Die verrückte Lebensgeschichte von Jean Wicki (†89)
Schweizer Olympia-Held hatte eigentlich Benzin im Blut

Bob-Olympiasieger Jean Wicki ist am 11. Juni 89-jährig verstorben. Der gebürtige Walliser hatte nicht nur sportlich grossen Erfolg, er führte auch ein schillerndes Leben.
Publiziert: 21.06.2023 um 17:59 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2023 um 20:01 Uhr
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Im Bob den Eiskanal runter? Die rasante Wintersportart spielte im Leben von Jean Wicki (†89) lange keine Rolle. Der letzte Woche verstorbene Viererbob-Olympiasieger von 1972 hatte als Teenager Autos im Kopf.

Der Walliser erlebte eine entbehrungsreiche Kindheit. Schon mit sieben Jahren verlor Wicki seinen Vater, seine Mutter brachte alleine drei Söhne durch die harten 40er-Jahre.

Doch Klein-Jean hatte seine Autos. Die Faszination führt ihn ins Autogewerbe, Wicki absolviert eine Lehre als Automechaniker in Sierre VS. Kaum ist die LAP im Sack, wird ihm das Tal zu eng. «Er strebte dorthin, wo seiner Auffassung nach das Zentrum der Welt war – nach Paris», heisst es im Nachruf von Bobverband Swiss Sliding.

Schweizer Sportgeschichte: 1972 trägt der siegreiche Viererbob mit Jean Wicki, Hans Leutenegger, Werner Camichel und Edy Hubacher ihren Teil zu den goldenen Tagen an den Olympischen Spielen in Sapporo (Japan) bei.
Foto: Keystone
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Mittendrin in der Formel-1-Gründerzeit

In Paris findet Wicki eine Stelle, die ihn trotz seiner späteren, beruflichen Erfolge auch noch Jahrzehnte danach schwärmen liess. Der 20-Jährige heuert beim Formel-1-Rennstall Gordini an. Der spätere Bob-Champion ist beim Grand-Prix-Team zuerst Mechaniker, dann Rennwagen-Spezialist und wird sogar Testfahrer. Wicki erlebt die aufregende Zeit der Formel-1-Gründerzeit in den Sechzigerjahren hautnah mit.

Dann aber schlittert Gordini in finanzielle Schwierigkeiten. «Da stand er plötzlich mit nur noch 100 Franken in der Tasche am Gare du Nord und träumte von einem sicheren Arbeitsplatz zu Hause in der Schweiz», formuliert es der Bobverband.

Wicki verschlägt es in die «Üsserschwiiz». Zürich wird seine zweite Heimat. Er beginnt in Oerlikon mit einer Zweimann-Garage. Das Autobusiness entwickelt sich rasant, in zwei Autohäusern in Zürich-Affoltern und Kriens LU führt der Geschäftsmann bald rund 150 Mitarbeitende. Nebenbei baut er am Standort Lausanne auch noch ein Immobilienimperium auf.

Ein kaputter Bob bringt Wicki in den Eiskanal

Zum Bob findet Wicki per Zufall. Sein Nachbar in Zürich ist Max Angst (†79). Der Olympia-Bronzegewinner von 1956 bringt ihm eines Tages einen ziemlich lädierten Sturz-Bob in die Werkstatt.

Mit Highspeed, ohne Motor im Eiskanal? Dem Mann mit Benzin im Blut ziehts bei der «Formel 1 des Winters» den Ärmel rein. Wicki besucht 1960 auf der Bobbahn in St. Moritz die internationale Bobschule. Der Rest ist Geschichte. Der Walliser rast mit seinen legendären Anschiebern Hausi Leutenegger (83), Werner Camichel (†61) und Edy Hubacher (83) zu Olympia-Gold 1972. Das schaffte danach in der Königsdisziplin nur noch Ekkehard Fasser 1988.

Nun verstarb die Bob-Legende eine Woche vor seinem 90. Geburtstag nach kurzer Krankheit im Beisein seiner Tochter.

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