«Die Verteidigung will einen Schuldbefund verhindern»
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Staatsanwalt zu Fall Estermann:«Die Verteidigung will einen Schuldbefund verhindern»

Dieses Foto überführt den Springreiter
Paul Estermann sagt nicht die Wahrheit

Springreiter Paul Estermann (56) betonte vor Gericht, dass er kein Tierquäler sei. Und dass er die Stute an Turnieren nie mit Sporen oder Peitsche geritten habe. Zumindest diese Aussage kann klar widerlegt werden.
Publiziert: 21.11.2019 um 01:31 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2019 um 10:18 Uhr
Das Verbandsgericht von Swiss Equestrian hat im Beschwerdeverfahren entschieden und zieht Springreiter Paul Estermann für vier Jahre aus dem Verkehr.
Foto: Keystone
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Nicole Vandenbrouck

Castlefield Eclipse und Lord Pepsi. Die Stute und der Wallach haben Paul Estermann in den letzten Jahren zu vielen Erfolgen getragen. Und mussten – wenn es nach mehreren Zeugenaussagen geht – von ihrem Reiter trotzdem einiges erdulden. Der Verdacht auf Tierquälerei steht im Raum. Estermann soll diese beiden Pferde in der eigenen Reithalle in Hildisrieden LU mehrfach und bis aufs Blut mit der Peitsche gegen den Unterbauch geschlagen haben.

«Sie ist ein heisses Pferd»

Dafür stand der 56-Jährige am Dienstag in Willisau LU vor dem Bezirksgericht, denn das Urteil der Staatsanwaltschaft, die ihn schon für schuldig befunden hatte, sowie die verhängte Geldstrafe akzeptierte er nicht. Estermann, der auf die Frage des Richters nach seinem Beruf mit «Landwirt» antwortet, nimmt da erstmals Stellung zu den happigen Vorwürfen.

Der Olympia-Reiter von London 2012 und EM-Bronze- Gewinner 2015 mit dem Team – beides im Sattel von Castlefield Eclipse, die er oft nur Milly nennt – beschreibt seine Pferde. Dass er ausgerechnet diese Stute gepeitscht haben soll, versteht Estermann nicht. Weil: «Sie ist ein heisses Pferd. (...) Mit einem Ferrari-Motor ohne Bremse. Ich habe sie sogar an grossen Turnieren ohne Sporen und ohne Peitsche geritten.» Das betont der Luzerner mehrmals.

Falsch! BLICK findet gleich mehrere Fotos, auf denen Estermann Milly reitet – deutlich erkennbar mit Sporen an seinen Stiefeln. Und dies auch zeitnah nach den ihm vorgeworfenen Misshandlungen. Beispielsweise beim Nationenpreis (!) des prestigeträchtigen CHIO in Aachen (De) im Juli 2016.

BLICK zeigt ein Foto einem Fachmann. Martin H. Richner, Präsident von Swiss Horse Professionals, bestätigt: «Auf diesem Bild ist deutlich erkennbar, dass der Reiter stumpfe Sporen trägt.»

Tierarzt sagte aus

Zumindest diese Aussage von Estermann kann also einfach widerlegt werden. Was den Auftritt des Springreiters – für den weiterhin die Unschuldsvermutung gilt – vor Gericht noch zwiespältiger erscheinen lässt, als er ohnehin schon war.

Denn der Kaderreiter bestreitet die Peitschenhiebe von Ende April 2016 vehement. Ins Stottern gerät Estermann aber, als ihn der Richter mit dem Bericht des Tierarztes konfrontiert, der von Dritten – sprich von Millys Besitzer – herbeigerufen worden war und Castlefield Eclipse am Folgetag untersuchte.

Er sagte gemäss Staatsanwalt aus, dass «das Pferd zahlreiche eindeutige Spuren von übermässigem Sporen- und Peitschengebrauch aufwies». Zweimal wiederholt Estermann, dass er sie nie mit Sporen und Peitsche geritten habe, die Verletzungen deshalb weder von Sporen noch Peitschenschlägen kommen können. «Ich weiss nicht, wie der Tierarzt darauf kommt. Sie kann sich auch sonst verletzt haben. Ich weiss es nicht», sagt der Springreiter weiter. Ein reines Gewissen tönt anders.

