Alle Eidgenossen in Paris out
Schweizer Tennis im Umbruch – wie weiter?

Adieu, Roland Garros! Nach der verkorksten Quali und dem Out von Stan Wawrinka ist mit Viktorija Golubic in der zweiten Runde die letzte Landesvertreterin ausgeschieden. Eine Bestandesaufnahme des Schweizer Tennis, das sich gerade neu ordnet.
Publiziert: 30.05.2024 um 18:35 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2024 um 10:31 Uhr
Marco Pescio aus Paris

Haben die Schweizer an den French Open enttäuscht?

Nimmt man die Qualifikation dazu, dann ja. Betrachtet man nur das Hauptfeld, dann nicht. Dass es vom Sextett Leandro Riedi (22), Alexander Ritschard (30), Marc-Andrea Hüsler (27), Céline Naef (18), Simona Waltert (23) und Jil Teichmann (26) niemand ins Hauptfeld schaffte, ist ernüchternd, zumal bis auf Riedi alle schon auf Grand-Slam-Erfahrung zurückgreifen können. Im Hauptfeld aber haben sich Stan Wawrinka (39) und Viktorija Golubic (31) «gut verkauft», wie auch Blick-Tennisexperte Heinz Günthardt (65) festhält. Wawrinka spielte nach seiner Formkrise im Frühjahr endlich wieder ansprechend, schlug Andy Murray (37) vor begeistertem Publikum auf dem Court Philippe-Chatrier. Und bei der Viersatz-Niederlage gegen Pavel Kotov (25) bewies er Kämpferherz. Derweil landete Viktorija Golubic mit dem Startsieg über Barbora Krejcikova (28), die Roland-Garros-Gewinnerin von 2021, einen echten Coup. Das Out gegen Anastasia Potapowa (23, 2:6, 2:6) war verdient – sie verlor gegen eine Widersacherin, die zwar kein grosser Name ist, aber insgesamt zu solide auftrat.

Müssen wir uns Sorgen machen ums Schweizer Tennis?

Nein. Aber der Schweizer Tennis-Fan muss mit den neuen Umständen leben lernen. Aktuell fehlen mit Belinda Bencic (27, Baby-Pause) und Dominic Stricker (21, verletzt) zwei Hauptfeld-Starter, was bei der vergleichsweise kleinen Breite der Schweiz enorm viel ausmacht. «Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mit Roger Federer (42) und Wawrinka jahrelang unfassbar verwöhnt wurden», sagt Günthardt. «Wir haben nach wie vor Potenzial. Doch wir merken es sofort, wenn jemand ausfällt.» Stricker erreichte im Vorjahr bei seiner US-Open-Premiere den Achtelfinal. Riedi stand in diesem Jahr schon in vier Challenger-Finals. Günthardt sagt: «Man muss ihnen weiter Zeit geben.» Und auch Golubic, aktuell die bestklassierte Schweizer Frau (WTA 76), bekräftigt das: «Wir müssen uns gedulden – ich glaube, wir entwickeln uns in eine gute Richtung.»

Viktorija Golubic war die einzige Schweizer Frau im Pariser Hauptfeld.
Foto: Sven Thomann
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Wer kommt nach?

Henry Bernet (17) und Flynn Thomas (15) gelten als die Top-Talente im Schweizer Nachwuchs. Gemeinsam holten sie im Vorjahr den U16-Europameistertitel. Der Basler Bernet ist bei den Junioren aktuell die Nummer 45 der Welt. In dieser Woche spielt er als Topgesetzter die Junioren-Quali für die French Open – und sorgt dafür, dass doch noch einer die Schweizer Fahne in Paris hochhält. Der Luzerner Thomas gilt als Wunderkind, das auf nationaler Ebene längst alles gewonnen hat. Und auch weltweit gibt es im Jahrgang 2008 nur zwei Spieler, die besser klassiert sind als er.

Wie gehts jetzt weiter?

Wann Bencic von ihrer Schwangerschaftspause zurückkehrt, ist weiterhin offen. Stricker wird aber nächste Woche beim Challenger-Turnier in Surbiton (Gb) auf Rasen das Comeback nach seiner Rückenverletzung geben (mit Protected Ranking). Auch Golubic reist in den Londoner Vorort. Beide stehen in Wimbledon (ab 1. Juli) im Hauptfeld, genauso wie Wawrinka, der davor keinen Einsatz mehr plant. Günthardt sagt: «In Wimbledon hatten wir im Vorjahr vier Qualifikanten im Hauptfeld (Naef, Waltert, Golubic, Stricker, d. Red.). Gut möglich, dass in diesem Jahr wieder einige nachziehen. Dann sieht die Schweizer Tenniswelt plötzlich wieder ganz anders aus.»

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