Unspunnen-Favorit Armon Orlik
«Es gibt auch in zehn Jahren keine Profi-Schwinger»

Am Aargauer Kantonalen erlebt Armon Orlik (22) einen Schreckmoment. Den hat er inzwischen verarbeitet. Im Interview spricht er auch über Geld und Tanzshows.
Publiziert: 21.08.2017 um 20:45 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:00 Uhr
Marcel W. Perren

Armon, im letzten Jahr haben Sie sechs Kranzfeste gewonnen. In dieser Saison waren’s bis heute zwei. Gibt es zwischen Ihrer akutellen- und der Form vom Vorjahr einen gravierenden Unterschied?
Armon Orlik:
Ich bewege mich auch jetzt auf einem sehr guten Niveau, speziell bezüglich Fitness. Ich habe eine super Ausdauer und gute Kraftwerte. Aber wahrscheinlich war ich technisch im letzten Jahr ein bisschen unberechenbarer.

Graubündens Schwinger-Denkmal Stefan Fausch glaubt, dass Ihnen in dieser Saison der Killerinstinkt fehlt. Hat er recht?
Sagen wir es so: Mir hat auf dem Brünig speziell in den gestellten Gängen gegen Matthias Aeschbacher und Simon Anderegg der letzte Biss gefehlt. Anderegg und Aesch-bacher sind beides hervorragende Schwinger in der Defensive. Wenn du gegen sie eine Siegchance haben willst, musst du von der ersten Minute an Vollgas geben. Und das habe ich eben nicht getan. Aber mein Formaufbau ist vor allem auf den Saisonhöhepunkt am Unspunnen ausgerichtet. Darum bin ich zuversichtlich, dass ich bis dahin einen Zacken zusetzen kann.

Am 7. Mai blieben Sie am Aargauer Kantonalen nach der Niederlage gegen Bruno Gisler mit Lähmungserscheinungen im Sägemehl liegen und haben danach vor allem aufgrund von mentalen Problemen eine Wettkampfpause von fünf Wochen eingelegt. Haben Sie diesen Rückschlag inzwischen gänzlich weggesteckt?
Wenn ich im Sägemehl stehe, denke ich eigentlich nicht mehr daran. Und wenn neben dem Ring noch einmal ein Gedanke an dieses Erlebnis zurückkommt, kann ich mittlerweile gut damit umgehen. Ein solcher Gedanke löst bei mir keine lähmende Angst mehr aus. Stattdessen trichtern mir solche Gedanken mittlerweile eine gesunde Portion Vorsicht ein. Meine Angriffs- und Kampfeslust ist nicht gehemmt, aber ich trage seit dem Unfall gegen Gisler noch mehr Sorge zu meinem Körper und lege deshalb im Krafttraining manchmal lieber eine Scheibe weniger auf als früher.

Armon Orlik (r.) gewinnt gegen den Berner Simon Anderegg beim Schwägalp Schwinget.
Foto: KEYSTONE
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Wie müssen wir uns ein Kraft-Training mit Armon Orlik vorstellen? Wie viele Kilos meistern sie beispielsweise im Bankdrücken?
Ungefähr 140. Ich möchte aber festhalten, dass ich in meinen Einheiten im Kraftraum ein grosser Fan vom olympischen Gewichtheben bin. Es war nicht zuletzt mein Physiotherapeut der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass die olympische Form des Gewichthebens, also Stossen und Reissen, einer optimalen Vorbereitung für den Schwingsport gleichkommt. Jetzt weiss ich, dass er recht hat. Weil auf diese Weise vor allem die schnellen Muskelgruppen aktiviert werden. Und das führt zur fürs Schwingen so wichtigen Explosivität.

Wie viele Kilos können Sie den maximal im olympischen Stossen und Reissen bewegen?
Ich bin noch am Lernen der richtigen Technik. Von Maximal-Krafttrainings kann deshalb in diesem Bereich noch keine Rede sein. Deshalb bewege ich im Stossen höchstens 80 Kilo und im Reissen ungefähr 50.

