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Tonya Harding und Nancy Kerrigan
Das Biest und die Schöne

Heute vor 25 Jahren kams zu einem der grössten Skandale der Sportgeschichte. Die Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan wurde Opfer eines Attentats. Steckte ihre Konkurrentin Tonya Harding dahinter?
Publiziert: 06.01.2019 um 19:29 Uhr
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Daniel LeuStv. Sportchef

Gegen 100 Millionen Zuschauer sitzen an jenem Freitag, dem 25. Februar 1994, in den USA gebannt vor dem Fernseher. Sie alle wollen das Eiskunstlauf-­Duell um Olympiagold zwischen Harding und Kerrigan nicht verpassen.

Da Tonya Harding. Gemäss eigenen Angaben wurde sie in der Kindheit von ihrer Mutter misshandelt. Mit zwölf stand sie erstmals einen dreifachen Lutz. Harding: blonde Haare, stechender Blick.

Hier Nancy Kerrigan. Behütete Kindheit. Ihr Vater, ein gelernter Schweisser, übte bis 
zu drei Jobs gleich­zeitig aus, um seiner Tochter eine Karriere als Sportlerin zu 
ermöglichen. Kerrigan: braune Haare, unschuldiger Blick.

Tonya Harding (l.) und Nancy Kerrigan im Training vor den Olympischen Spielen 1994.
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Gut und Böse

Harding und Kerrigan: das Biest und die Schöne. Oder die Eishexe und die Eisprinzessin. Wer verstehen will, warum dieses Duell an Olympia 1994 die Menschen weltweit so elektrisiert, muss die Zeit 50 Tage zurück­drehen.

Am Sonntag vor 25 Jahren, am 6. Januar 1994, wurde Kerrigan beim Training zur US-Meisterschaft von einem Unbekannten mit einer 
Eisenstange attackiert und am Knie verletzt. Wenige Tage später wurde der Täter festgenommen. Dieser erklärte, dass ihn Jeff Gillooly, der damalige Ehemann von Harding, angeheuert habe.

Wollte Harding so ihre grösste Konkurrentin um Olympiagold aus dem Weg räumen? Der US-Verband reagierte umgehend und sperrte Harding. Doch die 
damals 23-Jährige ging juristisch dagegen vor, drohte mit Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe und durfte deshalb doch noch nach Lillehammer reisen. Und weil die Verletzung von 
Kerrigan weniger schlimm als 
befürchtet war, kam es in der norwegischen Kleinstadt zum Wiedersehen der beiden amerikanischen Eiskunstläuferinnen.

600 Journalisten beim ersten Training

Bereits im Training, in einer kleinen Eishalle in Hamar, sind 600 Journalisten anwesend! Als sich die Wege der zwei auf dem 
Eis für einen kurzen Augenblick kreuzen, klicken gleichzeitig Hunderte von Kameras. Jede Bewegung der beiden wird live in die Stuben der Amerikaner geliefert.

25. Februar 1994. Die Kür. Der grosse Showdown. Jeder schaut auf Harding und Kerrigan. Jeder will, dass die Böse von der Guten besiegt wird. Doch beide können ihren Traum vom Gold nicht wahr werden lassen: Kerrigan holt 
Silber, und Harding wird bloss Achte.

Was damals noch niemand wissen kann: Die zwei werden sich nach Olympia 1994 nie mehr begegnen, denn die Affäre Harding/Kerrigan eskaliert. Harding wird schliesslich wegen Behinderung der Ermittlungen zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Zudem wird sie lebenslang von 
allen Eiskunstlauf-Wettbewerben ausgeschlossen.

Ein tiefer Fall folgt

Harding fällt tief. Richtig tief. Verzweifelt sucht sie das Rampenlicht. Will auch sich als Opfer sehen. Ihre letzten 25 Jahre im Schnelldurchlauf: Sie lässt sich als Boxerin vermöbeln. Sie versucht sich als Schauspielerin in B-Movies. Sie verkauft ein Sex-Video ihrer Hochzeitsnacht an ein Erotik-
Magazin. Und sie gibt nach 
20 Jahren in einer Dokumentation endlich zu, dass sie von den 
Attentats-Plänen ihres damaligen Mannes auf Kerrigan zumindest gehört habe.

2017 schliesslich wendet sich das Blatt. Zumindest ein bisschen. Der Spielfilm «I, Tonya» erzählt noch einmal die Geschichte. Als schwarze Komödie. Über 53 Millionen US-Dollar spielt der Streifen ein. Und viele sehen danach 
Harding nicht mehr nur als Täterin, sondern auch als Opfer.

Sufjan Stevens, ein amerikanischer Singer-Songwriter, widmet Harding gar ein Lied. «Tonya, du warst die Klügste. Du bist aus der Asche auferstanden. Und du hast alle Abstürze überlebt. Wisch dir das Blut von deinen weissen Strümpfen», singt er. Und weiter: «Kämpfe weiter, wie du bist. 
Meine amerikanische Prinzessin. Möge Gott dich mit Weihrauch segnen. Du bist mein strahlender, amerikanischer Star.»

Strahlender, amerikanischer Star? Die heute 48-jährige Harding selbst sieht es deutlich 
düs­terer. Ihr Fazit: «Nancy ist eine Prinzessin, und ich bin ein Haufen Scheisse.»

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