Foto: Sven Thomann

WM-Abfahrtsfavorit Beat Feuz
«Wind-Lotterie? Das Thema darf mich nicht beschäftigen»

5 Podestplätze in 6 Weltcup-Abfahrten – Beat Feuz besticht diese Saison mit Konstanz. Der amtierende Abfahrts-Weltmeister spricht über die schwierigen Bedingungen in Are, den Ärger bei der letzten WM, und wie sehr Tochter Clea sein Leben verändert hat.
Publiziert: 03.02.2019 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2019 um 09:29 Uhr
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Marcel W. PerrenReporter Sport

Beat, sind Sie nach den enorm kräftezehrenden Rennen in Wengen und Kitzbühel vielleicht sogar froh, dass die ebenfalls sehr schwierige Abfahrt in Garmisch abgesagt wurde?
Beat Feuz: Bei guten Bedingungen wäre ich sehr gerne auf der Kandahar gefahren, schliesslich habe ich hier im Vorjahr gewonnen. Aber diesmal war es aufgrund des Wetters unmöglich, ein faires Rennen durchzuziehen. Deshalb bin ich froh, dass sich die Jury für eine Absage entschieden hat.

Vor zwei Jahren haben Sie in St. Moritz Abfahrts-Gold gewonnen. Wissen Sie, wann zuletzt ein Abfahrts-Weltmeister seinen Titel verteidigen konnte?
Da muss ich raten. War es mein Jugendidol Stephan Eberharter?

Eberharter hat zwar Gold im Super-G und in der Kombination gewonnen, Weltmeister in der Abfahrt war er aber nie!
Wirklich nicht? Okay, dann muss ich bei dieser Frage passen.

Besteht Beat Feuz den WM-Elchtest?
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Die richtige Antwort ist Bernhard Russi 1972. Nach seinem Triumph bei der WM 1970 in Gröden gewann er in Sapporo Olympia-Gold. Und zu diesem Zeitpunkt wurden Olympische Spiele bei den Alpinen gleichzeitig als WM gewertet.
Diese Statistik spricht nicht wirklich für meine Titelverteidigung in Are (schmunzelt). Aber ich bleibe ziemlich entspannt: Wenn es in Are für mich mit der zweiten Goldmedaille nicht klappt, bricht für mich keine Welt zusammen. Den Titel von St. Moritz kann mir keiner mehr nehmen, der bleibt für die Ewigkeit.

Kurz vor dem Start zur WM-Abfahrt 2017 sollen Sie vor Wut gekocht und entsprechend laut geflucht haben. Stimmt das?
Da war ich tatsächlich extrem wütend, weil man wegen des schlechten Wetters den Abfahrtsstart nach unten versetzt hat. Der sogenannte freie Fall, der meinen Fähigkeiten besonders entgegenkam, gehörte plötzlich nicht mehr zur Strecke. Dabei hat man uns nach der Rennabsage am Vorabend von höchster Stelle aus noch versichert, dass man die Abfahrt nur vom Originalstart durchführen würde. Deshalb habe ich mich höllisch aufgeregt, als an diesem Sonntag kurz vor Mittag die Meldung kam, dass die Abfahrt doch verkürzt wird. Ich sah mich meiner grossen Gold-Chance beraubt.

Wann haben Sie sich wieder beruhigt?
Nach zwei Einfahrrunden hatte ich wieder ein besseres Gefühl. Und am Schluss ist ja für mich alles wunderbar aufgegangen.

Wie gut können Sie sich an die letzte WM in Are 2007 erinnern?
Ich war damals 20 und bin ziemlich erfolglos im Europacup herumgegurkt. Zuerst kommen mir bezüglich der letzten WM in Are die Kombi-Goldmedaille und das Riesen-Silber von Dani Albrecht in den Sinn. Marc Berthod wurde Dritter in der Kombination. Didier Cuche hatte diese WM nach den Enttäuschungen in den Speed-Disziplinen gedanklich schon abgeschrieben, hat dann aber noch Bronze im Riesenslalom gewonnen. Ebenfalls Bronze hat Bruno Kernen in der Abfahrt eingefahren. Wenn ich mich nicht irre, wurden die Speed-Rennen bei sehr schwierigen Bedingungen ausgetragen, oder?

Die Speed-Bewerbe in Are wurden in der Vergangenheit fast ausnahmslos von der Witterung beeinträchtigt. Befürchten Sie auch am nächsten Samstag eine Wind-Lotterie?
Fakt ist: Der Startabschnitt der Abfahrt in Are liegt oberhalb des Waldes und ist dementsprechend dem Wind ausgesetzt. Beim letzten Weltcupfinal konnten wir auch nicht von oben starten. Aber ich darf mich nicht zu sehr mit solchen Dingen beschäftigen, muss mich aufs Skifahren konzentrieren. Der Rest liegt nicht in meiner Macht.

Sie haben zwei Ihrer elf Weltcupsiege in Kvitfjell, knapp sechs Autostunden von Are entfernt, gefeiert. Und Sie haben oft betont, dass Ihnen der norwegische Schnee besonders gut liegt. Gibt es zwischen dem Schnee in Mittelnorwegen und dem in Mittelschweden einen Unterschied?
Als wir im letzten Frühling von Kvitfjell zum Final nach Are wechselten, war der Unterschied gross. Aber um diese Jahreszeit soll der Schnee in Are ähnlich aggressiv und kalt sein wie in Kvitfjell.

