Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Die Jugendsünde von Federer

Was man an einem Menschen gehabt hat, weiss man erst, wenn man ihn nicht mehr hat. Die SonntagsBlick-Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 17.07.2022 um 20:12 Uhr
Felix Bingesser

Wimbledon ohne Roger Federer ist wie eine Erdbeertorte ohne Erdbeeren. Um hier mal ganz ungezwungen und geschmeidig den Übergang zu den 30 Tonnen Süssfrüchten herzustellen, die beim traditionellsten Tennisturnier der Welt gegessen werden.

Man ist in den letzten Wochen schon leicht wehmütig geworden, wenn man hin und wieder kurz in eine Wimbledon-Partie gezappt ist, aber nach einigen Ballwechseln und null Emotionen in der grossen Not halt doch wieder zur «Landfrauenküche» zurückgekehrt ist.

Es ist wie immer: Was man an einem Menschen gehabt hat, weiss man erst, wenn man ihn nicht mehr hat. Dass es eine Sportwelt ohne den Maestro gibt, war immer klar. Und dass das Schweizer Tennis dann wieder in der Anonymität zu versinken droht, ist ein Szenario, das ebenfalls allen bewusst war.

Blick-Reporter Felix Bingesser schreibt die SonntagsBlick-Kolumne Übrigens.
Foto: Thomas Meier
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In Basel das Taschentuch bereithalten

Aber wenn es so weit ist, dann wird man halt schon von einer gewissen Melancholie erfasst. Und jetzt ist es so weit. Wimbledon ohne Federer ist Fakt, und das definitive Ende dieser grandiosen Karriere wird auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Beim Heimspiel in Basel sollten wir jedenfalls das Taschentuch bereithalten, um allfällige Tränen wegzuwischen.

Auch als Journalist bleiben dann einem nichts als die Erinnerungen. Beispielsweise an die erste längere Begegnung. Das war im März des Jahres 2000 in einem Hotel in Basel. Der junge Mann erscheint um 14 Uhr und entschuldigt sich sogleich: «Ich habe nur bis 17 Uhr Zeit. Dann kommt mein Fahrlehrer, ich habe noch eine Fahrstunde.»

Aber dann macht er alles mit. Weil damals leicht erotisch angehauchte Inszenierungen noch ein Verkaufsargument waren, räkelt sich der 18-jährige Roger Federer im Bademantel auf dem Bett und schmeisst in der Badewanne mit Tennisbällen um sich. Ein Fotoshooting, das er danach mehrmals als «Jugendsünde» bezeichnet hat.

«Ich bin überhaupt kein Mädchenschwarm»

Und er hat in der jugendlichen Unschuld auch auf jede Frage eine entwaffnend ehrliche Antwort. «Stehen die weiblichen Fans vor Ihrem Hotelzimmer schon Schlange?» – «Nein, nein, überhaupt nicht. Vor meinem Hotelzimmer ist überhaupt noch nie eine Frau aufgetaucht. Vielleicht kommt das jetzt immer mehr, wer weiss. Aber im Prinzip bin ich überhaupt kein Mädchenschwarm. Ich bin eher ein schüchterner Typ.»

Und angesprochen auf seine Traumfrau sagt er: «Sie sollte schon hübsch sein. So eine Mischung aus Pamela Anderson und Cindy Crawford, das wärs. Aber es müssen natürlich auch viele andere Sachen stimmen.»

Und auch beim Thema Geld gibt es eine klare Ansage: «Ich habe immer gerne mehr als 50 Franken dabei. Ich fahre ja auch mit dem Zug und muss zwischendurch mal was essen.»

Und zu seinen sportlichen Ambitionen: «Ich habe noch keinen Schlag, der völlig ausgereift ist, ich habe überall noch Steigerungspotenzial. Darum liegt noch vieles drin. Irgendwann mal ganz oben zu stehen, davon träume ich schon.»

Immerhin: Wir durften dabei sein, als er sich diesen Traum erfüllt hat. Das ist ein Privileg.

Auch wenn uns jetzt die Wehmut packt.

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