Beat Feuz vor Speed-Auftakt
«Bevor ich mir eine Corona-Impfung verpassen lasse, …»

Beat Feuz (33) eröffnet am Wochenende in Val-d’Isère die Jagd auf die vierte Abfahrts-Kugel in Serie. Vor dem Start spricht der Emmentaler mit BLICK über Corona, das Comeback von seinem gefährlichsten Gegner und über seine Gesangsverweigerung bei der Nationalhymne.
Publiziert: 11.12.2020 um 12:12 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2021 um 09:20 Uhr
Interview: Marcel W. Perren

BLICK: Beat, es soll Leistungssportler geben, die derzeit aus Angst vor einer Corona-Ansteckung sogar ihre Freundinnen auf Distanz halten. Welche Corona-Regeln haben Sie in ihrem Haushalt mit ihrer Lebensgefährtin Katrin und Tochter Clea aufgestellt?
Beat Feuz: Ich werde deshalb nicht in eine andere Wohnung ziehen, weil mir meine Familie wichtiger ist als eine Weltcup-Saison. Aber natürlich gehe auch ich mit der nötigen Vorsicht zu Werke, wenn ich zu Hause oder im Ski-Zirkus unterwegs bin. Und ich habe mit Katrin klar abgesprochen, dass ab Saisonbeginn der Besuch bei uns zu Hause klar eingeschränkt wird. Wir werden höchstens zwei Menschen in unser Haus lassen, die nicht der Familie angehören.

Würden Sie sich impfen lassen, wenn Swiss Ski Morgen ein paar Dosen «Anti Corona» erhalten würde?
Ich würde sicher nicht von Grund auf «Nein» sagen. Aber bevor ich mir eine solche Spritze verpassen würde, möchte ich schon noch ein paar grundlegende Details wissen. Woher kommt dieser Impfstoff, wie wurde der Stoff genau getestet? Und natürlich möchte ich eine genaue Auskunft bezüglich den Nebenwirkungen erhalten.

Sie sind bekannt dafür, dass ihr sportliches Interesse weit über die Skispitzen hinaus geht. Wie viele Geister-Spiele hat sich der Sport-Junkie Feuz im letzten halben Jahr im TV angeschaut?
Ehrlich gesagt, kann ich derzeit fast nicht hinsehen, wenn im Fernseher Eishockey, Fussball, oder Tennis läuft. Bei Tennis-Übertragungen vermisse ich die Reaktion der Zuschauer ganz besonders.

Feuz ist fokussiert: Am Wochenende beginnt die Abfahrts-Saison.
Foto: Sven Thomann
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Warum?
Im Fussball und Eishockey jubeln nach einem Tor zumindest die Teamkollegen mit dem Schützen. Aber im Tennis kann ein Spieler nach einem wunderschönen Punkt, der im Normalfall beim US-oder French-Open von 17 000 Zuschauern bejubelt wird, seine Emotionen derzeit mit niemandem Teilen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich der eine oder ander Tennis-Star für seine eigenen Emotionen schämt, weil er keine Reaktion von der Tribüne bekommt. Und das ist für mich als TV-Zuschauer richtig trostlos.

Werden die Übertragungen von «Geister-Abfahrten» ähnlich trostlos?
Als Rennfahrer werde ich das Publikum auf der Ziel-Tribüne ganz sicher vermissen, aber im TV fällt eine Ski-Übertragung ohne Publikum weniger stark ins Gewicht als in anderen Sportarten. Die Kameras werden an den genau gleichen Schlüsselstellen stehen wie vor der Pandemie. Die Bilder von den Sprüngen über den Wengener Hundschopf oder in die Kitzbüheler Mausefalle werden auch so spektakulär rüberkommen.

