Filmreifer Ski-Winter
Odermatt und Gut-Behrami – die ungleichen Hauptdarstelller

Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin waren die Hauptdarsteller der Saison. Es gibt aber viele verrückte, spannende und tragische Geschichten, auf die man zurückblicken kann.
Publiziert: 21.03.2023 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2023 um 07:52 Uhr

Der Winter 2022/23 ist Geschichte. Zeit, um auf schöne, kuriose, witzige und schlimme Momente zurückzublicken. Film ab!

Der beste Hauptdarsteller

2 Goldmedaillen bei der WM, 13 Saisonsiege im Weltcup, 25 Podestplätze in 30 Rennen und ein neuer Weltcuppunkterekord (2042) – Marco Odermatt ist in den letzten fünf Monaten in eine neue Alpin-Dimension gerast!

Odermatt schreit seine Freude raus nach Traum-Fahrt
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Emotionaler Gold-Jubel:Odermatt schreit seine Freude raus nach Traum-Fahrt

Die unerschrockene Heldin

Schmerzen? Sofia Goggia blendet sie aus. In St. Moritz bricht sie sich bei der Abfahrt zwei Knochen in der linken Hand. Sie fährt mit dem Auto nach Mailand, lässt sich am Abend operieren, kehrt in der Nacht zurück ins Engadin und gewinnt den Super-G. «Die Hand ist nicht mehr gebrochen, sie ist geflickt», meint sie lapidar. Auf dem Verband um ihre Hand ist eine Blutspur zu sehen.

Vorhang auf für die filmreifsten Geschichten des Ski-Winters. Der beste Hauptdarstellter: Marco Odermatt. Er war die überragende Figur.
Foto: freshfocus
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Sofia Goggia zeigt verletzte Hand auf Instagram
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Morgen will sie wieder starten:Sofia Goggia zeigt verletzte Hand auf Instagram

Der filmreife Abgang

Der sonst so abgebrühte Swiss Ski-Trainer Manfred Widauer vergiesst am Mittag des 21. Dezembers hemmungslos Tränen. Grund: Sein Schützling Beat Feuz hat verkündet, dass er seine Karriere nach den Abfahrts-Klassikern beenden werde. Die Abschieds-Tournee des «Kugelblitz» endet hollywoodreif. Am Lauberhorn donnert der Abfahrts-König aus dem Emmental noch einmal in die Top 5. Nach seiner Dernière auf der «Streif» wird der 36-Jährige sogar von den Österreichern bejubelt! Der vierfache Gewinner der Abfahrts-Kugel hat sich seine Ski-Rente redlich verdient – Feuz (16 Weltcup-Einzelsiege) ist der einzige Abfahrer in der Schweizer Ski-Geschichte, der in der Königsdisziplin alle grossen Titel geholt hat (Weltmeister, Olympiasieger, Lauberhorn- und Kitzbühel-Triumphator).

«Beat ist ein aussergewöhnlicher Rennfahrer»
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Blick-Experte zu Feuz-Abschied:«Beat ist ein aussergewöhnlicher Rennfahrer»

Die unpassendste Requisite

14 Jahre lang fährt Michelle Gisin auf Rossignol-Ski ab. Mit den französischen Latten an den Füssen feiert sie alle ihre Erfolge, holt unter anderem zweimal Olympia-Gold in der Kombination. Im letzten Sommer wagt Gisin den Wechsel: von Rot zu Blau, von Rossignol zu Salomon. «Es kann sein, dass nächstes Jahr überhaupt nichts zusammenpasst», sagt sie. Ist es eine Vorahnung? Fakt ist: Gisin fährt zwar als einzige Frau alle Rennen, schafft es aber nie aufs Podest – auch nicht bei der WM. Sie verzweifelt zuweilen beinah, nimmt aber die Schuld auf sich. Fakt bleibt: Aus sportlicher Sicht war der Markenwechsel ein Fehler.

Der tragische Held

Nach einem Kreuzbandriss im Januar 2021 und einem Beckenbruch im Januar 2022 meldet sich Urs Kryenbühl am 29. Dezember in eindrücklicher Manier zurück - der Schwyzer fährt auf der brutal selektiven «Stelvio» in Bormio den sechsten Rang heraus. Die Freude hält jedoch lediglich knapp 24 Stunden an. Im Super-G erhält der 28-Jährige nach wenigen Fahrsekunden einen Schlag aufs Knie. Die niederschmetternde Diagnose: Kreuzbandriss, sechs Monate Zwangspause!

