dazu, Teile seines Atomprogramms zu beschränken, um keine Atomwaffen bauen zu können. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen den Iran aufgehoben. Die Strafmassahmen hätten in Kraft bleiben sollen, um die Regierung in Teheran bessere kontrollieren zu können, sagte Trump neulich.

Welche Ziele verfolgen die USA?

Mit dem wirtschaftlichen Druck soll der Iran gezwungen werden, keine Atomsprengköpfe mehr herzustellen. Ob er dies überhaupt noch tut, ist allerdings unklar. Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) jedenfalls bescheinigt dem Iran wiederholt, sich an die Abmachungen im Atomabkommen zu halten. Es geht aber noch um etwas anderes: Den USA passt nicht, dass sich die Rohani-Regierung in Konfliktherde im Nahem Osten – vor allem in Syrien, im Libanon und im Gaza-Streifen – einmischt. Das Regime in Teheran vertritt dort andere Interessen als die USA und soll durch die Sanktionen daran erinnert werden, wer in dieser Region das Sagen hat. Im besten Fall aus Sicht der USA muss die Regierung sogar abtreten.

Welche Sanktionen treten in Kraft?

Die Sanktionen werden über mehrere Runden wieder eingeführt. Zu Beginn soll sichergestellt werden, dass der Iran keine US-Dollar erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetallen handeln kann. Zudem wird der Handel mit bestimmten Metallen, Rohstoffen und Industriesoftware unterbunden. Passagierflugzeuge und Flugzeugteile sollen nicht mehr an den Iran geliefert werden. Auch der iranische Automobilsektor ist betroffen. In einer zweiten Runde im November sollen dann besonders schmerzhafte Sanktionen wieder eingesetzt werden, mit denen Ölimporte anderer Länder aus dem Iran auf Null reduziert werden sollen. Zugleich soll der internationale Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmgelegt werden. Trump sagte, «dass viele internationale Firmen bereits ihre Absicht verkündet haben, den iranischen Markt zu verlassen». Mehrere Staaten hätten zudem angekündigt, die Einfuhr von Rohöl aus dem Iran zu reduzieren oder zu beenden.

Welche Auswirkungen haben die Sanktionen für die Iraner?

Obwohl die Sanktionen per heute in Kraft getreten sind, befindet sich der Iran bereits in einer grösseren wirtschaftlichen Krise. Der iranische Rial hat seit Jahresbeginn fast zwei Drittel seines Wertes verloren. Vielen Menschen geht das Geld aus, mittlerweile werden schon Grundnahrungsmittel massiv teurer. Durch die Sanktionen werden ausländische Produkte für iranische Kunden, die nur in der iranischen Währung zahlen können, um 40 bis 60 Prozent teurer, schätzen Experten. Falls die Firmen überhaupt noch liefern. Die EU versucht mit einer Reihe von Massnahmen, europäische Unternehmen vor den Sanktionen zu schützen. Trotzdem werden sich global tätige Konzerne, Erdölhändler oder Banken entweder aus Iran oder aus den USA zurückziehen müssen. Für welchen Markt sie sich entscheiden, ist offensichtlich. Nicht betroffen sind Firmen aus den Bereichen Pharma, Gesundheit und Nahrungsmittel. Diesen wurden schon vor 2016 aus humanitären Gründen keine Sanktionen auferlegt.

Muss das Mullah-Regime aufgeben?

Das ist eine der spannendsten Fragen und wohl eines der Hauptziele von Trump. Seine Chancen dürften aufgrund der bereits herrschenden Krise nicht so schlecht stehen. Der als gemässigt und pragmatisch geltende Präsident Hassan Rohani ist seit Jahresbeginn stark unter Druck geraten. Er hatte das Atomabkommen ausgehandelt und der Bevölkerung versprochen, durch ein Ende der Sanktionen die Wirtschaft zu beleben und den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern. Doch das Volk verliert die Geduld. Seit Anfang des Jahres kommt es immer wieder zu Demonstrationen gegen gestiegene Preise, Wassermangel, Stromsperrungen und Korruption. Die Sanktionen der USA laufen zudem den Plänen Rohanis zuwider, der diverse Gegenmassnahmen ergreifen will, um dem Zerfall der Währung aufzuhalten. Unter anderem wurden Beschränkungen, Gold und Devisen ins Land zu bringen, aufgeboben und niedrige Preise für grundlegende Güter und Medikamente garantiert.

