Käser bringt Schwingen ins 21. Jahrhundert
«Ich frage mich, ob es den Muni wirklich braucht»

Er gilt als Riesen-Schwingertalent und als einer, der die Traditionen gerne modern auslegt. Das gefällt in der Szene nicht allen. «Es ist egal, was die Leute sagen», meint Remo Käser.
Publiziert: 12.08.2018 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:08 Uhr
Emanuel Gisi

Remo Käser, Sie haben sich auf dem Brünig endgültig zurück­gemeldet. Sind Sie fürs Bernisch Kantonale jetzt Mitfavorit?
Remo Käser:
Ich bin froh, dass ich nach zwei Festsiegen auch auf dem Brünig zeigen konnte, was ich ­draufhabe. In Utzenstorf will ich einfach Gang für Gang Vollgas ­geben, damit ich mir am Abend nichts vorwerfen muss.

Nach dem Ausrufezeichen auf dem Brünig werden Sie so ­langsam wieder mit den starken Jungen Orlik, Wicki und Giger ­genannt …
Moment! Giger hat diese Saison fünf Feste gewonnen, Wicki vier, Orlik drei. Sie sind nicht die starken ­Jungen. Sie sind die Stärksten in der Schweiz, sie und Stucki. Sie sind halt dazu auch noch jung. Aber ich bin froh, dass ich endlich gesund bin und zeigen kann, was ich draufhabe.

Ihre letzten Jahre waren von Verletzungen geprägt. Zu oft sind Sie zu früh zurückgekommen. Was machen Sie dieses Jahr anders?
Ich habe gelernt, geduldig zu sein. Dass es sich jetzt auszahlt, ist für mich umso schöner.

Remo Käser hat sich auf dem Brünig endgültig zurückgemeldet.
Foto: RUBEN SPRICH
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Sie sind früh Eidgenosse ­geworden, mit 18 Jahren. Haben Sie sich dadurch zu viel Druck ­gemacht und sind deshalb zu früh zurückgekommen? Um Ihren ­Status zu rechtfertigen?
Nein, das ist es gar nicht. Es ist halt ein Unterschied, ob einem jemand sagt, dass man nicht frisch wirkt und es ruhiger angehen sollte, oder ob man selber merkt, dass man eine Pause braucht. Man glaubt es nicht, bis man es nicht selber erlebt hat.

Sie haben sich als Sohn von Schwingerkönig Adrian Käser früh daran gewöhnen müssen, im Säge­mehl im Mittelpunkt zu stehen.
Oh ja (lacht). Bei den Jungschwingern haben meine Gegner immer ­extrem gejubelt, wenn sie mich ­bezwungen haben. Ich habe meinen Vater irgendwann gefragt, warum das so ist. Er hat es mir erklärt: ­«Deren Väter sagen ihnen im Voraus, dass du der Sohn des Schwinger­königs bist.» Das habe ich mir nicht ausgesucht, das war einfach so.

Aber Sie fühlen sich im Rampenlicht schon wohl?
Dadurch, dass mein Vater immer schon recht auf­geschlossen war und einer war, der auch für über­raschende Dinge zu haben war, habe ich früh schon gelernt, dass es nichts bringt, allzu grosse Berührungsängste zu haben.

Sie haben bei der SRF-­Tanzsendung «Darf ich bitten?» mitgemacht, sind bei einem ­grossen Energydrink-Hersteller unter Vertrag, werben für eine Reihe grosser Marken – Dinge, die in der Schwingerszene kritisch ­beäugt werden. «Der Käser macht alles mit», heisst es oft hinter ­vorgehaltener Hand über Sie.
Ich bin sehr stolz auf die Partnerschaften mit den Unternehmen, die ich habe, und kann voll dahinter­stehen. Dazu profitieren die Schwingfeste, der Verband und der Nachwuchs auch noch davon. ­Entweder macht man etwas richtig oder gar nicht. Und das verhält sich in allen Bereichen so. Sei es im Sponsoring, auf Social Media, in meiner Ausbildung zum Spezialist Bewegungs- und Gesundheitsförderung … Viele, die sich über mich ­äussern, wissen gar nicht, was dahintersteckt. Aber eigentlich ist es egal, was die Leute sagen. Ich habe gelernt, die Dinge so zu akzeptieren.

