Das Protokoll des Ski-Zoffs
So eskalierte der Streit zwischen Lehmann und Eliasch

Swiss-Ski-Boss Urs Lehmann und FIS-Präsident Johan Eliasch werden wohl keine Freunde mehr. Jüngst sorgt die FIS-Drohung des WM-Entzugs in Crans-Montana 2027 für einen Aufschrei. Doch wie begann alles? Die Chronologie des Ski-Zoffs.
Publiziert: 17.02.2024 um 16:42 Uhr
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Aktualisiert: 17.02.2024 um 16:52 Uhr
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Dunja MoustopoulosSport-Desk

Eliasch wird gewählt, Lehmann geht leer aus – 4. Juni 2021

Sie kämpften gegeneinander um das höchste Amt im Wintersport: Am Ende macht Head-Boss Johan Eliasch das Rennen und wird zum neuen FIS-Präsident gewählt – Urs Lehmann geht leer aus.

Lehmann war lange der grosse Favorit auf die Nachfolge von Landsmann Gian Franco Kasper, der das Amt zwischen 1998 und 2021 innehatte. Dann musste die Wahl wegen Corona verschoben werden, wonach die Unterstützung für Lehmann zu bröckeln begann. So wechselte beispielsweise die österreichische Fraktion – namentlich ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel – die Fronten, was Lehmann nach seiner Schlappe enttäuschte: «Bei uns ist ein Wort ein Wort. In Österreich offenbar nicht.»

Dass diese Stimme nicht ausschlaggebend für die Wahl-Niederlage war, verkommt in der Enttäuschung zur Randnotiz. Eliasch erhielt 65 von 120 möglichen Stimmen, Lehmann nur deren 26. Klar ist: Es war eine bittere Enttäuschung für den Swiss-Ski-Präsidenten. Und nur der Anfang eines langen Machtkampfes der beiden.

Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann …
Foto: Keystone
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Schweizer Boykott der Parallelevents – 16. Oktober 2021

Nach der Wahl von Eliasch soll der Skisport ein frischeres Gesicht bekommen. Unter anderem wird über neue Formate diskutiert, oder aber, ob der Super-G abgeschafft werden soll. Neue Impulse soll unter anderem auch der Parallelevent zum Weltcupstart der Saison 2021/22 bringen. Das stösst im Schweizer Team auf wenig Gegenliebe: Die Stars um Marco Odermatt, Loic Meillard, Michelle Gisin und Co. verzichten auf den Start.


Eine Entscheidung, die Lehmann begrüsst und gegen die FIS schiesst: «Das ist ein völliger Nonsens, ein Humbug. Dass die FIS das Reglement in den letzten Monaten nicht angepasst hat, ist nicht akzeptabel. So verliert der Verband an Glaubwürdigkeit.»

Der Kriechmayr-Skandal – 15. Januar 2022

«Das ist eine der grössten Sauereien, die jemals im Skirennsport passiert sind», tobt Urs Lehmann. Soeben hat Vincent Kriechmayr Beat Feuz den Lauberhorn-Sieg weggeschnappt, obwohl er eigentlich gar nicht hätte starten dürfen: Der Österreicher verpasste nämlich wegen einer Corona-Erkrankung beide Trainings, wonach die FIS eine kurzfristige Regeländerung vornahm.

Ob da Eliasch seine Finger im Spiel hatte? Schliesslich nahm der britisch-schwedische Head-CEO Kriechmayr 2020 unter seine Fittiche. «Es war ja nicht Johan, sondern die Jury, welche zu meinen Gunsten entschieden hat», sagt Kriechmayr. «Aber natürlich habe ich mich nach der ersten Abfahrt hier in Wengen mit Johan unterhalten und der hat mir gesagt, dass er froh sei, dass seine Leute so entschieden hätten.»

Swiss-Ski läuft Sturm gegen Eliasch-Plan – 18. Mai 2022

Der von Eliasch ausgearbeitete Weltcup-Kalender für die neue Saison sorgt für kollektives Kopfschütteln. So soll beispielsweise die Kombination neu erfunden werden, die Ski-Cracks innert kurzer Zeit zweimal nach Übersee fliegen müssen oder Traditionsrennen verschwinden.

«Nicht mit uns», denkt sich Swiss-Ski. Das Weltcup-Komitee, in dem der Schweizer Verband und alle anderen grossen Nationen Einsitz haben, hat deshalb den Weltcup-Kalender 2022/23 nicht abgesegnet und an den Council der FIS zurückgesendet. Ein neuer Kalender muss her.

Eliasch wiedergewählt – 26. Mai 2022

Der Wahl-Eklat in Mailand. Die grossen Nationen verlassen erbost und aus Protest den Saal, als der FIS-Präsident gewählt werden soll. Der Grund? Eliasch steht ohne Gegenkandidat da, der Stimmzettel konnte deshalb lediglich mit seinem Namen oder leer abgegeben werden. «Das Wahlprozedere war ein Witz», sagt Diego Züger, damaliger Marketingschef von Swiss-Ski und heutiger Co-CEO. «Eine Wahl, bei der die einzig gültige Stimme eine Ja-Stimme ist, entspricht nicht unserem Rechtsverständnis.» Urs Lehmann bezeichnete die Wahl als «Muppet-Show».