Sie könnten in diesem Winter vier besondere Marken aufstellen. Sie könnten als erster Abfahrer in der Weltcup-Geschichte zum vierten Mal am Lauberhorn gewinnen. Sie könnten als erster Schweizer zum vierten Mal in Folge Abfahrts-Welcupsieger werden. Sie könnten der erste Abfahrer seit Aksel Lund Svindal sein, der zum zweiten Mal WM-Gold in der Königsdisziplin gewinnt. Uns sie könnten erstmals auf der Streif in Kitzbühel triumphieren. Welchen dieser vier Titel würde ihnen am meisten bedeuten?
Die vierte Kugel für den Sieg in der Abfahrts-Gesamtwertung. Es gibt rein sportlich nichts Wertvolleres, weil du dafür über eine Saison konstant auf Top-Niveau fahren musst. Vor meinem ersten Kugel-Gewinn habe ich aufgrund von meiner Verletzungsgeschichte nie daran geglaubt, dass ich jemals diesen Gesamtsieg auch nur ein einziges Mal einfahren kann.

Im letzten Winter war Dominik Paris bis zu seinem Kreuzbandriss in der Kitzbühel-Woche ihr gefährlichster Widersacher im Kampf um die Abfahrts-Kugel. Wie stark stufen Sie den Italiener jetzt ein?
Wir haben vor ein paar Wochen in Cevinia mit den Italienern Super-G trainiert. Dabei hatte ich das Gefühl, dass Paris bezüglich seinen Knie keine Probleme hat. Er hatte ja an seinem Knie keine Vorschädigungen und so viel ich weiss, sind bei der Kreuzbandverletzung im Januar der Meniskus sowie der Knorpel unversehrt geblieben sind. Deshalb gibt es für mich keinen Grund, warum «Domme» nicht sehr stark zurückkehren sollte.

Hatten Sie in diesem Jahr mal Kontakt mit dem ehemaligen Abfahrts-Weltmeister Peter «Pitsch» Müller (63)?
Nein, warum?

Weil Sie Müller im letzten Winter in einem Interview mit dem Tagesanzeiger als «schlechtes Vorbild für den Nachwuchs» bezeichnet hat. Müller meint, dass es ein schlechtes Signal für junge Skifahrer sei, wenn der Feuz als erfolgreichster Schweizer Abfahrer das Konditions Training zu locker nehme …
Ein Kollege hat mir den Artikel mit Müllers Aussage über mich geschickt. Ich hatte dafür aber nur ein müdes Lächeln übrig. Wenn Pitsch das Gefühl hat, dass ich für meine Erfolge zu wenig trainieren müsse und deshalb ein schlechtes Vorbild für den Nachwuchs darstelle, dann soll er das halt denken. Aber in Wahrheit haben diese Aussagen von Müller weder Hand noch Fuss. Du kannst mit Talent alleine nicht drei Mal hintereinander den Abfahrts-Weltcup gewinnen, jeder Athlet muss heute dafür sehr gewissenhaft und vor allem spezifisch trainieren.

Ein ganz anderes Thema: Im Gegensatz zu einem Marco Odermatt singen Sie nicht mit, wenn bei einer Siegerehrung die Schweizer Hymne gespielt wird. Sind Sie nicht textsicher?
Ich bin wahnsinnig stolz auf unser Land und unsere Hymne, ich höre sie extrem gerne. Und die erste Strophe würde ich auch knapp hinbekommen. Aber ich singe nicht mit, weil ich ein grausam schlechter Sänger bin. Mir hat es bei Siegererhungen schon mehrmals in den Ohren wehgetan, wenn ich als Zweit-, oder Drittplatzierterter mitanhören musste, wie fürchterlich falsch der Sieger seine Hymne gesungen hat. Da war für mich klar, dass ich das bei meine Siegen den Kollegen auf den Ehrenplätzen nicht antun kann.

Umso leidenschaftlicher fröhnen Sie unserem Nationalspiel. Ein Kumpel von Ihnen behauptet, dass Sie vor nicht allzu langer Zeit wegen der Jass-App auf ihrem Handy fast vor Wut zerplatzt sind. Stimmt das?
Ja. Ich habe über Jahre hinweg gespielt und war stolz, dass ich eine positive Bilanz hatte. Ich hatte ungefähr 1700 gewonnene Spiele und 1500 Niederlagen. Eines Tages musste ich auf dem Handy ein Software Update machen. Ein paar Tage später habe ich ein paar «Jäss» gemacht und wollte danach meine Statistik anschauen - und dann hatte ich plötzlich nur noch ein Sieg und drei Niederlagen. Wirklich sehr ärgerlich!

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