23 Millionen Pakete ohne korrekte Abrechnung
Trotz neuem Gesetz bezahlen China-Shops keine Mehrwertsteuer

Eigentlich sollte ein neues Gesetz für gleich lange Spiesse sorgen: Auch ausländische Online-Shops müssen seit Januar Mehrwertsteuer bezahlen. Aliexpress, Wish und Co. machen das trotzdem nicht – mit einem legalen Trick.
Publiziert: 07.03.2019 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 11:54 Uhr
Digitalredaktor Lorenz Keller mit China-Gadgets aus dem Onlineshop Wish, die 10 bis 20 Franken kosten und somit weiterhin ohne Mehrwertsteuerabgabe geliefert werden.
Foto: Lorenz Keller
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Lorenz Keller
Lorenz KellerDigital-Redaktor

Seit Januar 2019 müssen alle Onlinehändler aus dem Ausland Mehrwertsteuer bezahlen – auch für Kleinstmengen. Vorher galt je nach berechnetem Satz eine Grenze bei einem Warenwert von 65 oder 200 Franken.

Trotz der neuen Regelung bezahlen die zwei wichtigsten Shops mit Waren aus China weiterhin keine Mehrwertsteuer. Aliexpress und Wish sind geschätzt für rund 80 bis 90 Prozent aller Kleinpäckli verantwortlich, die in Schweizer Haushalten landen. Testkäufe von BLICK zeigen, dass weder der Händler einen Aufschlag weiterverrechnet noch der Besteller eine Rechnung von der Zollabfertigung erhält. 

Auch auf der Liste der steuerpflichtigen Versandhändler sind weder Aliexpress noch Wish zu finden. Mehr noch: Kein einziger Onlineshop aus Asien ist auf der Liste vom März aufgeführt, welche die Eidgenössische Steuerverwaltung veröffentlicht.

Bund entgehen 50 Millionen Franken Mehrwertsteuer

Das bedeutet: Bis zu zwei Millionen Kleinsendungen aus Asien pro Monat werden weiter ohne Mehrwertsteuer-Abgabe importiert. Der Verband des Schweizerischen Versandhandels (VSV) schätzt für BLICK, dass der Schweiz so rund 50 Millionen Franken Mehrwertsteuer pro Jahr entgehen. Dabei hätte die neue Regelung für gleich lange Spiesse für Schweizer Händler und ausländische Shops sorgen sollen!

Dass die neue Verordnung durchaus eine Wirkung hat, zeigte sich schon Anfang Jahr. US-Riese Amazon.com stellte Lieferungen in die Schweiz ein, weil der US-Zentrale die Abrechnung der Mehrwertsteuer wohl zu kompliziert war. Bestellen kann man seither nur noch auf den deutschen, französischen oder italienischen Seiten von Amazon.

Warum aber können die chinesischen Aliexpress oder Wish die Mehrwertsteuer für Kleinsendungen weiter umgehen? Weil die neue Regelung nur für Händler gilt, die einen Umsatz von über 100'000 Franken pro Jahr in der Schweiz machen.

Das müssen Sie bei Ausland-Bestellungen beachten

Ein potenzielles Problem bringt die neue Regelung für Konsumenten mit sich. Nach wie vor fallen bei Sendungen aus dem Ausland mit einem Warenwert von über 65 Franken beziehungsweise 200 Franken bei tieferem Satz die Einfuhrsteuer und die Mehrwertsteuer an.

Kümmert sich der Onlineshop nicht darum, flattert dem Konsumenten wie bisher schon eine Rechnung ins Haus – die wegen den Gebühren für Einschätzung und die Bearbeitung der Verzollung oft unangenehm hoch ist.

Die im neuen Mehrwertsteuer-Register eingetragenen ausländischen Händler kümmern sich allerdings selber darum und rechnen alles direkt ab. Sprich: Der Käufer sieht schon im Warenkorb, was er inklusive aller Kosten berappen muss. Ein Vorteil für die Konsumenten.

Allerdings muss dies der Onlinehändler auch korrekt deklarieren. So müssen etwa auf dem Paket eine Absenderadresse und die Mehrwertsteuer-Nummer ersichtlich sein. Fehlt diese, verzollt die Post das Paket nochmals. Der Käufer bezahlt alles doppelt – und muss dann mit dem Händler einig werden, wie er sein Geld retourbekommt. (klz)

Ein potenzielles Problem bringt die neue Regelung für Konsumenten mit sich. Nach wie vor fallen bei Sendungen aus dem Ausland mit einem Warenwert von über 65 Franken beziehungsweise 200 Franken bei tieferem Satz die Einfuhrsteuer und die Mehrwertsteuer an.

Kümmert sich der Onlineshop nicht darum, flattert dem Konsumenten wie bisher schon eine Rechnung ins Haus – die wegen den Gebühren für Einschätzung und die Bearbeitung der Verzollung oft unangenehm hoch ist.

