Foto: Sven Thomann

Zenhäusern spricht im Interview Klartext
«Darum ärgere ich mich über TV-Kommentatoren»

Slalom-Gigant Ramon Zenhäusern erzählt vor dem Lauberhorn-Slalom, wie oft ihm sein Leben auf grossem Fuss zum Verhängnis geworden ist und warum ihm Sepp Blatter nähersteht als Gianni Infantino.
Publiziert: 20.01.2019 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2019 um 10:02 Uhr
Marcel W. Perren (Interview) und Sven Thomann (Fotos)

BLICK: Ramon Zenhäusern, Sie sind mit einer Körperlänge von zwei Metern nach US-Abfahrer Bryce Bennett mit 2,01 Metern der längste Rennfahrer im Skizirkus. Gab es in den letzten Jahren trotzdem einen Moment, in dem Sie sich richtig klein gefühlt haben?
Ramon Zenhäusern: Zum einen bei der Begegnung mit meinem grossen Jugend-Idol André Myhrer. Ganz gering bin ich mir auch vorgekommen, als ich 2013 mit Marc Gisin zu Nöldi Forrer für ein Training in den Schwingkeller gegangen bin. Da musste ich böse unten durch!

Wie oft kommts vor, dass Sie gerne 20 Zentimeter kleiner wären?
Ich habe gut mit meiner Grösse leben gelernt, aber bei Konzertbesuchen wäre ich tatsächlich gerne kleiner. Wenn ich vor einer Bühne stehe, tut mir immer derjenige leid, der hinter mir steht. Der sieht wirklich rein gar nichts. Und einmal habe ich bei einem Ausflug in den Europa-Park nach Rust unter meiner Grösse gelitten.

Warum?
Da gab es eine richtig coole Bahn, die mich extrem gereizt hat. Aber dann habe ich gesehen, dass nur Leute mit einer Körperlänge von unter 190 Zentimetern die Bahn betreten dürfen. In diesem Moment habe ich mich richtig daneben gefühlt. Und neben unzähligen mühsamen und langen Flügen habe ich lange auch darunter gelitten, dass die grösste Ski-Schuhgrösse 45 war. Ich trage aber die 48. In dieser Zeit haben meine Füsse extrem gelitten. Aber dank des Walliser Schuhspezialisten Kilian Lochmatter stellt mein Ausrüster Rossignol seit ein paar Jahren Rennschuhe her, die mir sehr gut passen. Dafür passen mir im Zusammenhang mit meiner Grösse gewisse Aussagen von TV-Kommentatoren nicht.

Bei einer häufigen Aussage der TV-Kommentatoren muss sich Ramon Zenhäusern jeweils an den Kopf fassen.
Foto: Sven Thomann
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Warum?
Es gibt immer noch viele Berichterstatter, die behaupten, dass ich aufgrund meiner Körperlänge in den steilen Passagen deutlich langsamer sei als in den flachen. Vor ein paar Jahren war das bei mir tatsächlich noch der Fall. Aber ich habe in der Zwischenzeit auf einem besonders steilen Hang in Saas-Fee sehr hart an diesem Defizit gearbeitet. Deshalb kann ich im Steilen mittlerweile genauso schnell sein wie im Flachen. Cheftrainer Tom Stauffer hat mir kürzlich wieder einmal gesagt, dass ich gegenteiligen Kommentaren ja kein Gewicht geben soll.

Am Sonntag können Sie in Wengen alle Reporter dieser Welt von Ihren Fähigkeiten im selektivem Gelände überzeugen. Vor einem Jahr haben Sie hier als Vierter das Podest nur knapp verpasst. Und zuletzt haben Sie in Adelboden den Eindruck erweckt, dass Sie noch besser in Form sind als im Vorjahr. Stimmen Sie zu?
Ich fühle mich tatsächlich sehr gut in Form. Aber das ist noch lange keine Garantie dafür, dass es diesmal mit dem Podest klappen wird. Aber ich fühle mich in Wengen ganz besonders wohl. Vielleicht auch deshalb, weil diese Piste Erinnerungen an meine Kindheit in Bürchen weckt. Dort bin ich oft durch den Wald gefahren. Der Slalom-Kurs in Wengen führt teilweise ebenfalls ganz nahe am Wald vorbei. Zudem gefällt es mir, dass wir hier um Kuhställe herumkurven.

Sie können hier während des Rennens den Miststock riechen?
Das wäre mir bis jetzt noch nie aufgefallen, aber Wengen versprüht ganz einfach ein einzigartiges Flair.

Würden Sie Ihre Team-Goldmedaille von Olympia 2018 mit einem Sieg beim Lauberhorn-Slalom eintauschen?
So weit würde ich nicht gehen, schliesslich bleibt der Titel Olympiasieger für die Ewigkeit.

Wie viel bedeutet Ihnen die Tatsache, dass Ihre Skistöcke im Olympischen Museum in Lausanne ausgestellt sind?
Das ist echt grossartig. Als ich meine Stöcke nach der letzten Saison in dieser «Hall of Fame» gesehen habe, ist mir erst so richtig bewusst geworden, was ich in Südkorea geleistet habe. Besonders schön ist, dass meine Stecken in Lausanne unweit vom Rennkombi des grossen Pirmin Zurbriggen ausgestellt sind – eine Riesenehre für mich.

