Foto: keystone-sda.ch

Absage des Eidgenössischen?
König Glarner räumt mit den Gerüchten auf

Nur zehn Kilometer ist Matthias Glarner von der Brünig-Arena auf der Passhöhe aufgewachsen. Vor der Rückkehr auf seinen Hausberg spricht der amtierenden König über Manager, Werbung für Erotik-Artikel und den Ticket-Wahnsinn im Schwingen.
Publiziert: 27.07.2019 um 20:11 Uhr
|
Aktualisiert: 07.08.2019 um 15:05 Uhr
Marcel W. Perren

BLICK: Matthias Glarner, stimmt es, dass einem Haslitaler der Brünig-Schwinget noch mehr bedeutet als ein Eidgenössisches?
Matthias Glarner: Es ist auf jeden Fall so, dass in meinem Heimatdorf Meiringen übers Jahr hinweg mehr vom Brünig als von Eidgenössischen Anlässen erzählt wird. Entsprechend früh bin ich mit diesem Mythos konfrontiert worden. Jedes Mal, wenn mein Vater meinen Cousin Simon Anderegg und mich zu einem Jungschwingertag in der Innerschweiz chauffierte, hat er auf der Passhöhe mit dem Finger zur Arena hinauf gezeigt und gesagt: «Wenn ihr eines Tages selber da oben schwingen wollt, müsst ihr noch viele Kartoffeln essen.» Aufgrund von solchen Vorgeschichten gehört der Brünig-Schwinget im Sommer 2003 zu den emotionalsten Momenten in meiner Karriere!

Warum?
Da durfte ich noch vor meinem 18. Geburtstag auf dem Brünig im zweiten Gang gegen den Schwyzer Heinz Suter antreten, der damals zu den allerbesten Schwingern gehörte. Den Heinz habe ich ein paar Jahre zuvor mit glänzenden Kinderaugen an den Eidgenössischen in Bern und Nyon bewundert, wo er Jörg Abderhalden gebodigt hat. Auf einmal stand ich diesem Giganten selber gegenüber, ich konnte ihm bei dieser Gelegenheit sogar einen Gestellten abtrotzen. Am Ende des Tages war ich mit einer Punktzahl von 56.25 einer von lediglich vier Bernern, der diesen besonders prestigeträchtigen Kranz gewinnen konnte.

Mittlerweile haben sie zwölf Brünig-Kränze in ihrer Sammlung. Obwohl Sie sich drei Mal für den Schlussgang qualifizieren konnten, fehlt aber der Festsieg! Wie sehr nagt das an Ihnen?
Im Moment überwiegt die Dankbarkeit, dass ich jetzt zum ersten Mal seit meinem schweren Unfall vor zwei Jahren wieder an meinem Lieblingsbergfest ins Geschehen eingreifen kann.

König Matthias Glarner spricht mit BLICK über Manager, Werbung für Erotik-Artikel, seinen Gondel-Unfall und den Ticket-Wahnsinn im Schwingen.
Foto: Nick Soland
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Gab es nach Ihrem Sturz von der Hasliberg-Gondel aus zwölf Meter Momente, da Sie nicht mehr an eine Rückkehr geglaubt haben?
Vor der zweiten Operation habe ich an der Fortsetzung meiner sportlichen Laufbahn gezweifelt. Auch die Spezialisten haben sich zu diesem Zeitpunkt eher skeptisch geäussert. Ein Arzt sagte zu mir: «Nur einem absoluten Spinner könnte unter diesen Voraussetzungen ein Comeback gelingen.» Diese Aussage hat mir aber Mut gemacht. Denn ich wusste, dass einem Einzelsportler wie mir die Rolle des Spinners nicht allzu schwer fallen wird...

Rückblickend könnte man sagen, dass der Horror-Unfall das Beste war, was Ihrem Image und Ihrem Marktwert passieren konnte. Schliesslich gelten Sie jetzt als ähnlich unzerstörbar wie wie Österreichs Ski-Held Hermann Maier, der trotz seinem Jahrhundert-Crash in Nagano und einem lebensgefährlichen Töff-Unfall auf die Siegerstrasse zurückkehrte.
Ich habe tatsächlich im Spital die Biografie von Hermann Maier genau gelesen. Ich wollte wissen, wie er sich zurückgekämpft hat. Seine Geschichte hat auch mir viel Mut gemacht. Aber ich möchte aus meiner Geschichte keine Hermann-Maier-Helden-Story machen. Das passt nicht zu mir. Wenn Leute aus meiner Geschichte Energie schöpfen, ist das zwar schön und gut. Aber ich möchte nicht zu einem Helden hochstilisiert werden.

Weil Sie kein unantastbarer Held, sondern ein bodenständiger Arbeiter sein wollen, arbeiten Sie jetzt wieder bei der Hasliberg-Bahn. Wie sehr mussten Sie sich überwinden, als Sie nach Ihrem Unfall erstmals wieder auf einer Gondelstütze Reparaturarbeiten erledigen mussten?
Ich war gerade letzten Mittwoch wieder auf einer ungefähr zwölf Meter hohen Stütze, das hat mir keine Probleme bereitet. Aber ich gebe zu, dass ich am Anfang schon ein komisches Gefühl im Magen hatte. Und: Ich bin seit dem Unfall bei der Arbeit noch vorsichtiger geworden.

