Die aussergewöhnliche Geschichte vom Königs-Killer
Ein SMS rettete die Karriere von Schwinger Severin Schwander

Vor vier Jahren schien die Schwing-Karriere von Severin Schwander am Ende zu sein. Doch jetzt darf sich der gelernte Metzger Königs-Killer nennen.
Publiziert: 17.08.2021 um 17:19 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2021 um 19:53 Uhr
Marcel W. Perren

Letzten Montag um 05.30 Uhr. Severin Schwander beginnt in der elterlichen Metzgerei in Riggisberg BE sein Tagwerk. Dabei hätte er an diesem Morgen durchaus noch ein bisschen mehr Schlaf vertragen, schliesslich hat der 25-Jährige am Vortag absolute Schwerstarbeit verrichtet.

Rückblick: Im fünften Gang am Berner Kantonalen in Aarberg legt der 2,02 Meter lange Berner Mittelländer den 150 Kilo schweren Schwingerkönig Christian Stucki aufs Kreuz. «Für einen arbeitsfreien Montag hätte er das Kantonale schon gewinnen müssen», meint sein Vater Martin augenzwinkernd.

Während er beobachtet, wie sein Sohn knapp 14 Stunden nach seinem königlichen Wurf ohne Allüren einen Rindshinterviertel verarbeitet, schwillt die Brust des Seniors vor lauter stolz an. «Es ist wirklich enorm beeindruckend, mit wie viel Konsequenz und Willen Severin Beruf und Sport unter einen Hut bringt.» Im März 2017 hat aber selbst dieser so starke Willensmensch ernsthaft übers Aufgeben nachgedacht. Was ist passiert? Im Schwingkeller von Aarberg erleidet Severin in einem Trainingszweikampf mit Remo Käser heftige Verletzungen. Zuerst springt die Kniescheibe raus, im Spital wird anschliessend ein Anriss der Patellasehne sowie ein gravierender Knorpelschaden diagnostiziert. «Wenn ich in dieser Phase nicht ein ganz besonderes SMS erhalten hätte, hätte ich meine Schwinger-Laufbahn sehr wahrscheinlich beendet.»

Nachdem Severin Schwander am Berner Kantonalen im Zweikampf gegen Schwingerkönig Stucki anfänglich ordentlich unter Druck geraten ist, nimmt dieser Gang eine sensationelle Wende.
Foto: Sven Thomann
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YB-Physio half Schwander wieder auf die Beine

Es ist der vierfache Eidgenosse Roger Brügger, der mit einem SMS die sportliche Karriere von Schwander rettet. Inhalt der Nachricht: «Lieber Severin, ich kenne den perfekten Physiotherapeuten für dein Knie. Gruss: Roger.»

Ein paar Tage danach führt Brügger den arg lädierten Schwander erstmals in die Praxis von Tom Burri, dem langjährigen Physiotherapeuten der Berner Young Boys. Und dieser hilft Severin tatsächlich wieder auf die Beine. Vor dem Comeback im Sägemehlring setzt der Riese mit Schuhgrösse 49,5 aber als Berufsmann ein Ausrufezeichen – er gewinnt bei der Europameisterschaft für Fleischfachleute die Goldmedaille mit dem Team!

Nun hat sich dieser knallharte Arbeiter in der Corona-Pause als Athlet absolut goldig weiterentwickelt. «Vor der Pandemie hat sich Severin aufgrund seiner Körperlänge oft sehr ‹gschtabig› angestellt. Doch dieses Problem hat er mit gezieltem Rumpftraining gut in den Griff bekommen», lobt Roger Brügger.

Auf den falschen Gegner fokussiert

Dass es Severin am Berner Kantonalen trotz dem sensationellen Erfolg gegen Stucki nicht für den ersten Kranzfestsieg reicht, ist wohl auch auf die besonderen Umstände vor dem sechsten Gang zurückzuführen. «Nach meinem Erfolg gegen Chrigu haben mir mehrere Leute versichert, dass ich den Schlussgang gegen Kilian Wenger bestreiten werde. Ich habe mich deshalb gedanklich total auf Kilian fokussiert, bis man mir zehn Minuten vor dem Gang in den Ring mitgeteilt hat, dass nun doch Stucki den Schlussgang gegen Wenger bestreiten werde, während mein letzter Gegner plötzlich Johann Borcard war. Das hat mich ein bisschen aus dem Konzept gebracht.»

Er betont aber mit Nachdruck, «dass ich den Entscheid der Herren in der Einteilung, Stucki und nicht mich für den Schlussgang zu nominieren, vollkommen nachvollziehen kann. Chrigu hatte die stärkeren Gegner auf seinem Notenblatt. Aber es wäre für mich sehr hilfreich gewesen, wenn man mir die Entscheidung früher mitgeteilt hätte.» Weil er seinen letzten Gang gegen den Freiburger Borcard verliert, muss er sich am Ende dieses aussergewöhnlichen Sonntags mit dem vierten Schlussrang begnügen.

Hier haut Schwander sensationell König Stucki um
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Aarberg tobt:Hier haut Schwander sensationell König Stucki um

Severins Grossvater war ebenfalls ein Königs-Killer

Glücklich ist der neunfache Kranzgewinner, der vor seiner Metzgerlehre die Ausbildung zum Koch abgeschlossen hat, trotzdem. Auch deshalb, weil er mit seiner Leistung in Aarberg an seinen Opa Fritz Schwander erinnert. «Mein Grossvater hat vier eidgenössische Kränze gewonnen und war beim Nordwestschweizerischen 1962 der Erste, welcher den Aargauer Max Widmer in seiner Amtszeit als Schwingerkönig besiegen konnte. Nun bin ich der Erste, der König Stucki gebodigt hat!»

Obwohl Severins Grosspapa 2009 zu Grabe getragen wurde, lebt er in der Metzgerei seiner Nachkommen weiter. Auf der Etikette von Schwanders viel gerühmten Schwinger-Wurst ist der legendäre Fritz abgebildet.

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