Bad Boy und «Oktopus»
Russe Medwedew entthront Djokovic als Nummer 1

Daniil Medwedew hat seinen eigenen Weg auf den Tennis-Thron verfolgt. Sein Bad-Boy-Dasein scheint ihn zu beflügeln, seine Art, Tennis zu spielen, sieht einzigartig unkonventionell aus.
Publiziert: 28.02.2022 um 01:40 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2022 um 07:19 Uhr
Sven Micossé

Die Wachablösung ist Realität. Daniil Medwedew führt ab Montag die Weltrangliste der Männer an. Auf Rekordhalter Novak Djokovic (34) folgt somit der Bad Boy, den buhende Fans stärker machen und der für unkonventionelles Tennis steht.

Als «Oktopus» hat ihn einst sein Konkurrent Stefanos Tsitsipas (ATP 4) bezeichnet, da er Bälle erreiche, die wenige noch holen können. Der Russe fällt durch seine schlaksige 1,98-m-Postur auf, was sich auch in seinem Spiel widerspiegelt. «Seine Art, zu spielen, ist unnachahmlich. Er ist gross, schnell und doch beweglich», sagt Tennisexperte Heinz Günthardt.

Oft werde der neuen Generation der Spielstil der Top-Stars Federer, Nadal und Co. eingeimpft. Mit Medwedew sitze nun einmal mehr jemand auf dem Männertennis-Thron, der seinen eigenen Spielstil perfektioniert hat. Günthardt: «Als Kopie von jemandem wirst du nicht zur Nummer eins.»

Daniil Medwedew wird am kommenden Montag die Führung der Weltrangliste übernehmen.
Foto: keystone-sda.ch
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Er bleibt sich selbst treu

Während viele Spieler um die Gunst der Zuschauer spielen, bleibt sich der US-Open-Champion selber treu. «Ich versuche nur, gutes Tennis zu spielen und Matches zu gewinnen. Dann lasse ich andere Leute entscheiden, was sie denken», sagte er letztes Jahr in Paris.

Seine ungefilterten Sprüche auf den On-Court-Interviews sorgen immer wieder für Aufsehen. Teils unterhalten sie das Publikum, teils sind sie ein kleiner Affront. Wie bei den Australian Open, als er Buhrufe nach seinem Kommentar «Was würde Novak tun?» erntete.

Mit seinem Bad-Boy-Image scheint er gut leben zu können. Regelmässig hält er sich im Spiel ans Ohr und treibt die buhende Meute weiter an. Es beflügelt ihn, statt ihn aus dem Konzept zu bringen.

«Ich danke euch allen, weil eure Energie heute Abend mir den Sieg eingebracht hat», sagte Medwedew nach einem Sieg gegen Feliciano Lopez (ATP 114) bei den US Open 2019. Zuvor sorgte er aber noch mit einer Mittelfinger-Geste für Wirbel.

«Bist du dumm?»

Bekannt ist Medwedew aber auch für seine Wutausbrüche. Jüngst sorgte er im Australian-Open-Halbfinal gegen Tsitsipas für einen Eklat, als er komplett austickte. «Bist du dumm, bist du verrückt?! Sein Vater kann bei jedem Punkt reinreden», schrie er den Schiedsrichter an. Gegenüber der «New York Times» sagte er einst, dass er in seiner Familie schon als Kind für seine Ausraster bekannt war.

Nachdem er vom Schwimmen auf den Tennis-Court gewechselt hatte, musste er sich kontinuierlich hocharbeiten. Medwedew galt nie als Wunderknabe, bei den Junior-Grand-Slams gab es für ihn nichts zu holen. Davon, die Weltspitze zu erobern, hat es ihn aber nicht abgehalten. Doch die Freude darüber ist getrübt.

Der 26-Jährige ist in Moskau aufgewachsen und mit 14 Jahren nach Frankreich gezogen. Somit geht ihm der aktuelle Konflikt nah. In Acapulco erinnert er ans Turnier in Marseille von vergangener Woche, als Landsmann Andrei Rublew (ATP 7) gemeinsam mit dem Ukrainer Denis Molchanow (ATP 77) den Doppel-Titel gewonnen hat. «Das war grossartig, weil die Menschen zusammenhalten müssen.»

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