SRF-Doppel und Reisegruppe Bürer/Günthardt
«Stefan lag am Boden – ich kommentierte weiter»

Tennis ohne Stefan Bürer und Heinz Günthardt – undenkbar! Das Schweizer SRF-Doppel klingt nicht nur wie Zwillinge – sie sind es fast auch.
Publiziert: 21.01.2019 um 18:44 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 20:58 Uhr
Cécile Klotzbach, Melbourne

Wie viele Jahre sind Sie nun schon Doppelpartner?
Heinz Günthardt:
Stefan ist besser mit Zahlen. Er ist der Geschichts­professor, weiss immer, wann was passiert ist.

Stefan Bürer: Heinz weiss dafür, welcher Spieler im letzten Match bei 3:3, 0:40 welchen Ball gespielt hat. Wir machen das jetzt seit 1995, also 24 Jahre.

Sie verbringen relativ viel Zeit ­zusammen ...
Günthardt: ... relativ können Sie streichen.

Stefan Bürer (l.) und Heinz Günthardt kommentieren seit 24 Jahren zusammen.
Foto: Frank Molter
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Mussten Sie je das gleiche ­Zimmer oder gar Bett teilen?
Bürer: Beruflich nie. Einmal, aber das war ein privater Ausflug.

Macht Ihre Reisegruppe viel 
Sightseeing?
Günthardt: Das war einmal ... Früher hatten wir Zeit dafür. Aber damals hatten wir noch nicht so viele Schweizer Spieler an einem Turnier – was ja ein schöner Trend ist. ­Zudem übertrug SRF längst nicht so viele Matchs wie heute.

Bürer: Eigentlich nur Roger Federer. Wenn der draussen war, wurden wir heimbeordert.

Günthardt: Aber es blieb uns wirklich Zeit, um Museen anzusehen – in New York das Guggenheim, MoMA, das historische Museum – oder ­Spaziergänge im Park zu machen.

Wer telefoniert öfter?
Bürer: Ich würde sagen Heinz. Bei mir kanns auch mal ein Tag ohne sein.

Günthardt: Ich telefoniere ein- bis zweimal am Tag mit meiner Frau Cecilia.

Wer schreibt mehr private SMS während dem Kommentieren?
Bürer: Ich gebe zu, es kommt vor, dass während der Wimbledon-Übertragung ein Mitglied der Royal Box gross im Bild gezeigt wird und ich nicht weiss, wer das ist. Dann schreibt meine Frau Regula schon mal: Das ist Prinz Andrew.

Günthardt: Auch andere Zuschauer reagieren zwischendurch mit Zusatzinformationen.

Wie wars früher ohne Mobil­telefone?
Bürer: Ich weiss noch, wie ich am US Open abends von einer Telefonkabine mit einem «Collect Call» den Spielplan des nächsten Tages durchgab.

Günthardt: Das Programm lag erst im Hotel in Papierform auf.
Bürer: Und als wir heimkamen, 
hatten wir viel zu erzählen, weil wir nicht viel mit der Frau telefonierten.

Gehen Sie gemeinsam essen?
Günthardt: Immer, wir haben beide ein gleich hohes Interesse an der Nahrungsmittelaufnahme.

Bürer: Nicht nur zum Überleben, sondern weil wir Geniesser sind.

Günthardt: In Melbourne frühstücken wir aber fast nur. An bestimmten Tagen kommentieren wir danach bis zu neun Stunden durch und essen dann auf der Anlage.

Wer bestimmt die Auswahl 
des Restaurants?
Bürer: In der Beziehung führen wir eine gleichberechtigte Ehe. Vielleicht eher Heinz, aber nach Absprache.

Günthardt: Nach so vielen Jahren weiss ich ja, was Stefan mag.

Wer gibt mehr Trinkgeld?
Günthardt: Da wir sehr oft Ähnliches bestellen, ist das einfach: immer ­geteilt durch zwei.

Bürer: Wir essen tatsächlich fast ­immer das Gleiche. Eigentlich schlimm!

Gibts nie getrenntes Programm?
Bürer: Sehr selten.

Günthardt: Es kommt vor, dass ich Freunde treffe – fast an allen Reisezielen kenne ich Leute.

Bürer: Aber da ich die mittlerweile auch alle kenne, bin ich meistens dabei.

Gingen Sie sich mal so richtig auf den Nerv?
Bürer: Nein.

Günthardt: Doch! Wenn Stefan nichts zu essen bekommt und unterzuckert ist, kann er sehr hässig ­werden. Unglaublich, wie er dann um sich schlägt! Ich sollte was zum Knabbern mitnehmen. Für den Notfall.

Bürer: Ich bin gerne im Team. Wenn es stimmt, fühle ich mich sehr wohl.

Günthardt: Nach 24 Jahren vertrauen wir uns total. Ich würde mit Stefan alles besprechen. Wenn ich ihn um Rat frage, weiss ich, dass er ihn mir nach bestem Wissen und Gewissen gibt. Und ich schätze seinen Intellekt sehr – ich sage das nicht über viele Menschen. Beim Znacht möchte ich über andere Themen als Tennis sprechen. Mit Stefan kann man ­Pferde stehlen. Ich hoffe, er sieht das genauso.

