«Wenn jemand unbedingt will, schafft er es auch»
Haben die Schweizer Weltcup-Orte Angst vor Klimaaktivisten?

Klimaaktivisten haben den Skisport ins Visier genommen. Spätestens nach den Protesten in Gurgl (Ö) stellt sich auch in der Schweiz die Frage: Wie reagieren die Weltcup-Veranstalter?
Publiziert: 23.11.2023 um 18:59 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2023 um 10:16 Uhr
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Mathias GermannReporter Sport

Ein Riesenslalom in Sölden (Ö), zwei Slaloms in Levi (Fi), ein Slalom in Gurgl (Ö). Mehr nicht. Nur vier der neun geplanten Weltcuprennen konnten bislang durchgeführt werden – ein Stotterstart. Das einzige gewertete Männer-Rennen gab dennoch überall zu reden. Nicht unbedingt wegen des österreichischen Heimsiegs in Gurgl, sondern vor allem wegen der Aktion der «Letzten Generation Österreich».

Rückblick: Als am vergangenen Samstag noch fünf Fahrer im Starthaus auf ihren Einsatz warten, stürmen mehrere Klimaaktivisten in den Zielbereich. Sie streuen orangefarbenes Farbpulver in den Schnee und halten Banner auf mit der Aufschrift «Hört auf den Klimarat!». Der Sicherheitsdienst hat alle Hände voll zu tun – Aktivisten und Farbe werden entfernt, während Slalom-Weltmeister Henrik Kristoffersen (29) im norwegischen TV poltert: «Verdammte Idioten! Sie haben keinen Respekt vor den Athleten und den Zuschauern.» Er bezeichnet das, was passierte, als «ekelhaft und verwerflich» und meint: «Mir wird schlecht, wenn ich an sie denke.»

Nun stellt sich die Frage: Wie reagieren die Schweizer Weltcup-Veranstalter auf den Vorfall in Österreich? Haben sie Angst, dass erneut etwas passieren könnte? Werden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht? Blick hat sich umgehört.

Müssen sich die Schweizer Ski-Fans künftig auf grössere Kontrollen gefasst machen?
Foto: Sven Thomann
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St. Moritz GR (8. bis 10. Dezember 2023, 2 Super-Gs, 1 Abfahrt): Es wird aufgerüstet

Nachdem die Rennen am Matterhorn sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen abgesagt wurden, steigen die ersten Weltcuprennen in diesem Winter im Engadin. «Wir prüfen momentan unsere Möglichkeiten und werden unsere Sicherheitsmassnahmen am Berg ausbauen», sagt OK-Präsident Robin Miozzari.

Wie die konkreten Massnahmen aussehen werden, sei noch nicht fixiert. Von einer Hochsicherheitszone an der Corviglia will Miozzari nicht sprechen. Man wolle, «dass die Zuschauer und Besucher so wenig wie möglich davon betroffen sind». Gut 22’000 Personen kamen im vergangenen Jahr an die drei Rennen in St. Moritz.

Adelboden BE (6. und 7. Januar 2024, 1 Riesenslalom, 1 Slalom): Zuschauer werden kontrolliert

Jahr für Jahr verwandelt sich das Chuenisbärgli in Adelboden in ein Ski-Tollhaus – im vergangenen Jahr kamen 24'000 Personen zum Riesenslalom. Ähnliches wird, sofern das Wetter mitspielt, auch diesmal nicht anders sein. Eine ideale Plattform für Protest-Aktionen? Sicherheitschef Gerhard Germann hat eine klare Meinung: «Den Rennbetrieb in der spannendsten Phase zu stören, ist nicht fair und sicher nicht zielführend.»

Aufrüsten werde man aber nicht – das Sicherheitskonzept beinhalte seit mehreren Jahren den Umgang mit Klimaaktivisten oder anderen Interessensvertretern. Dazu stelle man mit professionellen Kontrollen durch die Securityfirma einen reibungslosen und sicheren Anlass für alle Anwesenden sicher. «Die Besucher werden seit etwa 15 Jahren nach der Ticketkontrolle beim Eingang auf verbotene Gegenstände überprüft», so Germann.

Wengen BE (12. bis 14. Januar 2024, 1 Super-G, 1 Abfahrt, 1 Slalom): Wo wäre eine Aktion wahrscheinlich?

Miozzari und Germann finden das Anliegen der Klimaaktivisten legitim, wie sie beide betonen. Das tut auch Lauberhorn-Boss Urs Näpflin, «wobei die Art und Weise, wie in Gurgl vorgegangen wurde, nicht meinem Empfinden eines politisch korrekten Vorgangs entspricht».

Das Problem in Wengen: Die Rennstrecke ist 4,5 Kilometer lang, an vielen Stellen braucht man keinen Eintritt zu zahlen – die Touristenpiste ist gleich nebenan. Man habe Sicherheitsleute, betont Näpflin. Und es sei auch klar erkennbar, welche Grenzen niemand übertreten darf. «Fakt ist aber auch, dass wenn jemand unbedingt will, er es auch irgendwo auf die Piste schafft.» Wichtig sei in so einem Fall auch, dass das TV dem regelwidrigen Verhalten keine zu grosse Präsenz gebe, um den Anreiz für künftige Aktionen zu nehmen.

Flächendeckende Kontrollen seien in Wengen schlicht nicht möglich, so Näpflin. Allerdings würden vor allem im Zielbereich Personen überprüft, die in irgendeiner Form auffallen. Angst vor einem Protest habe er auch nach Gurgl nicht, betont Näpflin. Aber man nehme das Thema nicht auf die leichte Schulter und analysiere die Entwicklung. Erste Gespräche mit den Sicherheitsleuten habe man bereits geführt – später wird entschieden, ob man das Dispositiv anpassen müsse. «Dabei geht es auch darum, wo eine Aktion am wahrscheinlichsten wäre und wir besonders wachsam sein müssen.»

Crans-Montana VS (16. bis 18. Februar, 2 Abfahrten, 1 Super-G): Wie an einem Schwingfest

«So erreichen sie nicht das, was sie wollen. Im Gegenteil, sie lösen einen grossen Zorn aus», sagt Hugo Steinegger. Der OK-Vizepräsident der Weltcuprennen in Crans-Montana findet das, was die Klimaaktivisten in Gurgl gemacht haben, nur etwas: blöd. «Man sieht ja bei den Wahlen, wohin das führt – alle werden in einen Topf geworfen», spricht er die letzten Verluste der Grünen an der Urne an.

Das Walliser Hochplateau hat bereits Erfahrung mit Klimaaktivisten gemacht. Im vergangenen Februar hatte man Hinweise auf eine grössere Aktion und war darum besonders aufmerksam. Dennoch schaffte es ein Mann mit nacktem Oberkörper, das Gerüst der Anzeigetafel hochzuklettern und ein Plakat anzubringen.

«Die Polizei hat damals bewusst nicht eingegriffen, das Problem löste sich von alleine», so Steinegger. Man werde die aktuelle Entwicklung genau beobachten und allenfalls reagieren, aber: «Ein Skirennen ist vergleichbar mit einem Schwingfest – es herrscht keine aggressive Stimmung, die Leute haben Spass am Sport. So soll und wird es hoffentlich immer bleiben.»

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