Girardelli litt bei den Ösis
«Mit 16 galt ich als Vaterlandsverräter»

Sie könnten unterschiedlicher kaum sein: Hier der streitbare Weltenbürger Marc Girardelli, dort die sesshafte, harmonieliebende Vreni Schneider. Was die beiden vereint? Sie lieben das Skifahren. Und verstehen sich bestens.
Publiziert: 25.02.2020 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2020 um 09:32 Uhr
Mathias Germann

Im Restaurant Ämpächli oberhalb von Elm GL ist reger Betrieb. Horden von Schülern stampfen mit Skischuhen herein, geniessen ihr «Schnipo», erzählen Witze. Draussen herrscht perfektes Winterwetter – Sonne pur, Piste gut. Und siehe da: Auch zwei Ski-Legenden gönnen sich – fast unbemerkt – einige Schwünge auf dem Schnee: Vreni Schneider (55) und Marc Girardelli (56). Sie haben nichts verlernt. «Wunderbar. Ich wusste gar nicht mehr, wie schön es hier ist», sagt der fünffache Gesamtweltcupsieger. «Zum Glück bist du da, ich freue mich riesig», entgegnet die dreifache Weltmeisterin und Olympiasiegerin.

Kurz darauf sitzen die Ski-Legenden in einer Ecke des Ämpächli und reden. Offen, unverblümt, ohne Allüren. Auch nach ihren Rücktritten Mitte der 90er Jahren verloren sie sich nie aus den Augen. Schneider: «Ich habe Marc immer bewundert. Als Skifahrer, klar. Aber auch als Menschen. Ich erinnere mich an eine Episode in Sölden, das war vor knapp 40 Jahren. Ich war noch sehr jung und unser Technikerinnen-Team suchte eine Piste, um zu trainieren. Aber es gab nichts Schlaues. Da sahen wir Marc, der einen völlig vereisten, steilen Hang runterblochte. Wir fragten ihn und seinen Vater, ob wir auch einige Schwünge machen dürften. Sie sagten sofort zu. Das hat mich tief beeindruckt.»

Giradelli zerstritt sich mit Verband

Zu dieser Zeit war Girardelli in Österreich wenig beliebt. Nach einem Knatsch mit dem Verband entschied sein Vater, dass sein Sohn nicht für sein Heimatland, sondern für Luxemburg starten würde. «Mit 16 galt ich bereits als Vaterlandsverräter», so der gebürtige Vorarlberger. Bei seinen ersten Weltcuprennen sei er schon bei der Besichtigung beschimpft worden. «Man hätte es lieber gehabt, wenn ich gar nicht da gewesen wäre. Das war schon Hardcore», erinnert er sich.

Haben es noch immer drauf: Vreni Schneider (l.) und Marc Giradelli.
Foto: Remy Steiner
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«Ich hätte das nicht ausgehalten, im Kopf war ich nicht so stark», sagt Schneider. Dafür glänzte sie schon bald – wie Girardelli auch – auf der Piste. «Vreni war ihrer Zeit voraus. Sie fuhr bereits eine Art Carving-Schwung, als es noch gar keine Carving-Ski gab. Frauen haben von Natur aus weniger Kraft als Männer, doch Vreni fand einen Weg, zwischen den Toren zu beschleunigen», so Girardelli. Die Folge: Schneider war im Stangenwald beinahe unbesiegbar. Die Elmerin fühlt sich durch Girardellis Worte geehrt. «Marc konnte alles, er war auch in der Abfahrt bärenstark. Ich dagegen ein Schisshaas, sobald es zu schnell wurde.»

Der Weltenbummler und die Gluggere

Man merkt sofort: Die beiden verstehen sich blendend, lachen oft. Dabei führen sie heute ein völlig unterschiedliches Leben. Girardelli ist ein Weltenbummler, ein Tausendsassa. Er ist fliegt Helikopter, arbeitet für das Liechtensteiner Unternehmen Bemer-Therapie, berät den bulgarischen Ski-Verband, ist Teilhaber des Weltcuportes Bansko (Bul), verlegt ein Tourismus-Magazin und schreibt Krimis. «Jesses, das ist ja Wahnsinn», sagt Schneider. Sie selbst nennt sich eine «Gluggere» und vergleicht sich so mit einer Hühnermutter. «Ich habe in meiner Karriere die Welt gesehen. Jetzt bin ich gerne zuhause in Elm bei meinen Kindern.» Schneider führt die Ski-, Snowboard- und Rennschule seit vielen Jahren mit ungebrochener Begeisterung.