Im Sommer 2016 haben Sie rund 10 700 Slalom-Tore gemeistert. Haben Sie nach den Erfolgen im letzten Winter noch mehr trainiert?
Nein, ich habe den Trainingsumfang etwas zurückgefahren. Eine genaue Zahl kann ich in diesem Zusammenhang zwar nicht nennen, aber ich schätze, dass ich in der Vorbereitung auf diesen Winter rund 8000 Tore bewältigt habe. Es ist ganz einfach: Wenn du an die Spitze kommen willst, musst du mehr arbeiten als die Athleten, die bereits an der Spitze sind. Aber im vorletzten Sommer haben sich bei mir Probleme mit dem Knie bemerkbar gemacht. Seitdem lege ich mehr Wert auf die Qualität als auf die Quantität des Trainings. Deshalb habe ich am Samstag vor Adelboden die Beine hochgelagert, während der grösste Teil meiner Teamkollegen trainiert hat.

In der Vergangenheit hatten Sie auch wegen Ihres Wirtschaftsstudiums mehr zu tun als die meisten anderen Rennfahrer. Haben Sie die Bachelor-Arbeit mittlerweile abgegeben?
Ich habe die Arbeit nicht nur abgegeben, ich habe in der Zwischenzeit auch schon die Note erhalten.

Haben Sie bestanden?
Ja, meine Prüfungsarbeit über die Auswirkungen der Agenda 2020 auf die Olympia-Kandidatur Sion 2026 wurde mit einem Notendurchschnitt von 5,14 bewertet. Auf dieses Ergebnis bin ich wirklich stolz.

Herzliche Gratulation! Werden wir Sie im Slalom jetzt noch stärker erleben, weil Sie sich nun voll auf den Skisport konzentrieren können?
Wer weiss? Ich bin jedenfalls überzeugt, dass ich in den letzten Jahren ein paar Mal krank war, weil ich neben dem sportlichen auch noch den schulischen Druck gespürt habe. Der Stressfaktor war bei mir oft so stark, dass mein Körper zu wenig Erholungszeit hatte. Anderseits hatte ich dank des Studiums in vielen Phasen eine perfekte Ablenkung zum Skisport. Wahrscheinlich muss ich mir irgendwann wieder eine Nebenbeschäftigung suchen.

Der Internationale Skiverband sucht nach dem Rücktritt von Hannes Reichelt einen neuen Athleten-Sprecher ...
Das ist für mich kein Thema. Mein Team-Kollege Daniel Yule eignet sich viel besser dafür.

Bevor Sie mit 15 voll auf die Karte Skisport gesetzt haben, waren sie vierfacher Walliser Junioren-Vizemeister im Tennis. Hätten Sie auch im Tennis Karriere machen können?
Ich habe einen Freund aus Kuwait, der als Profi in den Top 600 der Weltrangliste klassiert war. Im Vergleich mit ihm habe ich im letzten Sommer gut mithalten können. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob er auf dem Court meinetwegen bewusst nicht ans Limit ging.

Aber Sie bringen die körperlichen Voraussetzungen für einen Hammer-Aufschlag mit. Wo liegt in dieser Sparte Ihr Rekord?
So genau habe ich die Geschwindigkeit meiner Aufschläge nie gemessen. Aber ich glaube, dass ich die 200-km/h-Grenze kratze. In meiner Jugendzeit hatte ich mein sportliches Highlight an einem Wochenende, an dem ich am Samstag bei der Walliser Kantonalmeisterschaft Vizemeister im Tennis und am nächsten Tag Vizemeister im Slalom geworden bin.

Warum haben Sie sich gegen Tennis und für Ski entschieden?
Weil meine Schwester ziemlich lange auf einem hohen Level gespielt hat, weiss ich, dass die Förderung einer Tennis-Karriere den Eltern finanziell noch mehr abverlangt als der Skisport. Deshalb wären meine Eltern irgendwann an ihre Grenzen gestossen. Das war aber nicht der Hauptgrund, warum ich mich mit 14 für den Skisport entschieden habe. Mich hat immer gestört, dass ich für das Tennis-Training im Winter so viel Zeit in der Halle verbringen musste. Ich brauche die Natur.

Haben Sie zum Schluss Lust auf ein Entweder-oder-Spielchen?
Okay!

Marcel Hirscher oder Henrik Kristoffersen?
Wie viele Joker darf ich in diesem Spiel ziehen?

Sie haben einen Joker zur Verfügung.
Okay, dann muss ich diesen schon bei der ersten Frage einsetzen.

EHC Visp oder FC Sion?
Als Visper entscheide ich mich für den Eishockey-Klub.

Fendant oder Bière Valaisanne?
Fendant. Aber noch lieber als Weissen trinke ich ein Glas Rotwein.

Sepp Blatter oder Gianni Infantino?
Sepp Blatter. Er ist ein Freund unserer Familie. Als meine Schwester noch sehr ambitioniert Tennis spielte, hat ihr Sepp einen Ausrüster vermittelt. Mein Vater hat am Blatter-Schulhaus in Visp unterrichtet, meine Mutter nimmt bei Sepps Tochter Englisch-Unterricht.

Lara Gut oder Wendy Holdener?
Als Slalomfahrer entscheide ich mich für die Slalom-Spezialistin Holdener. Sie hat im Training schon ein paar Mal mit uns Fussball gespielt. Wendy ist berühmt für ihre «giftigen» Pässe.

Verfolgen Sie den Lauberhorn-Slalom ab 10.15 Uhr (1. Lauf) und 13.15 Uhr (2. Lauf) live auf BLICK!

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