Was zu akzeptieren?
Dass einen manche Personen einfach nicht mögen. Ich höre oft von Leuten negative Dinge über mich, die haben im Leben noch keine fünf Minuten mit mir gesprochen. Das finde ich nicht korrekt. Ich habe niemandem etwas zuleide getan und bemühe mich selber, nicht negativ über andere zu reden. Ich versuche, darauf zu schauen, dass das, was ich mache, für mein enges Umfeld stimmt. Das ist entscheidend.

Man könnte es positiv sehen: ­Professionalisierung, Werbung, TV-Präsenz – Sie bringen das Schwingen ins 21. Jahrhundert.
Ich denke, es ist wichtig, dass man mit der Zeit geht. Natürlich gibt es viele grossartige Traditionen im Schwingsport. Die gilt es zu be­wahren. Was ist zum Beispiel den ­Zuschauern an einem Schwingfest wichtig? Dass sie an ein Fest ­kommen können, wo es friedlich ist, es keine Schlägereien gibt, keine Flaschen geworfen werden, wo sie einen gemütlichen Tag verbringen können. Dass Fairness gelebt wird, dass man respektvoll miteinander umgeht. Darum muss es doch ­gehen. Wir Jungen machen gewisse Dinge vielleicht einfach anders.

Sie sind auch unter den Jungen einer der unverkrampftesten im Umgang mit Medien und ­Sponsoren. Verstehen Sie die ­Berührungsängste anderer?
Ja klar. Viele machen sich zu grossen Druck. Wenn sie ein Interview ­geben, haben sie das Gefühl, sie müssten danach im Sägemehl etwas Besonderes machen. Oder wenn sie einen Sponsor haben, glauben sie, sie seien diesem etwas schuldig. Aber du gestaltest den Sponsorenvertrag ja nicht so, dass du davon ­abhängig bist, wie du schwingst.

Sie haben keinen Schwinger­könig-Bonus in Ihren Verträgen?
Doch, doch, das ist doch das Schöne. Wenn du dann noch Erfolg hast, dann schaut ein bisschen mehr raus. Wenn du schlecht schwingst, hast du einfach nicht so viel davon.

Gibt es auch Traditionen, bei ­denen Sie sich fragen, ob man das heute noch so machen würde?
Oha, da kann ich mich nur ins ­Fettnäpfchen setzen! Es gibt da ­etwas: Natürlich ist es schön fürs Foto, wenn der Festsieger einen Muni bekommt. Aber ganz ehrlich: Ich habe noch selten einen gesehen, der ihn dann wirklich mit nach ­Hause nimmt. Die meisten wollen den Geldwert haben. Gleichzeitig ist es für das Tier ein Riesenstress. Es wird da den ganzen Tag ausgestellt, bei dem ganzen Lärm durch die Arena geführt. Ich frage mich, ob es den Muni wirklich braucht. Aber das war immer so und wird auch so bleiben.

Wann kommt der Videobeweis?
Keine Ahnung. Beim Fussball konnte man es sich lange auch nicht vorstellen. Aber wenn man bei uns nach jedem Gang nachschaut, ob einer platt im Sägemehl war, dann werden wir bis zum Abend nicht fertig.

Wird es im Schwingen dereinst Profis geben?
Ein heikles Thema. Wenn einer das will, soll er es machen. Da sehe ich kein Problem. Aber wenn du nur Sport machst, versteifst du dich ­vielleicht dermassen darauf, dass du verzweifelst. Ich denke, es hilft, wenn es etwas anderes gibt, wenn man eine feste Tagesstruktur hat.

Das haben doch andere ­Profisportler auch.
Es gibt viele Sportarten, da können Sie mir sagen, was Sie wollen, die schlafen am Morgen erst einmal aus und schauen dann, was sie machen. Bei uns fängt das Schwingfest um 8 Uhr morgens an. Schon nur deshalb müssen wir unter der Woche früh raus – sonst bist du am Sonntag nicht bereit für den ersten Gang.