Endlich ein Happy End

15-mal Zweite, 15-mal Dritte, aber kein einziges Mal Erste: Wendy Holdener leidet im Slalom wegen ihres verrückten Sieglos-Rekords. Doch am 27. November 2022 fährt sie allen Sorgen davon, sie gewinnt in Killington (USA) erstmals. «Es ist eine Erlösung. Endlich werde ich nicht mehr darauf angesprochen», sagt sie.

Mit diesem Lauf holt Holdener ihren ersten Slalom-Sieg
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Zusammen mit Swenn-Larsson:Mit diesem Lauf holt Holdener ihren ersten Slalom-Sieg

Der überraschendste Schnitt

Österreichs dreifacher Olympiasieger Matthias Mayer (32) ist zu Saisonbeginn im Schuss. Dritter beim Super-G in Lake Louise, Dritter bei der Abfahrt in Gröden. Die drittbeste Zeit fährt der Kärntner auch beim Training zur Abfahrt in Bormio. Doch am Renntag sorgt der «Mothl» nicht mit einem weiteren «Stockerl»-Platz, sondern mit einem Interview im ORF für Furore. «Ich habe mich soeben bei der Streckenbesichtigung entschieden, meine Karriere zu beenden!» Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Mayer im nächsten Winter sein Comeback geben wird.

Der Österreicher Matthias Mayer erklärt den sofortigen Rücktritt
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Paukenschlag im Ski-Zirkus:Matthias Mayer erklärt den sofortigen Rücktritt

Die grösste Tragödie

Am 8. Februar gewinnt Marta Bassino WM-Gold im Super-G. Freude pur? Zunächst schon. Doch schon bald erreicht sie eine traurige Nachricht: Ihre ehemalige Teamkollegin Elena Fanchini ist gestorben. Mit 37 Jahren erliegt die WM-Zweite von 2005 ihrem Krebsleiden. Die Betroffenheit ist riesig, tags darauf sieht man mehrere weinende Fahrerinnen bei der Besichtigung der Abfahrt. Bassino erleidet drei Wochen später einen weiteren Schicksalsschlag, als die Frau ihres Bruders Matteo regungslos im Bett gefunden wird – auch sie ist tot.

Das dramatischste Drehbuch

Die Hahnenkamm-Woche beginnt für Aleksander Aamodt Kilde schlecht. Im Training bricht sich der Norweger die Hand. Am Tag danach ist der Freund von US-Ski-Queen Mikaela Shiffrin bis zum Zielschuss dennoch auf Top-3-Kurs. Dann folgt der Schocker: Beim Sprung aus der Traverse schlägt der Wikinger mit 120 k/mh um ein Haar mit dem Aussenski in der Werbebande ein. Im letzten Moment kann er die Katastrophe abwenden. «Das war eine Nahtoderfahrung», gibt der Gesamtweltcupsieger der Saison 2019/20 danach zu Protokoll. Das Happy End in diesem Horror-Streifen gibts für Kilde mit dem Sieg in der zweiten Abfahrt auf der «Streif». Mit sechs Triumphen in zehn Abfahrten sichert sich der Mann aus der Region Oslo in der Königsdisziplin die Kristallkugel.

Kilde verletzt sich im Abfahrtstraining auf der Streif
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Hand heftig aufgekommen:Kilde verletzt sich im Abfahrtstraining auf der Streif

Die wütende Hauptdarstellerin

Einmal verpasst sie die Medaille um neun, dann um vier Hundertstel: Entgegen aller Prognosen geht Lara Gut-Behrami bei der WM leer aus. «Es waren zwei Scheiss-Wochen», sagt sie. Mehr nicht. Einige Tage später spricht sie via Video-Call über ihre Enttäuschung und meint, bis 2025 weiterfahren zu wollen. Die Saison endet für die Tessinerin versöhnlich: Sie gewinnt den letzten Super-G des Winters in Soldeu und sichert sich die vierte Disziplinen-Kristallkugel ihrer Karriere.

