Fünf Thesen für Swiss-Ski-Boss Lehmann
Der Skisport braucht eine Revolution

Ein überfüllter Ski-Kalender, sinnlose Rennen in China und das grosse Parallel-Chaos: Es braucht Veränderungen im Skirennsport – oder besser gleich eine Revolution. Ist das realistisch? Swiss-Ski-Boss Urs Lehmann hat Antworten.
Publiziert: 23.03.2022 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2022 um 12:24 Uhr
Mathias Germann

Wie soll der Ski-Weltcup künftig aussehen? Für viele ist klar: So, wie er jetzt daherkommt, geht es nicht mehr! «Ich bin der Meinung, dass man das Ganze mal über den Haufen werfen sollte. Einfach mal Tabula rasa machen und sich überlegen, was funktioniert und was nicht», sagt Olympiasiegerin Michelle Gisin (28). Blick konfrontiert Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann (52) mit fünf Thesen.

1. Es gibt zu viel Rennen

40 Rennen bei den Frauen, 44 bei den Männern. Der provisorische FIS-Kalender des nächsten Winters ist pickepackevoll. Vom Saisonauftakt Ende Oktober in Sölden (Ö) bis zum Weltcupfinal Mitte März in Andorra gibt es kaum Luft, um durchzuatmen. Dazu steigt die Ski-WM in Courchevel/Méribel (Fr) vom 6. bis 19. Februar. «Ich denke nicht, dass es zu viele Rennen sind, das Problem ist eher die Aufteilung», sagt Lehmann. «Letztlich geht es für alle ja auch darum, den Lebensunterhalt zu verdienen und sich zu zeigen. Athleten, Verbände, Sponsoren, Veranstalter – alle wollen sich präsentieren. Allerdings finde ich, dass man den Kalender ausdehnen könnte. Das gäbe Luft.» Lehmann denkt an frühere Rennen im Herbst – einerseits auf dem Gletscher, anderseits auf der Südhalbkugel – zum Beispiel im winterlichen Neuseeland. Gleichzeitig plädiert Lehmann für mehr Doppel-Rennen an einem Ort. «Wenn gleich zwei Slaloms oder Abfahrten ausgetragen werden, gibt dies immer die Chance zur Revanche. Das ist spannend. Und einige Athleten hätten die Möglichkeit, um durchzuatmen, weil sie die Disziplin nicht fahren.»

2. Parallel-Rennen gehören abgeschafft

Sie sind gefährlich, unbeliebt und oft chaotisch: die Parallel-Bewerbe. Trotzdem stehen sie im nächsten Winter so oft auf dem Programm wie noch nie. Allein bei den Frauen sind vier Wettkämpfe geplant. Und offenbar will man die Kombination bei Olympia 2026 durch ein Parallel-Rennen ersetzen. Lehmann: «Das halte ich für einen Fehler. Ich würde die Parallel-Rennen künftig nur als Team-Event durchführen – bei Grossanlässen und beim Weltcup-Final. Land gegen Land, das hat etwas. Als Einzelrennen sehe ich die K.-o.-Duelle nicht.»

Fünf Thesen, fünf klare Meinungen: Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann bezieht Stellung.
Foto: keystone-sda.ch
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3. Rennen in China sind lächerlich

Olympia hat es gezeigt: Die chinesische Bevölkerung lässt sich nicht auf Knopfdruck für Skirennen begeistern. Aus ökologischer Sicht machen Rennen im Fernen Osten keinen Sinn, und die Athleten müssen lange Reisen und den Jetlag verdauen. Lehmann hält dagegen. Er findet, dass man die Skikultur über Jahrzehnte aufbauen müsse und dass es fatal wäre, China nun nicht mehr zu besuchen. «Dort ist ein grosser Wachstumsmarkt für den Skisport.»

4. Es braucht ein Punktesystem wie im Tennis

Er strebe Preisgelder wie im Tennis an, fabulierte der neue FIS-Präsident Johan Eliasch (60) nach seinem Amtsantritt. So weit wird es im Skizirkus nie kommen. Und dennoch: Warum führt man nicht ein am Tennis orientiertes Wertungssystem ein? Mit Grand-Slam-, Masters-1000-, 500er- und 250er-Veranstaltungen. Oder ähnlich. Damit könnten Weltcup und Europacup verschmelzen. Es gäbe Highlights und Rennen, bei denen die zweite Garde zuschlagen könnte. Dass die Lauberhorn-Abfahrt und ein Parallel-Rennen in Lech gleich viele Punkte geben, ist zumindest befremdend. Lehmann: «Ich finde die Tennisidee spannend. Auch die Veranstalter könnten punkten und in Bezug auf die Kategorisierung auf- oder absteigen. Klar, man müsste das Ganze ausarbeiten – ich bin überzeugt, dass es sich lohnen könnte.»

5. Keine Weltcuprennen mehr nach Grossanlässen

Sind Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele vorbei, flacht das Interesse des Publikums für Rennen im Weltcup massiv ab. Auch viele Fahrer sind körperlich und emotional nicht mehr auf der Höhe. Warum also nicht einen Grossanlass als Schlussfeuerwerk planen? Lehmann: «Ich finde, dass die Grossanlässe später in der Saison stattfinden sollten und danach nur noch der Weltcup-Final anschliessen sollte.» Realistisch ist dies zumindest in Bezug auf Olympische Spiele nicht, weil das IOC die Winterspiele weiterhin Anfang Februar ausrichten möchte.

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