Ist es möglich, dass Sie Ende August auch sportlich Vorsicht walten lassen und aus Rücksicht auf Ihre Gesundheit auf die Titelverteidigung am Eidgenössischen verzichten?
Ich weiss, dass irgendwelche Leute in der Schwingerszene das Gerücht streuen, dass ich ernsthaft über eine Absage nachdenken würde. Aber das stimmt nicht, wenn nichts Unvorhersehbares dazwischen kommt, werde ich in Zug meinen Mann stellen. Und ich bin im Moment physisch in einer ähnlich guten Verfassung wie in meinem Königsjahr 2016. Deshalb glaube ich auch diesmal daran, dass für mich nach oben alles möglich ist.

Es gibt unzählige Menschen, die derzeit vergeblich nach Tickets für den Brünig und fürs Eidgenössische Ausschau halten. Wie viele Billette stehen eigentlich Ihnen zu?
Grundsätzlich erhalten selbst wir Aktivschwinger gar keine Billette für diese Anlässe. In meinem Fall ist es so, dass ich seit ein paar Jahren vom Schwingklub Meiringen zwei Tickets für meine Angehörigen erhalte. Diese Plätzte sind zwar nicht in der ersten Reihe, sondern irgendwo oben links unter einem Tannenbaum. Aber egal, ich bin extrem dankbar, dass ich in der Brünig-Arena überhaupt irgendwo Plätze habe.

Und wie siehts beim Eidgenössischen aus?
Da erhalte ich als König ein Ticket gratis, und im Gegensatz zu den meisten anderen Schwingern habe ich das Vorkaufsrecht auf zehn weitere Eintrittskarten. Meiner Meinung nach müsste es so sein, dass jeder Aktivschwinger ein Vorkaufsrecht haben sollte. Es kann nicht sein, dass Frauen oder Eltern der Hauptdarsteller keine Plätze auf der Tribüne haben.

Der Schwingsport nähert sich auch bei anderen Themen dem Fussball an. Immer mehr junge Schwinger werden von Agenten unter Vertrag genommen. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Ich betrachte das mit grosser Skepsis. Zum einen, weil dadurch der Druck auf diese jungen Leute noch grösser wird. Zum anderen frage ich mich, für was ein Bursche, der erst ein paar Kränze gewonnen hat, überhaupt einen Manager braucht? So gross ist die Nachfrage nämlich nun auch wieder nicht, dass man das am Anfang nicht selber bewältigen könnte. Zumal ein junger Sportler dabei auch noch Erfahrungen machen kann, die ihn als Person stärker machen.

Was halten Sie den von Samuel Gigers Philosophie, der bis dato sämtliche Sponsoren-und Manageranfragen ausgeschlagen hat?Ich finde Sämis Weg ziemlich cool. Er will zuerst etwas ganz besonderes leisten, bevor er sich in die finanziell lukrativen Schaufenster stellt.

Für welche Produkte würden Sie selber nie Werbung machen?
Für Suchtmittel oder für Erotik-Artikel.

Im Haslital hält sich ja sowieso das Gerücht, dass Matthias Glarner besonders gut auf die Hasli-Frauen aufpassen würde. Stimmt das?
Ich habe ein paar auswärtigen Schwingerkollegen eingetrichtert, dass sie sich erst dann im Haslital auf Brautschau begeben dürfen, wenn sie mich im Sägemehl besiegt haben. Dem Freund meiner Schwester habe ich gesagt, dass er nur dann bei ihr bleiben dürfe, wenn er im Zweikampf mit mir zumindest einen Gestellten schafft. Aber weil ich das natürlich nicht wirklich ernst gemeint habe, lebt meine Schwester weiter glücklich mit einem Fussballer zusammen.

Matthias Glarner

Nur zehn Kilometer von der Brünig-Arena auf der Passhöhe ist Matthias Glarner (33) aufgewachsen. Er holte in seiner Karriere 115 Kränze, 12 davon auf dem Brünig. Der Festsieg auf seinem Hausberg fehlt ihm allerdings noch. 2016 wurde der Berner Oberländer aus Meiringen Schwingerkönig. Im Jahr darauf stürzte er bei einem Fotoshooting an seinem Arbeitsplatz bei den Bergbahnen Hasliberg 12 Meter in die Tiefe. Seither kämpft er immer wieder mit Verletzungsproblemen.

Nur zehn Kilometer von der Brünig-Arena auf der Passhöhe ist Matthias Glarner (33) aufgewachsen. Er holte in seiner Karriere 115 Kränze, 12 davon auf dem Brünig. Der Festsieg auf seinem Hausberg fehlt ihm allerdings noch. 2016 wurde der Berner Oberländer aus Meiringen Schwingerkönig. Im Jahr darauf stürzte er bei einem Fotoshooting an seinem Arbeitsplatz bei den Bergbahnen Hasliberg 12 Meter in die Tiefe. Seither kämpft er immer wieder mit Verletzungsproblemen.

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Spitzenpaarungen am Brünig-Schwinget, 1. Gang

Pirmin Reichmuth – Kilian Wenger

Christian Schuler – Matthias Glarner

Joel Wicki – Bernhard Kämpf

Benji von Ah – Matthias Aeschbacher

S. Schurtenberger – Simon Anderegg

Mike Müllestein – Niklaus Zenger

Philipp Gloggner – Philipp Roth

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Alle Infos zum Eidgenössischen in Pratteln

Vom 26. bis 28. August dominieren Kolosse, Sägemehl und Zwilchhosen die Schweiz – das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 in Pratteln steht an. Hier findest Du alles, was Du über den Mega-Event wissen müssen.

Sven Thomann

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