Foto: Sven Thomann

Steingruber über ihre Leidenszeit
«Mein Knie war instabil wie eine Schublade»

Giulia Steingruber (25) ist nach ihrem Kreuzbandriss zurück. Vor der Turn-WM in Stuttgart spricht sie über ihre Leidenszeit und wie sie mentale Hürden überwand.
Publiziert: 30.09.2019 um 01:23 Uhr
Mathias Germann

BLICK: Giulia Steingruber, reden Sie mit Ihrem linken Knie?
Giulia Steingruber:
Nicht bewusst ...

Aber?
Im ironischen Sinn habe ich es auch schon getan. Das tönt blöd, aber es ist so (schmunzelt). Vor allem in der Aufbauphase nach der Operation habe ich meinem Knie schon auch gesagt: «So, das geht schon. Komm jetzt!»

Wie ist es mit Ihnen selbst?
Ja, ich rede innerlich mit mir. ­Damit ich mich überwinde.

Giulia Steingruber greift wieder an.
Foto: keystone-sda.ch
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Haben Sie nach dem Eingriff mit einem Mentaltrainer gearbeitet?
Unmittelbar danach sogar sehr ­intensiv. Ich habe nach und nach ­immer häufiger die Übungen für mich selbst visualisiert. Das mache ich auch jetzt noch.

Was bringt dies?
Ich gewinne so an Vertrauen. Zum Beispiel spiele ich die 90 Sekunden einer Bodenübung im Kopf durch, um alles zu verinnerlichen. Und zwar genau in dieser Zeitspanne.

Hat Ihr Knie in Ihren Gedanken immer standgehalten?
Bei der Visualisierung fiel ich ­bisweilen aus der Übung, konnte die eineinhalb Minuten nicht durchturnen.

Warum nicht?
Weil mir die Landungen Angst ­gemacht haben. Alles fing zwar gut an, aber sobald der entscheidende Moment kam, riss der Film. Und ich kam auch nicht weiter, was mir Angst machte.

Ein Albtraum?
Das nicht, aber ich arbeitete mit meinem Mentaltrainer daran. Ich musste verdrängen, wie sich mein Knie unmittelbar nach der Ver­letzung anfühlte.

Wie fühlte es sich an?
Wie eine Schublade, einfach instabil. Ein unangenehmes Gefühl, das man nicht einfach so vergisst. Aber dank gezielter Arbeit brachte ich es fertig, innerhalb eines Monats die ganzen eineinhalb Minuten doch noch durchzuturnen.

Hat Ihnen die Verletzung gut­getan, weil Sie danach komplett abschalten konnten?
(Zögert.) Nicht unbedingt.

Weil diese Auszeit nicht wie jene nach Olympia 2016 geplant war?
2016 schrie sowohl mein Körper als auch mein Kopf nach einer Pause. Diesmal war es anders – happig, es hat mich komplett rausgerissen aus dem Alltag. Es war sehr hart. Klar, im Nachhinein konnte ich meine Batterien aufladen. Aber ich hätte gerne darauf verzichtet.

Mittlerweile wissen Sie, dass Ihr Knie auch in der Realität hält. Wie gut tat Ihnen der SM-Titel?
Sehr gut. Es war der erste offizielle Wettkampf. Es ist immer speziell, vor Publikum zu turnen. Aber für mein Vertrauen in mein Knie war es sehr wichtig. Ich wollte überprüfen, ob wirklich alles gut ist. Was das Knie ertragen muss. Auch eine ­Woche später an einem Länderkampf in Holland ging alles super, das war für mich extrem wichtig.

Im Training konnten Sie das ­Vertrauen in Ihren Körper nicht gewinnen?
Der Wettkampf ist einfach der letzte Tropfen, den es noch braucht. Im Training bist du in deiner ge­wohnten Umgebung, nicht voller Anspannung. Du kennst alles. Im Wettkampf bist du in einer anderen Halle, es gibt andere Geräte.

Dazu kommt das Adrenalin, oder?
Genau. Am Sprung beispielsweise brauche ich das Adrenalin, ich wandle es in Energie um.

Ihr Ziel für die WM in Stuttgart?
Priorität hat das Team, damit wir in die Top 12 kommen. Das wäre wichtig für die Olympia-Quali. Ich selbst würde es gerne in den Mehrkampffinal schaffen und dann die Top 20 knacken. Bei den Geräten schauen wir noch – alles zu seiner Zeit.

Und dann sehen wir Sie in Tokio 2020.
Hoffentlich, ja!

Dann wären Sie 26 Jahre alt. Würde Sie Olympia 2024 noch reizen?
Das ist noch weit weg, ich nehme Schritt für Schritt. Turnen wird immer meine Leidenschaft bleiben, das ist sicher. Und die Heim-EM 2021 habe ich auf jeden Fall bereits im Kopf!

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