Der stärkste Comebacker

Ramon Zenhäusern war vor 12 Monaten, wie er selber sagt, «am Boden zerstört!» Grund: Der Doppelmeter aus dem Oberwallis ist nach einer Schulterverletzung und Materialproblemen in der Slalom-Weltrangliste auf den 25. Rang abgestürzt und flog deshalb auch aus dem Nati-Kader. Doch in diesem Winter hat der 2,02-Meter-Riese mit den Siegen in Chamonix und Soldeu ein gigantisches Comeback abgeliefert.

Zenhäusern gewinnt mit dieser Fahrt den Soldeu-Slalom
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Perfekter Saisonabschluss:Zenhäusern gewinnt mit dieser Fahrt den Soldeu-Slalom

Das schönste Märchen

Sie fing an, Skirennen zu fahren, weil es danach Wienerli mit Ketchup gab: Jasmine Flury. Es lohnte sich. Die Bündnerin aus Davos Monstein wird am 11. Februar sensationell Weltmeisterin in der Abfahrt. «Ich kann es kaum glauben», sagt sie. Flury jubelt und feiert, sie kommt erst spät ins Bett. Und wird, kurz nach Mitternacht, zum dritten Mal Tante – ihre Schwester und das Kind sind wohlauf.

Die Gold-Fahrt von Jasmine Flury im Video
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Mit der Starnummer 2:Die Gold-Fahrt von Jasmine Flury im Video

Die kernigste Aussage

Nach zwei mässigen Wintern hat Daniel Yule in die Erfolgsspur zurückgefunden - der Unterwalliser triumphierte bei den Slaloms in Kitzbühel und Madonna di Campiglio in glorreicher Manier. Yule lässt aber auch mit seiner Kritik am FIS-Präsident aufhorchen. Weil Johan Eliasch laut über Weltcuprennen in Saudi-Arabien nachdenkt, sagt Yule: «Ich kann es fast nicht glauben, dass ein so schlauer Mensch und erfolgreicher Unternehmer wie Eliasch auf so dumme Ideen kommt. Wenn der Tag kommt, an dem Rennen in Saudi-Arabien oder Dubai im Weltcupkalender fungieren, werde ich sofort meinen Rücktritt erklären!»

Der bitterste Schock

Kaum eine Schweizerin versprüht so viel Freude am Skifahren wie Aline Danioth. Doch Anfang März wird die WM-Sechste im Slalom brutal zurückgeworfen. Danioth erleidet bei einem Europacup-Riesenslalom einen Kreuzbandriss – es ist ihr vierter. Sie schreibt auf Instagram von einem «Albtraum». Ob die 25-Jährige in den Spitzensport zurückkehren wird, ist offen.

Der beste Nebendarsteller

Odermatt stellt mit seiner geschichtsträchtigen Erfolgsserie alle anderen in den Schatten. Dabei hat vor allem Loïc Meillard ein paar Leistungen abgeliefert, die in fast jedem anderen Winter als Highlights in die Schweizer Ski-Geschichte eingegangen wären. Beim Nacht-Riesen in Schladming triumphierte der Walliser. Beeindruckend ist die Vielseitigkeit des 26-Jährigen, der in dieser Saison als Einziger im Super-G, im Riesen- und im Slalom den Sprung aufs Podest schaffte. Zudem hat Meillard bei der WM hinter Odermatt Silber im Riesenslalom gewonnen. Chapeau, Loïc!

So fährt Loïc Meillard zum Sieg auf der Planai
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Riesenslalom in Schladming:So fährt Loïc Meillard zum Sieg auf der Planai

Der lustigste Dialog

Mikaela Shiffrin ist im Frauen-Zirkus die Hauptdarstellerin des Winters. Sie hamstert Sieg um Sieg, Kugel um Kugel. Und sie übertrifft mit ihrem 88. Weltcupsieg den ewigen Rekord Ingemar Stenmarks (86 Siege). Nach ihrem letzten Triumph wird sie in Soldeu von Kilde interviewt – und lacht sich schlapp. Er fragt, was sie brauche, um weiterhin auf diesem Niveau zu fahren. Shiffrin: «Darüber können wir später privat diskutieren, unter vier Augen.»

Kilde interviewt Shiffrin nach Riesen-Sieg
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Traumpaar sorgt für Lacher:Kilde interviewt Shiffrin nach Riesen-Sieg
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