Sie haben Ihren makellosen Körper vor ein paar Wochen erstmals als Model für eine neue T-Shirt-Linie mit dem Namen Menco Patria eingesetzt. Wie wohl fühlten Sie sich bei ihrem ersten Ausflug in die Model-Welt?
Es war eine gute Erfahrung. Das Ambiente sehr locker. Wir fanden für dieses Shooting einen schönen Platz oberhalb von Maienfeld. Dabei sind Fotos entstanden, dir mir gut gefallen.

Auf einigen der Bilder tragen Sie ein Armon T-Shirt. Haben Sie das selber designed?
Nein, aber ich konnte einen gewissen Einfluss nehmen. Die Produzenten haben sich nach meinem Geschmack erkundigt. Und bei dieser Gelegenheit habe ich mich beispielsweise für einen V-Ausschnitt bei diesem Shirt ausgesprochen.

Diese T-Shirt-Linie soll Tradition mit der Moderne verknüpfen. Entspricht das auch Ihrer Lebensphilosophie?
Schon. Als Bauingenieur-Student versuche ich, moderne Mittel einzusetzen um Sport und Studium unter einen Hut einzubringen. Im Krafttraining  höre ich auch moderne Musik. Gleichzeitig sind mir die Fahnenschwinger und Alphornbläser an einem Schwingfest sehr wichtig. Das gibt mir ein schönes Gefühl von Heimat.

Waren Sie auch schon an der Street Parade in Zürich?
Ich habe einige Kollegen, die mich schon an die Street Parade mitnehmen wollten. Aber ich habe bis jetzt immer abgesagt. Ich will mich im Moment in erster Linie auf den Sport konzentrieren. So kurz vor dem Unspunnen-Schwinget liegt eine Veranstaltung wie die Street Parade für mich ganz einfach nicht drin. Da gehe ich lieber am Abend mit Freunden im Bündnerland eins trinken, damit ich bei Zeiten wieder nach Hause gehen kann. Ein gemütlicher Abend macht auch mich lockerer. An der Street Parade werde ich vielleicht später mal teilnehmen.

Schwingverbands-Geschäftsführer Rolf Gasser hat sich kürzlich in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung» zum Verhalten von jungen Schwingern geäussert. Er erzählte, dass sich sein Vater sehr daran störe, wenn er Schwinger in der Rolle von C-Promis in TV-Sendungen wie «Glanz und Gloria» sehe. Wie denkt Ihr Vater über «Glanz und Gloria-Schwinger»?
Auch mein Vater ist sehr traditionell und streng aufgewachsen. Ich weiss nicht genau, wie er über solche Auftritte denkt. Aber ich glaube, dass er das ein wenig lockerer betrachtet. Ich finde es okay, wenn ein Schwinger in solchen Shows auftritt – so lange er sich abei wohl fühlt, authentisch rüber kommt und den Schwingsport nicht lächerlich macht. Was ich bisher noch nicht erlebt habe.

In konservativen Kreisen wurde vor allem Remo Käsers Auftritt in der SRF-Tanzshow «Darf ich bitten?» kritisiert. Wie haben Sie den Auftritt Ihres Schwingkollegen erlebt?
Zu Remos Charakter hat er sehr gut gepasst. Das war genau sein Ding.  Und ich finde es echt cool, wenn er sich von kritischen Stimmen nicht beeinflussen lässt, sein Ding kompromisslos durchzieht. Zudem hat er mit diesem Tanz Leute angesprochen, die sich bis dahin nicht gross für den Schwingsport interessiert haben. Und ich finde es eben auch toll, wenn ich neue, junge Besucher an Schwingfesten sehen kann.

Aber Sie selber würden nie in einer Tanzshow auftreten?
Eher nicht, weil ich mich auf solchen Bühnen einfach nicht so wohl fühle wie Remo. Deshalb würde ich auch nicht so authentisch wirken wie er.

