25 Jahre Novartis
Vom Gemischtwarenladen zur Pharma-Macht

Die Geschichte von Novartis ist auch die von Frank Petersen: Seit 25 Jahren bekämpft der Forscher Krankheiten wie Krebs und Malaria – mit Pflanzen.
Publiziert: 07.03.2021 um 10:44 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2021 um 23:16 Uhr
«Die Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz war ein Meisterstück der Geheimhaltung», sagt Novartis-Präsident Jörg Reinhardt im Gespräch mit SonntagsBlick.
Foto: STEFAN BOHRER
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Danny Schlumpf

Weil der Rhein die beiden Basler Traditionsfirmen trennte, gaben sie ihrem Projekt den Codenamen «Rio Grande». Nur wenige Eingeweihte kannten die Pläne zur Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy: Aus den Chemieunternehmen sollte ein neuer Pharmariese entstehen, der es mit dem Roche-Konzern aufnehmen konnte.

Als Sandoz-Patriarch Marc Moret der Welt am 7. März 1996 die Geburt von Novartis verkündete, rieb sich das Publikum die Augen. Auch für Frank Petersen (60) war es ein Weckruf: «Ich hörte die Nachricht morgens um sieben im Radio», sagt der Naturstoff-Forscher, der seit 1991 bei Ciba-Geigy und seit der grossen Fusion ununterbrochen bei Novartis arbeitet. «Es war eine Bombe. Ich fiel aus allen Wolken!»

Ausrichtung nach Amerika und Asien

Der neue CEO Daniel Vasella machte aus Novartis in kürzester Zeit einen weltweit führenden Pharmakonzern: 1997 gliederte er die Spezialitätenchemie aus, 1999 den Agrarbereich – aus dem mit Syngenta der grösste aller Agrarkonzerne entstand. Mit dem Herzmittel Diovan und dem Krebsmedikament Glivec warf Vasella rasch zwei erfolgreiche Blockbuster auf den Markt. Er baute die Generika-Sparte aus, liess einen Campus für 10000 Mitarbeiter bauen und richtete das Unternehmen konsequent nach Amerika und Asien aus: Novartis wuchs und wuchs.

Petersen reiste nun immer öfter nach China, um sich mit Wissenschaftlern über die Wirkkraft der Pflanzen auszutauschen. Über Artemisia annua zum Beispiel, den Einjährigen Beifuss, der von der chinesischen Medizin seit 2000 Jahren gegen Malaria eingesetzt wird. Ciba-Geigy-Forscher hatten schon lange an Wirkstoffen aus dieser Pflanze herumgetüftelt. «Aber es war Daniel Vasella, der nach der Fusion Dampf machte», sagt Petersen. So entstand das Malaria-Medikament Coartem, dessen Entwicklung er wissenschaftlich begleitete.

«Die Zukunftstrends sind unter anderem Zell- und Gentherapien»

Vasella, seit 1999 auch Novartis-Präsident, pumpte 2006 fünf Milliarden Franken ins Impfgeschäft. Wenn eine Pandemie ausbreche, werde man darüber froh sein. Der langjährige Entwicklungschef Jörg Reinhardt übernahm die Führung der neuen Sparte. Reinhardt verkaufte sie allerdings wieder, nachdem er 2013 Vasella als Präsident abgelöst hatte. Es sei die richtige Entscheidung gewesen, sagt er im SonntagsBlick-Interview. Denn der Trend zeigte in eine andere Richtung. Vor 25 Jahren träumte die Pharmasparte noch von Medikamenten gegen Fettleibigkeit, Haarverlust und Bluthochdruck. «Aber diese Massenmärkte weichen immer mehr hochpreisigen Spezialitätenmärkten», sagt Marcel Brand (60), Pharma-Analyst bei der ZKB. «Die Zukunftstrends sind unter anderen Zell- und Gentherapien.» Wie etwa die Novartis-Gentherapie Zolgensma. Behandlungspreis: zwei Millionen. Oder neuartige Zelltherapien gegen Lymphome – auch da ist Novartis führend.

«Der Konzern hat sich von einem Gemischtwarenladen im Gesundheitsbereich zu einem Player mit klarem Fokus auf Pharma entwickelt», sagt der Pharma-Analyst Michael Nawrath (58). «Und aus einer eher arrogant agierenden Firma wurde ein Unternehmen, das sich immer mehr nach aussen öffnet.»

Forschung hat kein Ende

Naturstoff-Experte Petersen forscht weiter nach Molekülen in Bakterien, Pilzen und Pflanzen, um sie gegen Krankheiten wie Krebs einzusetzen. Oder gegen Malaria, die längst nicht ausgerottet ist. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Tropenforschungsinstitut und dem Institut für Tropenkrankheiten der Novartis hat Petersens Team ein neues Molekül entdeckt, das den Malaria-Erreger so schnell abtötet wie keines zuvor. «Ich hoffe, dass daraus etwas Neues entsteht, das die Krankheit noch effektiver bekämpft», sagt Petersen.

Und die Ausrichtung nach China, die vor 25 Jahren begann? «Das ist eine Schicksalsfrage», sagt Tobias Straumann (55), Wirtschaftshistoriker an der Uni Zürich. «Der Wissenstransfer in der Zusammenarbeit mit China ist oft einseitig und mit Nachteilen für westliche Firmen verbunden.» Das Laboratorium im chinesischen Wuhan hätten auch westliche Staaten mitfinanziert, ohne vollen Einblick zu haben, sagt Straumann. «Heute sollte die Zusammenarbeit viel transparenter sein.»

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