Die im neuen Mehrwertsteuer-Register eingetragenen ausländischen Händler kümmern sich allerdings selber darum und rechnen alles direkt ab. Sprich: Der Käufer sieht schon im Warenkorb, was er inklusive aller Kosten berappen muss. Ein Vorteil für die Konsumenten.

Allerdings muss dies der Onlinehändler auch korrekt deklarieren. So müssen etwa auf dem Paket eine Absenderadresse und die Mehrwertsteuer-Nummer ersichtlich sein. Fehlt diese, verzollt die Post das Paket nochmals. Der Käufer bezahlt alles doppelt – und muss dann mit dem Händler einig werden, wie er sein Geld retourbekommt. (klz)

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Onlineshops wie Aliexpress oder Wish gelten aber nicht als ein Händler, da darauf Zehntausende kleiner Shops ihre Produkte anbieten. Zwar läuft alles über eine zentrale Plattform, die Pakete werden jedoch einzeln von den jeweiligen Kleinhändlern verschickt.

Aliexpress und Wish deklarieren systematisch falsch

Ob diese tatsächlich alle nicht die 100'000-er-Marke erreichen oder sich einfach darum foutieren, bleibt offen. Die systematische Falschdeklaration der Waren spricht für Letzteres. Auch im BLICK-Test mit Käufen bei Aliexpress und Wish war der Warenwert in jedem Fall falsch angegeben, jeweils nur mit 20 bis 50 Prozent des tatsächlichen Kaufpreises.

«Die Händler müssen sich selbständig und somit freiwillig anmelden. Eine solche Regelung öffnet dem Missbrauch Tür und Tor», kritisiert FDP-Nationalrat Marcel Dobler (38). Er moniert schon seit längerem, dass die aktuellen Regelungen zu wenig griffig seien. «Man müsste etwa über Kreditkarten-Daten die tatsächlichen Transaktionen pro Händler im Verdachtsfall überprüfen können.»

Auch VSV-Präsident Patrick Kessler (50) stört sich an der aktuellen Situation: «Man müsste die Marktplätze in die Pflicht nehmen, dort wo der Geldfluss stattfindet.» Das würde auch unnötige Bürokratie verhindern, indem sich Zehntausende Kleinhändler anmelden müssen.

Dobler fordert nach wie vor gleiche Bedingungen für alle und kündigt an: «Im Parlament bereiten wir neue Vorstösse zu diesem Thema vor.» Der Verband des Schweizerischen Versandhandels hofft zusätzlich auf eine europäische Lösung. «Auch andere Länder haben diese Probleme mit Onlineshops aus Asien», sagt Präsident Kessler.

Amazon, Google und Facebook reizen alles aus

Wenn es um die Vermeidung von Steuern geht, sind die chinesischen Internethändler blutige Anfänger. Die wahren Profis sitzen bei Amazon, Google, Facebook und Co. Die Internetgiganten aus den USA haben die Ausreizung von – legalen – Steuerschlupflöchern schon längst perfektioniert. 

So wurde kürzlich bekannt, dass der Onlinehändler Amazon offenbar trotz eines Gewinns von über 11 Milliarden Dollar keine Steuern bezahlen muss. Im Gegenteil: Für Amazon gab es 2018 gar eine Steuergutschrift von 129 Millionen Dollar! Dies, weil Schlupflöcher, die einst Bill Clinton für Unternehmen geöffnet hat, auch vom aktuellen US-Präsidenten Donald Trump nicht geschlossen wurden. Im Gegenteil: Trump hat mit seiner Steuerreform die Situation noch verschärft. Obwohl er mit dem Anspruch auf mehr Steuergerechtigkeit angetreten war. 

Doch nicht nur in den USA auch in Europa kommen Firmen mit digitalen Geschäftsmodellen wie eben Facebook oder Google steuerlich glimpflich davon. So liege die Steuerquote für solche Firmen nach Angaben der EU-Kommission bei 9,5 Prozent, wie das deutsche «Handelsblatt» gestern schrieb. Bei Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen seien es im Schnitt 23,5 Prozent. 

Frankreich will diesen Missstand nun beheben und eine Steuer auf digitale Geschäftsmodelle erheben. Experten zweifeln am Erfolg des französischen Alleingangs, nur eine europäische oder gar globale Lösung könne hier Abhilfe schaffen.

Doch auch ganz und gar nicht digitale Giganten wie etwa die Kaffeehaus-Kette Starbucks sind Weltmeister im Steuersparen. Das hat viel mit der starken Marke zu tun. Gebühren für die Nutzung dieser Markenrechte werden von einer Tochtergesellschaft erhoben, die ihren Sitz in einem möglichst steuergünstigen Land hat. Das heisst, vom Gewinn für den Verkauf eines Bechers Kaffee in der Schweiz oder Deutschland wird möglichst viel Markennutzungsgebühr abgezogen. 

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