Bürer: Das ist ja klar. Sonst könnte man niemals so lang so eng zusammen sein.

Welches Gepäckstück darf auf Reisen nicht fehlen?
Günthardt: Ich habe meistens meine Gitarre dabei. Hier in Melbourne zwar nicht, weil meine Frau da ist. Beides ist schwierig (lacht) ...

Wer nimmt die Ehefrau 
häufiger mit?
Bürer: Heinz, allerdings auch nicht oft. Bei uns geht das nicht, wir haben drei Kinder zu Hause, darunter noch ein Elfjähriger. Und meine Frau arbeitet.

Wer ist der Pünktlichere?
Bürer: Bei der Arbeit kommt Heinz knapper als ich. Das hat auch mit meiner Rolle zu tun. Ich muss die Verbindung mit Zürich aufnehmen, schauen, dass die Leitung funktioniert.

Günthardt: Beim Frühstück bin ich pünktlicher. Selbst wenn wir bis morgens um zwei arbeiten, ist neun Uhr morgens unser fixer Treffpunkt. So bleibt der Rhythmus bestehen und die Zeit für etwas Bewegung an der frischen Luft. In der TV-Kabine ist es stickig, also musst du vorher Sauerstoff tanken.

Bürer: Heinz wartet, und ich muss mir den Wecker stellen. Danach ­gehen wir – wenns die Zeit erlaubt – oft gemeinsam ins Fitnesscenter, joggen oder aufs Velo.

Wer ist der Chef der Klimaanlage?
Bürer: Guter Punkt, da haben wir öfters Streit! Er mag es kühler, ich friere relativ schnell und erkälte mich – wie auch jetzt wieder. Es kommt vor, dass einer den Knopf runterdreht und der andere zehn Minuten später wieder hoch.

Günthardt: Lieber kühl und eine ­Jacke anziehen! Unter dem Kopfhörer bekommst du heisse Ohren, dazu kommt noch der Elektrosmog der Apparaturen.

Wer macht die meisten Gags?
Bürer: Das kommt spontan, abgemacht ist da nichts. Ich denke, es ist ausgeglichen.

Günthardt: Das müssten eigentlich die Zuschauer beurteilen. In neun von zehn Fällen weiss Stefan alles. Im seltenen anderen Fall lenke ich dann ab, indem ich vom Thema ­abschweife. Das kommt dann manchmal ganz lustig raus.

Stellen Sie sich gegenseitig auch mal bloss?
Günthardt: Sicher nicht absichtlich! Wir wollen ja einen Match verkaufen. Das machen wir am besten, wenn wir einander gut dastehen lassen.

Bürer: Wenn Heinz mal etwas sagt, das nicht hundertprozentig richtig ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Schweigen oder einen humorvollen Weg suchen, um es zu korrigieren. Das Gleiche gilt umgekehrt, wenn ich fachlich danebenliege.

Können Sie Ihre Stimmen gut ­unterscheiden?
Bürer: Ja, ganz klar! Aber ich höre sehr oft, dass wir ähnlich klingen. Das finde ich cool, so meinen die Leute, ich käme auch so gut draus.

Günthardt: Wir sind auch deshalb schwierig auseinanderzuhalten, weil wir nicht einfach unseren eigenen Streifen durchziehen, sondern uns gegenseitig zuhören. Die Übergänge wirken dann nahtlos, wenn der eine den Satz des anderen fertig macht.

Nehmen Sie die Marotten des ­anderen an? Stichwort: WAS 
für ein Ballwechsel!
Günthardt: (Lacht.) Dann war es ein guter Ballwechsel! Ganz sicher färben wir ab.

Bürer: Wie in jeder anderen Partnerschaft. Was du gut findest, übernimmst du irgendwann.

Günthardt: Das «Was für ...!» kommt wohl von meinen früheren Zeiten bei Eurosport. Da hatten wir einen internen Wettbewerb, wer die ­wenigsten Füllwörter benutzt. Das führte dazu, gewisse Sätze zu komprimieren.

Hatten Sie in den 24 Jahren 
schon einmal einen Krankheits­notfall während einer TV-Über­tragung?
Bürer: Ja, einige Male. Als Allergiker erleide ich schon mal Allergieschocks. Wenn irgendwo Nüsse drin sind, geht das ganz schnell.

Günthardt: Hier in Melbourne schaute ich ihn mal an und erschrak: überall rote Pickel und Flecken, alles schwoll extrem an! Die Medikamente wirkten zum Glück schnell.

Bürer: Und in Basel hatte ich mal einen Hexenschuss. Ich konnte nur noch krumm stehen. Als ich es nicht mehr aushielt, rief man mir einen Arzt, und der jagte mir eine Spritze in den Rücken, weiter gings.