Früher mussten Schwinger auch am Tag nach einem harten Wettkampf zur Arbeit. Schwingerkönig Matthias Sempach hat sein Arbeitspensum mittlerweile auf 40 Prozent zurückgeschraubt. Wie viel Zeit können Sie ins Training investieren?
Ich halte mich in einem ähnlichen Bereich wie Sempach auf. Ich absolviere ein Teilzeitstudium, in das ich vor allem nach der Schwingsaison im Herbst viel Zeit investiere. Sobald das Training wieder beginnt, konzentriere ich mich zu 50 Prozent auf den Sport. Und weil ich immer Sommer während der Hauptsaison sowieso Semesterferien habe, kann ich mich in dieser Zeit voll auf den Sport konzentrieren.

Können Sie sich vorstellen, dass es spätestens in zehn Jahren Profis im Schwingen gibt?
Das glaube ich nicht. Es gehört nun einmal zu den Traditionen, dass ein Schwinger auch einer täglichen Arbeit oder Schulung nachkommt.

Nach ihrer Gala-Saison im letzten Jahr sind Sie in den Fokus vieler Sponsoren gerückt. Könnten Sie vom Schwingen leben?
Dazu hätte ich schon noch ein paar Sponsoren mehr suchen müssen. Im Moment ist es einfach so, dass ich mir den Sport so leisten kann, wie ich es immer haben wollte.  Was die Sponsoren in meine Person investieren, investiere ich in meine Zukunft. Ich wohne noch zu Hause und dank meinen Sponsoren kann ich Sport und Ausbildung perfekt unter einen Hut bringen. Ich kann mir die optimalen Trainingsbedingungen mit Massage und Physiotherapie leisten. Dieser Umstand macht mich sehr glücklich.

Hatten Sie seit dem Eidgenössischen Schlussgang in Estavayer noch einmal mit ihrem Bezwinger Matthias Glarner?
Ja, wir haben im Februar gemeinsam einen WK in Magglingen absolviert. An meinem persönlichen Verhältnis zu Matthias hat die Niederlage im Eidgenössischen Schlussgang nichts verändert. Ich schätze Glarner sehr als tollen Kameraden.

Was geht Ihnen heute durch den Kopf, wenn Sie sich nochmals die Bilder des Schlussgangs von Estavayer anschauen?
Ich bin beim Anblick dieser Bilder sehr zufrieden mit mir. Ich habe insgesamt einen tollen Eidgenössischen Wettkampf abgeliefert. Aber natürlich denke ich auch daran, was ich hätte anders und besser machen können.

Was würden Sie heute anders machen? Sind Sie auf den letzten Metern Weg zum Thron zu frech geworden?
Nein, das glaube ich nicht. Aber vielleicht hätte ich in der einen oder anderen Situation noch mehr die Brechstange auspacken sollen. Aber wer weiss? Vielleicht hätte ich auch mit der Brechstange verloren.

Wie grosse stufen Sie die Chancen ein, dass Sie in einer Woche am Unspunnen Ihren ersten Eidgenössischen Titel gewinnen?
Die Berner sind unbestritten sehr stark, aber natürlich sehe ich meine Siegchance. Doch diese Chance werde ich nur bekommen, wenn ich im Stil des letzten Eidgenössischen schwinge.

Wie gehen Sie eigentlich damit um, dass ihr Bruder Curdin seit dieser Saison ausgerechnet für die grössten Rivalen aus dem Berner Verband kämpft?
Grundsätzlich finde ich es sehr schade, dass er nicht mehr für uns Bündner schwingt. Gleichzeitig habe ich für seinen Wechsel vollstes Verständnis. Er hat seinen Wohnsitz ins Bernbiet verlegt, weil er dort studiert und seine Frau gefunden hat. Da ist es naheliegend, dass er jetzt auch für die Berner schwingt.

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