Jarry über Doping-Sperre und sein Monster-Comeback
«Die Familie hat mich in den dunkelsten Stunden gestärkt»

Vor drei Jahren sass der Chilene Nicolas Jarry eine umstrittene Doping-Sperre ab. Jetzt hat er sich zurück an die Tennis-Weltspitze gespielt – und gewährt auf einer kleinen Tour durch Basel Einblick in sein Gefühlsleben.
Publiziert: 24.10.2023 um 10:52 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Der kleine Spaziergang vom Münster, vorbei an der Basler Pfalz, hinunter zum Fähribödeli und dem kleinen Ablegeplatz dauert länger als üblich. Nicolas Jarry (28) muss immer wieder seinem Söhnchen Juan nachspringen. Der Eineinhalbjährige hält alle auf Trab, auch Jarrys Mama Cecilia hat ein wachsames Auge – und natürlich Ehefrau Laura, die auf dem Arm noch ein Neugeborenes trägt. Den kleinen Santiago. Jarry lacht und scheint alles um sich herum zu vergessen, wenn er mit seiner Familie herumalbert.

Diese Leichtigkeit war in den letzten Jahren zwischenzeitlich verflogen. Der schlaksige 1,98-Meter-Aufschlagriese aus Chile war Anfang 2020 wegen einer positiven Doping-Probe aus dem Verkehr gezogen worden. An den Davis-Cup-Finals 2019 in Madrid hatte man bei der damaligen Weltnummer 77 minimale Mengen der verbotenen Substanzen Ligandrol und Stanozolol nachgewiesen.

Jarry beteuerte, er habe nie bewusst oder absichtlich Mittel der schwarzen Liste zu sich genommen. Er setzte ein Anwalt-Team darauf an, seine Sicht der Dinge darzustellen. Wenige Monate später erklärte er, er werde die elfmonatige Sperre akzeptieren, um durch weitere Anhörungen nicht noch mehr Zeit in seiner Karriere zu verlieren. Und er liess ebenfalls verlauten: «Glücklich und mit reinem Gewissen kann ich euch mitteilen, dass es uns gelungen ist, zu beweisen, dass die verbotenen Substanzen aus einem brasilianischen Labor stammen, wo meine Multi-Vitamine herstammen und kontaminiert wurden.»

Nicolas Jarry geniesst zusammen mit Frau Laura und den kleinen Söhnen Juan (eineinhalb) sowie Santiago (zwei Monate) die Fahrt auf der Basler Fähre.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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«Tiefer Schmerz»

Nur: Der Schaden war trotzdem angerichtet. Die positive Probe liess sich dadurch nicht negativ machen. Jarry sagte, er habe gelernt, noch penibler hinschauen zu müssen, woher seine Ernährung komme. Der Tennisweltverband warnte daraufhin, dass speziell in Südamerika solche Kontaminationen passieren könnten und die Spieler umso achtsamer sein müssten. Gleichwohl stiess Jarrys Fall bei manchen Profis auf Unverständnis. Dominic Thiem etwa erklärte, er sei sich zu «100 Prozent sicher», dass bei Jarry keine Absicht dahinter gesteckt habe. «Es ist lächerlich, was mit uns Spielern abgezogen wird. Das ist eine absolute Farce, wie sehr wir aufpassen müssen.» Für den Österreicher handelte es sich um «ein Fehler im System».

Jarry spricht rückblickend von einem «tiefen Schmerz», die jene Zeit geprägt habe. Er sei dankbar für die Unterstützung, die er von Thiem und Co., seinen Landsleuten in Chile und vor allem von seiner Familie erhalten habe: «Sie haben mich in den dunkelsten Stunden gestärkt.» 

«Mein Umfeld ist ein Segen»

Insbesondere seine Frau Laura stand ihm damals zur Seite. Das Paar heiratete noch im selben Jahr, wenig später wurde sie mit «Juanito» schwanger. Vor zwei Monaten folgte schliesslich Baby Santiago. Jarry sagt: «Mein Umfeld ist ein Segen. Sie alle gaben mir die nötige Kraft, das alles durchzustehen.»

Die Familie ist das ganze Jahr über zusammen unterwegs. Von Australien in die USA, über Europa nach Asien und wieder zurück – nach Basel. Hier geht der Mann, der im Januar noch 156. im ATP-Ranking war, als Weltnummer 20 an den Start. Nach einer verblüffend starken Saison, mit den Titeln in Santiago (Chile) und Genf, gehört er an den Swiss Indoors zu den Geheimfavoriten (1. Runde gegen Adrian Mannarino am Dienstag). Jarry sagt: «Es läuft ganz gut. Aber Druck mache ich mir keinen. Nach all dem, was passiert ist, bin ich einfach happy, hier zu sein – und dass ich meine Liebsten an meiner Seite habe.»

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