Eliasch antwortet auf die negativen Reaktionen nur trotzig: «Wir dürfen alle unsere Meinung haben, aber wir müssen gemeinsam stark sein, um das nächste Level zu erreichen.» Sein überarbeiteter Weltcup-Kalender wird allerdings in der Zwischenzeit abgesegnet. Ohne die Kombi-Revolution.

Top-Ski-Nationen ziehen vors CAS – 17. Juni 2022

Die Präsidenten-Wahl wird nun ein Fall für den internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne. Neben Swiss-Ski klagen auch der kroatische, der österreichische und der deutsche Ski-Verband dagegen.

Lehmann schiesst gegen Eliasch – 16. November 2022

«Wir stehen vor einem ziemlichen Scherbenhaufen», macht Urs Lehmann im Blick-Interview deutlich. «Eliasch ist in vielen Bereichen vorgeprescht und hat viele Leute vor den Kopf gestossen. So geht es nicht. Die FIS ist derzeit eine zerstrittene Grossbaustelle. Ein kleines Beispiel: Der ganze Tross fliegt jetzt nach Übersee für die Rennen in Lake Louise und in Beaver Creek. Und im März nochmals nach Aspen. Das ist eine Fehlplanung sondergleichen und auch ökologisch in diesen Zeiten ein Blödsinn.»

Eliasch attackiert Lehmann – 10. Februar 2023

Einer der Höhepunkte des Zoffs. Eliasch attackiert Lehmann im Blick-Interview. Er spricht unter anderem von Sabotage und dementiert die Aussagen Lehmanns. «Er stimmte dafür, dass der Weltcup-Tross dieses Jahr zweimal in die USA geht, und fand es eine grossartige Idee – das ist sogar im Sitzungsprotokoll festgehalten. Ein paar Monate später geht dieselbe Person zu den Medien und erzählt, dass die Planung nicht gut sei. Was soll das? Da kann man ja gleich sagen, die FIS bestehe aus einem Haufen Clowns. Das ist ein inakzeptables Verhalten, das ist Sabotage. Dieses Ratsmitglied haben wir scharf, sehr scharf verwarnt. So benimmt man sich nicht.»

Das lässt Lehmann nicht auf sich sitzen. «Sabotage? Dieses Wort ist völlig deplatziert. Das ist Kriegsvokabular. Mehr gibt es dazu an dieser Stelle nicht zu sagen.» Der Zoff scheint zu eskalieren.

Übrigens: Nur wenige Tage nach dem Interview lassen Swiss-Ski und die drei anderen Verbänden die Klage gegen die Wiederwahl Eliaschs fallen. 

FIS wirft Lehmann unethisches Verhalten vor – 16. Januar 2024

Nächste Runde im Schwergewichts-Kampf zwischen Eliasch und Lehmann, es geht wieder um den Kalender. Lehmann sagt auf einem Mini-Onlineportal: «Wir müssen darüber nachdenken, wer den Rennkalender macht. Im Moment hält man sich nicht an die vorgesehenen Abläufe. Im Moment macht es eine Person von zu Hause aus.»

Die FIS schiesst volles Rohr zurück. Und wirft Lehmann in einem öffentlichen Statement unethisches Verhalten vor! «Alle Kalender werden vom FIS-Council beschlossen. Der aktuelle Saisonkalender 2023/24 wurde vom FIS-Council, dem auch Urs Lehmann angehört, einstimmig genehmigt.» Darum verurteile «die FIS ein solches unethisches Verhalten auf das Schärfste», schreibt der Ski-Weltverband weiter. «Ein Ratsmitglied hat die Pflicht, integer und im besten Interesse der FIS zu handeln.»

Lehmann nimmt diese Vorwürfe zur Kenntnis, wehrt sich allerdings dennoch. «Meine Kritik hat sich auf Sun Valley bezogen und auf die generelle Kalenderplanung.» Sun Valley ist ein Mini-Skigebiet, wo der Weltcup-Final 2025 stattfinden soll. «Die ist in den letzten Jahren nicht immer so gemacht worden wie zuvor. Das ist nicht gut fürs System. Dazu stehe ich.»

WM-Entzug für Crans-Montana? – 16. Februar 2024

Nun also die jüngste Wendung dieser Geschichte. Die FIS droht, Crans-Montana die Ski-WM 2027 zu entziehen. Es geht um angeblich nicht gewährleistete finanzielle Sicherheiten, was allerdings auch als nächste Stufe im unsäglichen Streit zwischen Eliasch und den Schweizern verstanden werden kann. Will Eliasch damit Swiss-Ski eins auswischen? Klar ist: Das letzte Kapitel ist in dieser Saga bestimmt noch nicht geschrieben.

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