Kann man hundert Prozent arbeiten und ganz vorne dabei sein?
Ich glaube schon. Sämi Giger hat bis zur RS hundert Prozent gearbeitet. Und der ist schliesslich sackstark. Es geht also. Aber natürlich kannst du besser regenerieren, wenn du weniger arbeitest.

Wann kommt endlich die digitale Uhr, die anzeigt, wie lange der Gang noch dauert?
Das wäre eine zusätzliche Dienstleistung für den Zuschauer. Tissot (Käsers Sponsor, d. Red.) wäre bestimmt dafür zu haben. Aber Vorsicht: Heute weisst du als Schwinger nicht, wie lange der Gang noch geht. Wenn die Uhr daneben mitläuft, schielt der eine oder andere vielleicht früher darauf und fängt noch früher an, nur vorne zu greifen. Das hätte nicht nur Vorteile.

Der Schwingsport befindet sich auf einer Gratwanderung. Die Athleten dürfen Werbung machen, aber nicht in der Arena. Ausserhalb wird aber fleissig geworben. Ein Widerspruch?
Ein Schwingfest dieser Grösse kannst du ohne Sponsoren gar nicht mehr durchführen. Mit den Ticketverkäufen finanziert sich das nicht – ausser, wir kassieren 200 Franken pro Billett. Und das will niemand. Schwingen sollte für jedermann bezahlbar sein.

Es müsste ja nicht so gross sein.
Logisch, wenn ich sage, dass es ohne Sponsoren nicht so gross geht, sagen die Traditionalisten: Dann macht es doch kleiner. Aber Schwingen hat mittlerweile eine derartige Popularität, warum sollen wir Leute ausschliessen, die sich dafür interessieren?

Wo ist für Sie die Grenze? Wann wird der Schwingsport so gross, dass er seine Seele verliert?
Das weiss ich nicht. Was ich sagen kann: Als Athlet ist es ein Riesenerlebnis, vor einer Mega-Kulisse wie beim Eidgenössischen zu schwingen. Aber für die Veranstalter wird es natürlich immer schwieriger. Ohne Militär und Zivilschutz könnte man solche Anlässe gar nicht erst auf die Beine stellen. Ob das Schwingen so weiterboomt wie bisher, wissen wir aber gar nicht. Da muss nur mal etwas passieren, und dann kippt es vielleicht.

Was müsste passieren?
Eine gute Frage. Wenn einer etwas macht, das er nicht tun sollte …

Dopen zum Beispiel. Wir haben ja gerade den Fall Grab …
… den wollte ich eben nicht ansprechen. Das ist natürlich keine gute Werbung. Ohne dass ich die Hintergründe dazu kenne, möchte ich mich nicht über andere Personen äussern, gerade wenn es sich um so etwas Heikles handelt.

Sie spielen Golf, Eishockey, sind Fischer. Aus welcher Sportart möchten Sie sich am liebsten einen Trick klauen?
Ich bewundere die Ringer. Ich bin ja für einen Schwinger schon relativ stark in der Brücke, aber die trainieren das noch intensiver. Wenn ich auswählen dürfte: Die Brücke eines guten Ringers hätte ich gerne drauf.

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Steckbrief:
Eidgenosse Remo Käser (21) liegt das Schwingen im Blut. Sein Vater: Adrian Käser, Schwingerkönig 1989. Sein Onkel: Silvio Rüfenacht, Schwingerkönig 1992. Sein Nachbar, Freund, Vorbild, Klubkollege: Matthias Sempach, Schwingerkönig 2013, am Freitag vom Sport zurückgetreten. «Für mich ist sein Rücktritt sehr emotional, mehr möchte ich dazu vor dem Bernisch Kantonalen nicht sagen», so Käser. 4 Kranzfeste hat der Mann aus Burgäschi SO bereits gewonnen, 39-mal kam er in die Kränze (8 Bergkränze, 4 Teilverbandskränze). Käser ist mit Rebecca liiert, macht neben dem Sport derzeit eine Ausbildung zum Spezialist Bewegungs- und Gesundheitsförderung.

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