Heisse Diskussionen in der Schwinger-Szene
Liegt die Sägemehl-Zukunft in fixen Stadien?

Ein bereits bestehendes Stadion wird für einen Tag zum Schwing-Tempel. So geschehen am Berner Kantonalen. Ein finanziell lukrativer Weg, der aber nicht zur auf Zustimmung stösst.
Publiziert: 20.07.2022 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2022 um 05:56 Uhr
Nicola Abt

Die Nähe, der Austausch, das Zugehörigkeitsgefühl. Wer ein Schwingfest besucht, ist mittendrin statt nur dabei. Hautnah erlebt man die letzten Vorbereitungen der Athleten, spürt die Anspannung, sieht den tropfenden Schweiss. Und das alles Sekunden vor dem Kampf und aus wenigen Metern Entfernung. Der Blick über die kräftigen Schultern: Er fasziniert.

Vergangenes Wochenende am Berner Kantonalen nahmen die Schwingfest-Besucher für einmal in einer ungewohnten Umgebung Platz. Das Fussballstadion des FC Thun wurde kurzerhand in eine Schwing-Arena umfunktioniert. Wie die Gladiatoren im antiken Rom tauchten die Schwinger aus dem Bauch der Arena auf, marschierten mutterseelenallein zum Sägemehlring, bestritten ihren Kampf und tauchten mehrheitlich sogleich wieder in den kühlen Katakomben ab.

«Die Zuschauer waren zu weit weg»

Die Interaktion zwischen den Athleten und dem Publikum? Wurde während dem Fest auf ein Minimum reduziert. Die Fans durften den Kunstrasen nur bis zur weissen Out-Linie betreten. Gleiches galt für die Betreuer. Eine ungewohnte Distanz, die Thedy Waser, dem technischen Leiter der Innerschweizer, missfällt: «Die Zuschauer waren zu weit weg von den Sägemehlringen, aber sonst hat alles wunderbar funktioniert.»

In der Stockhorn Arena in Thun ging am Sonntag das Berner Kantonale über die Bühne.
Foto: Sven Thomann
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Auch Eidgenosse Roger Rychen vermisste die Nähe zum Publikum: «Ich sauge die Stimmung der Leute sehr gerne auf, was bei diesen Abständen aber schwierig ist.» Der Glarner fügt jedoch an, dass der Gang zum Sägemehlring auch etwas Angenehmes hatte.

Die Infrastruktur als grosser Pluspunkt

Der dreifache Kranzfestsieger Florian Gnägi ist mit dem Gesamteindruck zufrieden, meint aber: «Das Fussballfeld hat nicht die optimale Form für eine Schwingarena.» Optimal war dafür die bestehende Infrastruktur aus personeller sowie wirtschaftlicher Sicht, wie Toni Haldemann, der Pressechef des Berner Kantonalen, erklärt: «Wir mussten erst am Samstag – also acht Tage vor dem Event – mit den grossen Aufbauarbeiten beginnen. Die Tribünen, alle Medienplätze inklusive Stromanschluss und ein grosser Teil der Sanitäranlagen waren bereits vorhanden.»

Zum Vergleich: Der Spatenstich beim Innerschweizer, das in einer selbst erbauten Arena in Ennetbürgen stattfand, erfolgte etwas mehr als zwei Wochen vor dem Wettkampf. Die Kosten der Infrastruktur beliefen sich auf rund eine halbe Million Franken, wie OK-Präsident Peter Keller Blick mitteilt.

Innerschweizer Schwingfest in der Swissporarena?

Was im Bernbiet das Wankdorf oder die Stockhorn Arena ist, wäre in der Innerschweiz die Swissporarena. «Wenn ein kleiner Klub im Kanton Luzern für den Austragungsort verantwortlich ist und keinen passenden Standort findet, kann man diese Option sicher in Betracht ziehen», sagt Waser. Markus Lauener, der Obmann des Eidgenössischen Schwingerverbands, meint: «Dort, wo man die Chance hat, ein solches Stadion zu nutzen, macht das absolut Sinn.»

Marcel Durrer, der langjährige Speaker des Brünig-Schwingets und Eidgenössisches Ehrenmitglied, glaubt jedenfalls an eine Zukunft solcher Feste: «Die Platzsuche gestaltet sich immer schwieriger. Dies wäre die einfachste Lösung.» Aber der langjährige Schwing-Fan hebt den Mahnfinger: «Was bei einer regelmässigen Durchführung in Stadien allenfalls verloren gehen könnte, wären die Eigenarten der verschiedenen Kantone.» Denn: Grosse Sport-Arenen sind in der Schweiz dünn gesät.

Ob in Zukunft – wie 1977 im Basler St. Jakob-Park oder 1998 im Berner Wankdorf – ein Eidgenössisches in einer solchen Arena stattfinden wird? Es wäre ein Schritt in Richtung Redimensionierung, die aus Schwingerkreisen immer wieder gefordert wird.

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