Gibt es einen Aussenseiter, den Sie in Are besonders stark einschätzen?
Ja, Bryce Bennett. Der Amerikaner war in diesem Winter in jeder Abfahrt in den Top-15, in Bormio und Gröden war er Vierter, in Wengen Fünfter. Besonders für den zwei Meter langen Mann sprechen in Are die vielen Wellen. Mit seinen langen Hebeln wird er diese optimal schlucken können.

Schweden ist auch das Land der riesigen Elche. Sind Sie in freier Wildbahn schon einmal einem solchen Tier begegnet?
Ja. Als ich von Are in Richtung Kvitfjell gefahren bin, standen plötzlich zwei Elche rund einen halben Meter vom Strassenrand entfernt. Ich bin richtiggehend erschrocken, die Tiere schauen extrem imposant aus.

Wie wohl fühlen Sie sich in Schweden im Allgemeinen?
Ich war im letzten März zum allerersten Mal in Schweden, habe mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt. Mir behagt die eisige Kälte dort oben. Und mir gefällt diese ländliche Idylle mit den farbigen Häusern.

Werden Ihre Freundin Kathrin und die im Juni geborene Tochter Clea während der WM in einem solchen Haus wohnen?
Katrin wird mit ihrer Mutter Irmgard und Clea in einem Appartement unweit unseres Mannschafts-Quartiers einziehen. Meine Freundin wird in Are wie bereits in Kitzbühel und Wengen meine Medientermine koordinieren. In dieser Zeit kümmert sich ihre Mutter um unsere Kleine.

Wird Clea während den Rennen im Zielraum anzutreffen sein?
Dafür sind die Temperaturen wohl zu kalt. Zudem wollen wir unsere Tochter auch nicht bei solchen Veranstaltungen zur Schau stellen. Aber es wird mir sicher guttun, wenn ich meine Liebsten zwischen den Trainings und den Wettkämpfen in ihrem Appartement besuchen kann.

Können Sie seit der Geburt Ihrer Tochter besser vom Skirennsport abschalten, wenn Sie zu Hause sind?
Die Geburt von Clea hat in meinem Leben sehr vieles relativiert. Letzten Sonntag hatte ich in Kitzbühel  nach meinem Out im Super-G einen ziemlichen Ärger. Aber als ich dann zwei, drei Stunden später zu Hause meine gesunde Tochter in den Arm nehmen durfte, war mir dieser Ausfall plötzlich scheissegal.

Sie wollen demnächst für Ihre Familie in Oberperfuss ein Haus bauen. Werden Sie als gelernter Maurer bei dieser Gelegenheit selber eine Mauer hochziehen?
Ganz ehrlich: Wenn ich jetzt noch einmal die Abschlussprüfung als Maurer machen müsste, wäre ich chancenlos. Wahrscheinlich könnte ich noch eine Mauer aufziehen. Aber während ich dafür eine Woche benötigen würde, braucht ein geübter Maurer dafür einen halben Tag.

Genau wie Ihre Freundin stammt auch Abfahrts-Vize-Weltmeisterin Stephanie Venier aus dem Tiroler Dorf Oberperfuss. Leben in diesem 3000-Seelen-Nest schon bald zwei Weltmeister?
Wer weiss? Stephanies Vater ist in Oberperfuss Fussball-Trainer. Richtig gut kenne ich diese Familie aber nicht.

Wie gut kennen Sie eigentlich Hockey-Goalie-Legende Martin Gerber, der wie Sie in Schangnau aufgewachsen ist?
Ich bin Tinu bei einigen Events begegnet, er ist ein ganz flotter Kerl. Tinu hat ja in Schweden bei Färjestad gespielt und meiner Meinung nach, passt er perfekt zu den Schweden. Er ist ein sehr ruhiger Typ, der eine gewisse Anlaufzeit braucht, bis er richtig auftaut. Aber dann kann er richtig lustige Sprüche klopfen.

Und was können Sie uns von Hitparaden-Stürmer Peter Reber erzählen, dessen Wurzeln ebenfalls in Schangnau liegen?
Es wäre übertrieben, wenn ich behaupten würde, dass ich ihn kenne. Aber ich weiss natürlich, wer er ist, und was er macht. Und auf meinem Schulweg lief ich an seinem Ferien-Domizil vorbei.

Mittlerweile ist ihre Medienpräsenz grösser als die Ihrer Schangnauer Kollegen Gerber und Reber. Wissen Sie, wann Ihr Name erstmals in einer Zeitung aufgetaucht ist?
Da habe ich keine Ahnung!

Am 22. Januar 1996 nach dem Ovo Grand Prix in Schönried. Sie belegten damals den zweiten Rang hinter einem gewissen Pascal Wyssmüller aus Saanenmöser.
Pascal war ein cooler Typ und ein grosses Talent, der leider viel zu früh bei einem Autounfall ums Leben kam.

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