Günthardt: Stefan lag am Boden und ich kommentierte weiter – ich glaube, keiner hats gemerkt.

Wer hat mehr Blähungen?
Günthardt: Das Problem sind eher die Toiletten – manchmal sind die extrem weit weg.

Bürer: Schlimm ist das, wenn man alleine ist.

Günthardt: Das Timing im Satz ist dann ganz wichtig – wenn du Pech hast, musst du ja noch beim WC anstehen. Im Davis Cup hatte ich mal eine furchtbare Situation. Es stand 5:2 im Entscheidungssatz. Ich dachte, das Game halte ich noch aus, dann wurde es 5:5 und Tiebreak, das auch noch ewig ging – Horror!

Welcher Tennismatch ist Ihr persönliches Highlight?
Bürer: Als Erstes kommt mir der Final Federer gegen Nadal hier vor zwei Jahren in den Sinn. Wegen des Verlaufs, der Vorgeschichte und der Dramatik ist der unübertroffen – der füdliblutte Wahnsinn eben! Der Wimbledon-Final 2008 war in der Qualität wohl noch besser – aber dummerweise hat Roger verloren.

Günthardt: Für mich ist es trotzdem dieser. Es war die intensivste Sendung, die ich je gemacht habe. In den Regenpausen musste ich immer auf die Terrasse, um im Sturm live zu überbrücken! Es war extrem, einem Kollegen drehte es den Regenschirm vor der Livekamera um.

Bürer: Um 14 Uhr ging es los – abends um 21.30 Uhr waren wir fertig.

Günthardt: Mit Vor- und Nachprogramm über acht Stunden live am Stück unter totaler Anspannung. So fertig war ich danach noch nie.

Gerieten Sie schon mal in einen Shitstorm?
Bürer: Nein, Unanständiges kommt gar nicht zu uns durch. Konstruktive Kritik landet bei mir, und ich beantworte sie auch.

Günthardt: Ich bekomme relativ wenige Reaktionen. Eine amüsante Geschichte: Im Davis Cup gegen Deutschlands Spieler Dreekmann und Prinosil sagte ich: «Die Schweiz wurde durch den Dreekmann gezogen und mit Prinosil gespült.» Darauf erklärte mir ein Deutschprofessor den Stammbaum des Namens Dreekmann, und dass der nichts mit Dreck zu tun habe. Interessant, wie gut manche Leute zuhören.

Was war Ihr schönstes Kompliment?
Bürer: Die von ehemaligen Profispielern. Sie zeigen mir, dass ich nicht so viel falsch mache. Und dass wir letztes Jahr als Kommentatoren-Duo die «Sportjournalisten des Jahres»-Wahl gewannen, hat mich wirklich sehr gefreut.

Günthardt: Ich finde es auch schmeichelhaft, wenn uns junge Leute einer anderen Generation gut finden.

Bürer: Die sprechen uns tatsächlich oft an – erstaunlich, dass sie uns alte Säcke noch schätzen. Übrigens kommen auch viele Komplimente von Frauen, die extra in der Nacht aufstehen.

Wegen Ihnen oder wegen Roger Federer?
Bürer: Natürlich schon eher wegen Federer. Aber sie sagen, es mache Spass, uns zuzuhören.

Wie lange gibt es das Doppel Bürer/Günthardt noch?

Bürer: Solange man uns noch will. Das hängt auch von Federer ab. Wer weiss, was SRF nach seinem Rücktritt entscheidet.

Günthardt: Besonders über mich als freien Mitarbeiter. Deshalb müssen wir den Moment noch geniessen. Andererseits: Ohne Roger wäre die Herausforderung, Tennis gut zu verkaufen, noch grösser – auch das wäre spannend.

Das legendäre SRF-Doppel

Stefan Bürer
Der 55-Jährige arbeitet seit 1994 fürs Schweizer Fernsehen. Seine Hauptaufgaben als Kommentator sind: Tennis und Eishockey. Bürer ist mit der ehemaligen Sportmoderatorin Regula Späni verheiratet. Das Paar hat drei Kinder.

Heinz Günthardt
Der 59-Jährige war früher selber Profi und vor allem im Doppel erfolgreich (2 Grand-Slam-Siege). Später war er Trainer von Steffi Graf. Seit 2012 Schweizer Fed-Cup-Teamchef. Günthardt ist verheiratet und hat drei Kinder.

Stefan Bürer
Der 55-Jährige arbeitet seit 1994 fürs Schweizer Fernsehen. Seine Hauptaufgaben als Kommentator sind: Tennis und Eishockey. Bürer ist mit der ehemaligen Sportmoderatorin Regula Späni verheiratet. Das Paar hat drei Kinder.

Heinz Günthardt
Der 59-Jährige war früher selber Profi und vor allem im Doppel erfolgreich (2 Grand-Slam-Siege). Später war er Trainer von Steffi Graf. Seit 2012 Schweizer Fed-Cup-Teamchef. Günthardt ist verheiratet und hat drei Kinder.

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