Hier begegnete der Überschwinger vor fünf Jahren seiner grossen Liebe
Die aussergewöhnliche Brünig-Geschichte von Samuel Giger

Noch fehlt Samuel Giger der Sieg beim wichtigsten Berg-Kranzfest im Palmarès. Mit der Brünig-Region verbindet den Überschwinger trotzdem ein ganz besonderes Verhältnis.
Publiziert: 30.07.2022 um 13:25 Uhr
Marcel W. Perren

Samuel Giger gibt bei seinen zahlreichen Siegerehrungen seit jeher ein ungewöhnliches Bild ab. Zumindest aus der Perspektive der traditionsbewussten Ostschweizer. Giger ist im Thurgau aufgewachsen, sein Vater ist Appenzeller, und dennoch trägt das Aushängeschild der NOS-Schwinger beim Rangverlesen ausnahmslos die Tracht der Berner Sennen – den Oberländer Kühermutz.

Das ist Gigers Hommage an die Familie seiner Mutter Hanni, deren Wurzeln in der Brünig-Region liegen. Samuels Grossvater Christian Schild war in Meiringen Unterbach Landwirt auf dem Katzenschwanz-Hof. Schild war ebenfalls ein talentierter Schwinger. Aber weil ihm sein Bergbauernbetrieb enorm viel Zeit abverlangt hat, kam das Training im Sägemehl oft zu kurz. Er konnte lediglich eine Handvoll Kränze gewinnen.

1982 ist Schild mit seiner Familie in den Thurgau ausgewandert. Die Kinder haben ihre Sprache aber behalten. Samuels Mama und Onkel Simon, der 1998 den eidgenössischen Kranz gewonnen hat, parlieren auch 40 Jahre nach ihrer Ankunft in Ottoberg im urchigen Oberhasler Dialekt. Und nun scheint der mit vier Saisonsiegen erfolgreichste Schwinger der Gegenwart dafür zu sorgen, dass in seiner Familie auch in der nächsten Generation «Haslitiitsch» geredet wird.

Vor fünf Jahren absolvierte Samuel Giger seinen bis anhin einzigen Wettkampf auf dem Brünig. Nach seinem spektakulären Auftaktsieg gegen Christian Stucki wurde der damals 18-jährige Thurgauer von den Berner Defensiv-Künstlern Thomas Sempach und Simon Anderegg gestellt.
Foto: Sven Thomann|Blicksport
1/7

Verbandelt mit einer bösen Oberländer Dynastie

Der Thurgauer Dialekt von Samuel Giger tönt zwar astrein, seine Herzdame Michelle von Weissenfluh ist aber eine waschechte Meiringerin. Die Blondine stammt aus einer Dynastie, die die Geschichte des Brünig-Schwingets in ganz besonderer Manier geprägt hat. Auch deshalb, weil Michelles Grossvater Peter in den frühen 60er-Jahren eine Verbotslinie überschritt.

«Ich war 16, als der Hasliberger Beat Thöni im Brünig-Schlussgang gegen Karl Meli eine Querschnittlähmung erlitten hat», erzählt der mittlerweile 79-jährige Peter von Weissenfluh. «Weil Beat ein guter Bekannter der Familie war, haben mir meine Eltern danach das Schwingtraining ausdrücklich verboten. Ich war dann aber für ein Jahr im Welschland, wo ich trotz der eindringlichen Worte meiner Eltern dem Schwingsport zu frönen begann.»

Weil Peter von Weissenfluh im Schwingkeller in Murten dem Schwingerkönig Willy Lardon begegnete, erlernte er dessen Spezial-Hüfter. Mit dieser königlichen Waffe lancierte der stämmige Spätstarter eine eindrückliche Karriere. Bis zu seinem Rücktritt im Herbst 1980 erkämpfte sich von Weissenfluh, der sich danach auch als Ländler-Musikant einen grossen Namen machte, acht Kranzfestsiege und drei eidgenössische Kränze. Bei seinem Heimfest auf dem Brünig gewann er neun Mal Eichenlaub.

Duell mit dem Bruder seiner Freundin?

Noch eindrücklicher ist die Brünig-Bilanz seines Sohns Christian (57), der 1993 ex aequo mit Niklaus Gasser triumphierte und den prestigeträchtigsten Berg-Kranz insgesamt zehn Mal gewinnen konnte. Und obwohl von Weissenfluhs ältester Sohn Peter (58) im Reich der Bösen körperlich klar unterlegen war (1,70 Meter, 78 Kilo), hat auch er 1992 beim Berg-Klassiker den Kranz gewonnen.

Peter von Weissenfluh ist der Vater von Gigers Schatz Michelle und von Kilian (26), der in diesem Jahr am Seeländischen und am Oberaargauischen obenaus geschwungen hat. Der gelernte Zimmermann, der seit dem letzten ESAF in Zug zum elitären Zirkel der Eidgenossen gehört, strebt am Sonntag seinen dritten Brünig-Kranz an.

Und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich Kilian von Weissenfluh im Verlauf des 117. Kräftemessens auf der Passhöhe mit seinem «Hobby-Schwager» Giger duellieren wird. Diese Paarung gab es zuletzt 2021 auf der Schwägalp. Ergebnis: «Sämi» besiegte «Kili», der in diesem Jahr erst einen Gang verloren hat, in der ersten Minute.

Auf dem Brünig hat Giger bis dahin übrigens erst einen Wettkampf bestritten. 2017 besiegte er hier im Anschwingen in spektakulärer Manier Christian Stucki, musste sich dann aber mit drei Gestellten (gegen Thomas Sempach, Bernhard Kämpf und Simon Anderegg) und dem fünften Schlussrang begnügen.

Bei der anschliessenden Kranzvergabe ist der 1,94-Meter-Gigant dann erstmals der Brünig-Ehrendame Michelle von Weissenfluh begegnet. Richtig gefunkt hat es zwischen den beiden im darauffolgenden Sommer anlässlich des Schwägalp-Schwingets.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?