Schneider und Girardelli – da stimmt die Chemie. Doch nicht nur dies. Mittlerweile sieht «Gold-Vreni» sogar Girardellis Namen jeden Tag aufs Neue. Warum? Weil er alle Skilehrer aus Elm mit seiner Kleiderlinie – auch das macht Girardelli – austattete. «Dass wir nun auch noch so miteinander verbunden bleiben, ist wunderschön», sagt Schneider. Kurz darauf trennen sich ihre Wege wieder, Girardelli besteigt die Gondel ins Tal. «Machs gut, Vreni – wir sehen uns!» Daran besteht kein Zweifel.

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Marc Giradelli

Nach einem Streit mit dem Österreichischen Skiverband fuhr Marc Girardelli (56) ab seinem 12. Lebensjahr für Luxemburg. Trotzdem erhielt er die luxemburgische Staatsbürgerschaft erst 1987, wodurch er die Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajevo verpasste. Er war immer mit seinem Privatteam im Ski-Zirkus unterwegs. Girardelli holte elf WM-Medaillen, darunter vier goldene. Er gewann 46 Weltcuprennen und holte 15 Weltcup-Kristallkugeln. Fünf mal beendete er den Winter als Gesamtweltcupsieger. Er lebt in Rebstein im St. Galler Rheintal. Er produziert individuell gestaltete Skibekleidung für Skiclubs, Skischulen, Bergbahnen und Firmen. Auch ja: Und wo bewahrt er eigentlich all seine Medaillen auf? «Irgendwo in einer Schachtel.» Und die Trophäen? «Die habe ich alle verschenkt», sagt er schmunzelnd.

Nach einem Streit mit dem Österreichischen Skiverband fuhr Marc Girardelli (56) ab seinem 12. Lebensjahr für Luxemburg. Trotzdem erhielt er die luxemburgische Staatsbürgerschaft erst 1987, wodurch er die Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajevo verpasste. Er war immer mit seinem Privatteam im Ski-Zirkus unterwegs. Girardelli holte elf WM-Medaillen, darunter vier goldene. Er gewann 46 Weltcuprennen und holte 15 Weltcup-Kristallkugeln. Fünf mal beendete er den Winter als Gesamtweltcupsieger. Er lebt in Rebstein im St. Galler Rheintal. Er produziert individuell gestaltete Skibekleidung für Skiclubs, Skischulen, Bergbahnen und Firmen. Auch ja: Und wo bewahrt er eigentlich all seine Medaillen auf? «Irgendwo in einer Schachtel.» Und die Trophäen? «Die habe ich alle verschenkt», sagt er schmunzelnd.

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Vreni Schneider

Vreni Schneider (54) aus Elm GL ist die erfolgreichste Schweizer Skifahrerin aller Zeiten. Als Super-Technikerin gewann sie Ende 80er bis Mitte 90er dreimal Olympiagold, drei WM-Titel und drei Gesamtweltcup-Siege. Hinzu kommen 55 Weltcupsiege. 1995 beendete sie ihre Karriere. Mit ihrem Ehemann Marcel Fässler hat sie die zwei Söhne Flavio und Florian. Sie betreibt in Elm eine Ski-, Snowboard- und Rennschule.

Vreni Schneider (54) aus Elm GL ist die erfolgreichste Schweizer Skifahrerin aller Zeiten. Als Super-Technikerin gewann sie Ende 80er bis Mitte 90er dreimal Olympiagold, drei WM-Titel und drei Gesamtweltcup-Siege. Hinzu kommen 55 Weltcupsiege. 1995 beendete sie ihre Karriere. Mit ihrem Ehemann Marcel Fässler hat sie die zwei Söhne Flavio und Florian. Sie betreibt in Elm eine Ski-, Snowboard- und Rennschule.

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