Bernhard Russi über den Tod von Ski-Ikone Mittermaier
«Die Wärme von Rosi wird noch lange anhalten»

Blick-Ski-Experte Bernhard Russi trauert um die verstorbene Ski-Ikone Rosi Mittermaier. In Erinnerung behält er sie als «Kumpel, Freundin, Schwester und Vorbild, Schneeprinzessin und Wunschtraum».
Publiziert: 05.01.2023 um 20:29 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2023 um 21:10 Uhr
Bernhard Russi
Bernhard RussiBlick-Kolumnist

Rosi Mittermaier ist eingeschlafen. Sie hat uns verlassen. Nach schwerer Krankheit, so vermeldet es ihre Familie, ist sie im Alter von 72 Jahren im Kreise ihrer Liebsten friedlich gegangen.

Sie hat die Augen geschlossen, die für alle und alles gestrahlt haben. Ihr Herz hat aufgehört zu schlagen. Das Herz, das alle berührte und Platz für alle hatte. Wahrscheinlich hat Rosi immer noch dieses Lächeln auf dem Gesicht, das alle magnetisch angezogen hat.

Ein liebliches Lächeln für schöne und weniger schöne Momente. Wir alle haben sie geliebt, weil sie uns allen immer das Gefühl gegeben hat, die Liebsten zu sein.

Bernhard Russi hat nur positive Erinnerungen an Rosi Mittermaier.
Foto: keystone-sda.ch
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Rosi war für uns alle Kumpel, Freundin, Schwester und Vorbild, Schneeprinzessin und Wunschtraum. Alles verpackt hinter einem Riesenrespekt, als Sportlerin und bodenständiger Frau.

Rosi war auf Skiern nicht immer die Schnellste, aber seit ihrem ersten Auftritt 1969 im Weltcup bis zu ihrem Rücktritt 1976 war sie für mich die weltbeste Skifahrerin. Ihre Technik, ihre tänzerische Beweglichkeit zwischen den Stangen, ihr Gefühl für das Element Schnee, für die Natur und für die Berge waren nahe an der Perfektion.

Trotz all dem schlummerte in ihr eine vulkanartige Kampfbereitschaft. Um das zu verstehen, muss man zum Beispiel die Startphase der Abfahrt an den Olympischen Spielen in Innsbruck nochmals vor Augen führen.

Eine fast unmögliche Kurssetzung zwang die Fahrerinnen über ca. 20 m in eine fast horizontale Traverse bis zum ersten Tor. Die Abfahrt begann also ungewohnt eher mit einem Langlaufsprint als mit einem Sturzflug. Bis und mit Startnummer 8 taten sich alle Frauen schwer, auf Touren und auf Tempo zu kommen. Dann war die Nummer 9 dran, Rosi Mittermaier! Mit einem beherzten Abstoss katapultierte sich Rosi aus dem Starthaus und setze sogleich zu einem rhythmischen Halb-Schlittschuhschritt an. Eine Fortbewegung, die bislang nur im Langlauf durch den Finnen Pauli Siitonen bekannt war.

Ich frage mich heute noch, wie und woher Rosi diese Inspiration hatte. Nach dieser Demonstration waren die Konkurrentinnen schachmatt und das Rennen entschieden. Und Rosi kürte sich selbst mit zwei Goldenen und einer Silbermedaille zur Königin der Olympischen Spiele 1976 in Innsbruck.

Die Skiwelt war begeistert und applaudierte. Und im Stillen dachten wir alle fast andächtig: «Super, unsere Rosi hat gewonnen!» Es wird schwer sein, ein Land zu finden, das nach einer ähnlichen sportlichen Leistung einer Frau eine solche Begeisterungswelle ausgelöst hat, wie die Mittermaier-Mania damals über ganz Deutschland hinweg gerollt ist.

Fussball, Tennis, Handball, Biathlon, Eishockey und andere Sportarten waren über Nacht kein Thema mehr. Ski, Schnee und Rosi waren in aller Munde, auf allen Titelseiten, in allen TV Shows. Rosi hier und Rosi da. Zehntausende von Briefen habe ihr der Pöstler in den Tagen nach ihren Olympia-Triumphen gebracht, erzählte sie einmal in einem Interview. Es war nicht das Doppel-Gold oder das Zusatz-Silber, das die Menschen in ihren Bann gezogen hat, sondern es war die Rosi, die Frau, die dahinter stand und allen immer das Gefühl gab: «Alles ist gut, aber bitte übertreibt nicht. Ich liebe euch alle!»

In der Öffentlichkeit, mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten hat sich Rosi hervorragend verhalten, aber selbst hat sie das nie gesucht. Ihr Leben war die Familie. Ihre Eltern, die Schwestern und danach Christian, ihr Ehemann, die Kinder Felix und Ameli hatten immer Priorität. Niemand stand je im Schatten von Rosi, alle durften sich bis gestern in ihrem Sonnenschein erwärmen.

Die Wärme ist es, die von Rosi bleibt. Sie wird noch lange anhalten.

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