So emotional ist das letzte Janka-Rennen für seine Familie
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«Ich dachte, er ist gestürzt»:So emotional ist das letzte Rennen für Jennifer Janka

Jankas letzter Arbeitstag
Beim Abschied begann der «Iceman» zu schmelzen

Obwohl sich Carlo Janka in seinem letzten Rennen gehörig verpokert, fühlt er sich am Ende dieses Tages mindestens so gut wie nach seinen ganz grossen Triumphen.
Publiziert: 16.01.2022 um 01:42 Uhr
Marcel W. Perren (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Wer in Wengen im Hotel Belvedere eincheckt, erhält den Eindruck, dass hier die Zeit zu Beginn des letzten Jahrhunderts stehen geblieben ist. Vor allem die Zimmer und der Speisesaal versprühen den Charme der guten alten Zeit. An diesem Samstagmorgen ist es aber nicht Sherlock Holmes, der zum Frühstück erscheint, sondern Carlo Janka.

Der 36-Jährige hat seit ein paar Jahren auf seinen alpinen Dienstreisen zwei Morgenrituale. Um richtig auf Betriebstemperatur zu kommen, genehmigt sich der Bündner als Erstes ein selber zusammengestelltes, ungezuckertes Müesli, welches besonders viele Leinsamen beinhaltet. Kurz vor 8 Uhr versendet Carlo dann die obligate Video-Botschaft an seine Frau Jenny und Tochter Ellie. Es dauert nicht lang, bis auf seinem Handy ein Video von seinen Liebsten eingeht. «Hast du gut geschlafen?», fragt Jenny. «Jänks» antwortet mit einem deutlichen: «Ja, wunderbar!»

Es scheint also alles perfekt angerichtet zu sein für einen erfolgreichen letzten Tag als Skirennfahrer. Zumal ihm die in Wengen immer etwas mühselige Zugfahrt in Richtung Start erspart bleibt – Cheftrainer Tom Stauffer hat für seine Athleten einen Helikopter-Flug zum Start gebucht.

Carlo Janka verabschiedet sich in Wengen vom Ski-Zirkus.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Janka wagt Material-Poker

Kurz nach 09.45 Uhr kommen beim Mann mit elf Weltcupsiegen aber erstmals leise Zweifel bezüglich der Materialwahl auf. «Am Vorabend haben sich mein Servicemann und ich für einen ziemlich alten Ski entschieden, der vor allem bei den Bedingungen im oberen Streckenabschnitt besonders schnell sein müsste. Nun habe ich aber den Eindruck, dass einige Streckenabschnitte eisiger sind als im Training. Ich bin mir deshalb nicht mehr sicher, ob meine Ski für diese Verhältnisse genügend Kanten haben?»

Janka will diesen Poker dennoch kompromisslos durchziehen. Nach der Besichtigung sucht sich der Obersaxer im Startgelände ein ruhiges Plätzchen, um die Konzentration auf das letzte grosse Rennen seines Lebens aufbauen zu können. Um 13.11 Uhr ist es dann so weit: Der Olympia-, Lauberhorn- und Gesamtweltcupsieger von 2010 katapultiert sich in explosiver Manier zum Starthaus hinaus.

Bis zur ersten Zwischenzeit läuft alles perfekt. Er liegt fünf Hundertstel vor Leader Vincent Kriechmayr. Doch dann verhaut Carlo die Anfahrt zum Hundschopf komplett und schon beträgt der Rückstand auf den Österreicher 1,86 Sekunden.

Janka stürzt beim Lauberhorn-Abschied
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Bitteres Ende:Janka stürzt beim Lauberhorn-Abschied

Am Ende vom Seilersboden verfehlt Janka komplett die Linie, kommt kurz zu Fall und scheidet aus! «Mein Ski-Poker ist danebengegangen. Als ich mit meinen dünnen Kanten vom sonnigen Terrain in die richtig eisigen Passagen kam, war fertig lustig.»

Im Ziel wird Janka dennoch wie ein Sieger gefeiert. Von den Fans und von seinen Rennfahrer-Kollegen. Auch Sieger Kriechmayr herzt ihn und sagt: «Jänks, ich gratuliere dir zu deiner Karriere – du wirst als ganz grosser in die Geschichte eingehen.»

Emotionen beim «Iceman»

Plötzlich hat der «Iceman» sogar leicht wässerige Augen. «Nachdem ich auf einem TV-Monitor gesehen habe, wie meine Familie auf der Tribüne während der Fahrt mit mir mitgefiebert hat, hat mich das stark berührt.»

Neben Jenny und Ellie, Schwester Fabienne, Bruder Pirmin und Papa Reto ist auch Mama Ursula für die Abschiedsvorstellung ihres Sprösslings nach Wengen gereist. «Meine Mutter hat in all den Jahren höchstens drei Skirennen von mir besucht, weil sie ja immer in unserem Restaurant zum Rechten schauen musste. Nun hat sie aber extra wegen mir das Lokal für zwei Tage geschlossen.»

Stellt sich nur noch eine Frage: Kommt nach dem letzten Rennen auch beim coolen Bündner Wehmut auf? Janka schüttelt den Kopf: «Für mich gibt es nichts Schöneres, als vor dieser Kulisse mit diesem fantastischen Publikum aufzuhören. Alleine für diesen Moment haben sich all die Strapazen in der Wettkampfvorbereitung gelohnt.»

Nach einer Runde Bier mit seinen Teamkollegen verschiebt sich Janka vom Zielraum ins Dorf, wo er um 20 Uhr mit seinen Angehörigen und Freunden im Restaurant Bären feierlich diniert. Er erhebt das Glas und sagt: «Ich freue mich auf das, was jetzt kommt. Ich bin froh, dass ich jetzt nicht mehr ständig den Skirennsport im Hinterkopf haben muss.»

Alles Gute für die Karriere nach der Karriere, Carlo.

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