Wird das Atomabkommen hinfällig?

Danach sieht es nicht aus. «Wir werden trotz der Sanktionen der Welt zeigen, das wir unser Wort halten und uns an internationale Verträge halten», sagte Rohani am Montagabend in einem Interview des staatlichen Fernsehsenders IRIB. Auch die anderen Mitglieder des Abkommens haben immer gesagt, dieses aufrecht erhalten zu wollen. Ruhani begrüsste die Reaktion der Europäer, von denen er nun konkrete Massnahmen erwartet. Er fügte hinzu, Russland und China hätten zugesagt, den Iran beim Verkauf von Rohöl zu unterstützen.

Wie steht die EU zu den Sanktionen?

Die EU bedauert die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen gegen den Iran «zutiefst». Die EU sei «entschlossen», europäische Unternehmen, die an «rechtmässigen» Geschäften mit dem Iran beteiligt seien, vor negativen Auswirkungen der US-Entscheidung zu schützen, erklärte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Auch die Aussenminister von Deutschland, Frankreich und Grossbritannien bekräftigten ihren Widerstand gegen die Massnahmen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dagegen forderte die europäischen Staaten auf, dem Beispiel der USA bei den Sanktionen gegen den Iran zu folgen. «Es ist an der Zeit, aufzuhören zu reden, es ist an der Zeit, etwas zu tun».

Kann die Patt-Situation durchbrochen werden?

Theoretisch ja. Donald Trump kündigte an, weiterhin offen zu sein für ein «umfassendes Abkommen, das die gesamte Bandbreite der bösartigen Aktivitäten des Regimes behandelt, inklusive seines Raketenprogramms und seiner Unterstützung für Terrorismus.» Rohani lehnte ein solches Treffen zumindest nicht ab. «Wir haben in unserer Geschichte bewiesen, dass wir für Gespräche immer offen sind.» Er machte aber deutlich, dass es ihm bei einem solchen Gespräch um andere Inhalte ginge als Trump: «Falls die Amerikaner heute bereit sind, können sie darüber sprechen, wie sie die Schulden des Irans im Zusammenhang mit ihrer Einmischung seit 1953 bezahlen wollen. Wir müssen wissen, wie sie das bezahlen wollen. Die USA schulden uns etwas und müssen sich entschuldigen, nicht wir uns bei ihnen.»

Ist die Schweiz betroffen?

Grundsätzlich ist keine Firma dazu verpflichtet, sich an die US-Sanktionen zu halten. Allerdings sind die USA dafür bekannt, Firmen von ihrem Heimmarkt auszuschliessen, wenn sie es nicht tun. Und der US-Markt ist für die meisten Schweizer Firmen wesentlich wichtiger sein als der iranische. So hat der Schweizer Automobilzulieferer Autoneum seine Aktivitäten in Iran bis auf weiteres eingestellt. Wer keine Geschäfte mit den USA tätigt oder plant zu tätigen, kann die Sanktionen wohl getrost umgehen. Der Bund empfiehlt den im Iran tätigen Unternehmen, die Situation im Auge zu behalten. Für die Schweizer Wirtschaft insgesamt werden die Sanktionen voraussichtlich kaum spürbare Folgen haben. Laut Branchenverband Swissmem ist das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und dem Iran bereits vor den US-Sanktionen auf bescheidenem Niveau gewesen. 2017 hat die Schweizer Wirtschaft Waren im Wert von 532 Millionen Franken in den Iran exportiert. 2006 betrugen die Exporte jährlich noch rund 800 Millionen Franken.

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