«Ich habe sie bei jedem Rennen an»
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Dank Silber im siebten Himmel
Holdeners Freund ist erstmals bei Medaillengewinn dabei

Erstes Rennen, erste Medaille: Wendy Holdener holt zum WM-Auftakt Silber. Mindestens so viel bedeutet ihr, dass ihre Liebsten hautnah dabei sind.
Publiziert: 06.02.2023 um 21:24 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2023 um 07:33 Uhr
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Mathias GermannReporter Sport

Verzweifelt sucht Wendy Holdener (29) eine Anzeigetafel. Soeben hat sie nach dem Kombi-Slalom das Ziel erreicht. Es sind nur Sekundenbruchteile, doch sie fühlen sich wie eine Ewigkeit an. «Hat es gereicht? Habe ich eine Medaille?», fragt sie sich. Die Antwort folgt: Platz 2, Silber. «Da bin ich ausgetickt», sagt sie und strahlt. «Nun hoffe, dass ich auch in der zweiten WM-Woche daran anknüpfen kann.»

Holdener verpasst nach den Weltmeisterschaften 2017 und 2019 den Gold-Hattrick in der Kombi. So fühlt es sich für sie aber nicht an. «Ich habe Silber gewonnen und nicht Gold verloren», sagt sie. Und hat recht. Denn: Nach dem Super-G am Vormittag liegt Holdener auf Rang 15. Das tönt schlechter, als es ist. Erstens verzichten zahlreiche Athletinnen auf einen Start im Slalom, weil sie sich keine Chancen auf Edelmetall ausrechnen – unter anderem Lara Gut-Behrami (29), die Halbzeit-Zweite.

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Holdener weiss zudem, dass sie als Slalom-Spezialistin noch viele Plätze gutmachen kann. Das Problem? Federica Brignone (30) hat satte 1,66 Sekunden Vorsprung und zeigt obendrauf den Slalom-Lauf ihres Lebens. «Es war nicht einfach, denn normalerweise habe ich Angst beim Slalom. Aber das war der perfekte Tag», meint die Italienerin. Gold ist also für Holdener nicht in Reichweite. Dafür Silber, weil Top-Favoritin Mikaela Shiffrin (27, USA) kurz vor dem Ziel ausscheidet. «Wendy wusste am Start, dass eine Medaille möglich ist. Dieser Druck war enorm, doch sie hat geliefert», sagt Frauen-Cheftrainer Beat Tschuor.

Wendy Holdener freut sich über Silber in der Kombination.
Foto: keystone-sda.ch
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Remy musste Holdener zuerst googeln

Holdener freut sich nicht nur über Silber, sondern auch über ihre zehnte Medaille bei Grossanlässen – je fünfmal stand sie bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auf dem Treppchen. Eine Premiere gibt es an diesem herrlich sonnigen Tag in Méribel dennoch: Erstmals ist ihr Freund Remy bei einer Medaillenfeier an ihrer Seite. 2021 war der Seeländer bei der WM in Cortina (It) dabei, Holdener ging aber leer aus. Und bei den Olympischen Spielen 2022 durften Angehörige wegen der strengen Corona-Regeln in China keinen Kontakt zu den Athleten haben – Remy blieb daheim.

Nun aber klappte es! An der Seite von Holdeners Bruder Kevin, ihrer Mutter Daniela und Ruedi, einem guten Freund der Eltern, strahlt Remy über beide Ohren: «Es ist wunderschön, ich freue mich so für Wendy. Das ist die Genugtuung für die harte Arbeit, die sie das ganze Jahr macht.» Er selbst ist ebenfalls sehr sportlich, war Junior beim EHC Biel, ist Tauchlehrer und Mountainbike-Crack. «Nur zum Skifahren habe ich keine Affinität, das kann ich wirklich nicht», sagt er lachend.

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Holdener macht dies nichts aus. Im Gegenteil. Sie mag Remy genau so, wie er ist. «Er gibt mir sehr viel. Seit ich ihn kenne, bin ich ausgeglichener. Er tut mir gut. Und er lässt mich mein Leben als Skirennfahrerin leben, das ist schön.» Es sei sehr cool, dass Remy dieses Rennen live erleben durfte, sagt die Schwyzerin. «Die Familie ist für mich das Wichtigste – und Remy gehört dazu.» Er meint: «Eine Freundin zu haben, die im Ski-Zirkus unterwegs ist, ist für mich aufregend und intensiv.» Und was macht Holdener zur besten Freundin der Welt? «Sie hat ein grosses Herz.»

Kennengelernt haben sich die beiden übrigens durch Holdeners Teamkollegin und Freundin, Joana Hählen. Sie hat die beiden verkuppelt. «Es ist schwierig, jemanden kennenzulernen, wenn man bekannt ist. Denn man weiss nie, wie sehr er dich schon aus den Medien kennt. Im Fall von Remy war dies kein Problem, er musste mich zuerst googeln, weil er nichts über mich wusste», so Holdener schmunzelnd.

Holdener zog die Notbremse

Zurück zum Rennen. Selbstverständlich war Holdeners Silberfahrt nicht. Sie verrät: «In den letzten Wochen vor der WM habe ich mein Gleichgewicht verloren. Vielleicht waren es zu viele Rennen, zu viele Trainings und zu wenig Erholung. Irgendwann habe ich Stopp gesagt, bin nach Hause gefahren und habe die Batterien aufgeladen.» Sie habe die eine oder andere Träne verdrückt, so Holdener. Eine Rolle hätten dabei ihre zwei Slalomsiege, die ersten im Weltcup, gespielt. «Diese Emotionen waren gewaltig. Vielleicht haben sie mich aber mehr Kraft gekostet, als ich gedacht hatte.»

Das alles ist Geschichte. Im House of Switzerland, gleich neben der Rennpiste, lässt Holdener mit ihren Liebsten den Tag ausklingen. Er hätte kaum schöner verlaufen können.

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