Für eine weitere Stellungnahme war Estermann nicht zu erreichen.

Das meint BLICK zum Fall Estermann

Verdacht auf mehrfache Tierquälerei. Als die Vorwürfe vor zwei Jahren publik wurden, hat sich Paul Estermann entschieden, dazu zu schweigen. Eisern. Er durfte aufgrund der Unschuldsvermutung weiterreiten. Und schwieg weiter. Bis zur Verhandlung am Dienstag.

Vor dem Richter nahm der Kaderreiter erstmals Stellung. Und redete sich um Kopf und Kragen. Er bagatellisierte, sprach von «Peitschli» statt Peitschen und «Chräbeli» (Kratzer) statt Wunden. Und betonte mehrmals, dass er die Stute Castlefield Eclipse auf Turnieren, wie auch zuhause, nie mit Sporen oder Peitschen geritten habe. Doch unzählige Fotos widerlegen diese Aussage.

Es geht nicht darum, DASS Paul Estermann mit Sporen reitet. (Zitat aus dem Lehrbuch: «Sporen dienen zur verfeinerten Hilfegebung.») Sondern darum, dass er ausgesagt hat, es nie bei ihr getan zu haben. Das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Man fragt sich, wo er sonst auch nicht ganz bei der Wahrheit geblieben ist. Ein überzeugender Auftritt sähe anders aus.

Der Staatsanwalt beschreibt Estermanns Persönlichkeit als aufbrausend und impulsiv. Es handle sich für ihn nicht um eine systematische Misshandlung, sondern ausgelöst durch Ehrgeiz oder Wut.

Beides wäre verwerflich. Ein Profi-Reiter müsste jegliche Situation im Sattel anders lösen können. Zumal Estermann als internationaler Spitzenreiter auch eine Vorbild-Funktion hat.

Verdacht auf mehrfache Tierquälerei. Als die Vorwürfe vor zwei Jahren publik wurden, hat sich Paul Estermann entschieden, dazu zu schweigen. Eisern. Er durfte aufgrund der Unschuldsvermutung weiterreiten. Und schwieg weiter. Bis zur Verhandlung am Dienstag.

Vor dem Richter nahm der Kaderreiter erstmals Stellung. Und redete sich um Kopf und Kragen. Er bagatellisierte, sprach von «Peitschli» statt Peitschen und «Chräbeli» (Kratzer) statt Wunden. Und betonte mehrmals, dass er die Stute Castlefield Eclipse auf Turnieren, wie auch zuhause, nie mit Sporen oder Peitschen geritten habe. Doch unzählige Fotos widerlegen diese Aussage.

Es geht nicht darum, DASS Paul Estermann mit Sporen reitet. (Zitat aus dem Lehrbuch: «Sporen dienen zur verfeinerten Hilfegebung.») Sondern darum, dass er ausgesagt hat, es nie bei ihr getan zu haben. Das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Man fragt sich, wo er sonst auch nicht ganz bei der Wahrheit geblieben ist. Ein überzeugender Auftritt sähe anders aus.

Der Staatsanwalt beschreibt Estermanns Persönlichkeit als aufbrausend und impulsiv. Es handle sich für ihn nicht um eine systematische Misshandlung, sondern ausgelöst durch Ehrgeiz oder Wut.

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Falschaussage ohne Folgen

Rechtslage – Nach Schweizer Recht muss sich der Beschuldigte vor Gericht nicht selbst belasten. Er hat die Freiheit, zu schweigen und das Mitwirken im Strafverfahren zu verweigern. Zwar ergibt sich daraus kein Recht auf Lügen, jedoch werden Unwahrheiten nicht sanktioniert. Eine Strafe droht, wenn der Beschuldigte mit bewusst falschen Aussagen eine andere Person belastet. Es ist unklug, vor Gericht zu lügen, da einsichtige und geständige Personen auf ein milderes Strafmass hoffen dürfen. Anders bei Zeugen, die nicht selbst bei der Straftat beteiligt sind, aber Aussagen dazu machen können. Sie sind zu Aussage und Wahrheit verpflichtet. Ausnahmen: Ärzte oder Pfarrer mit besonderem Berufsgeheimnis. Auch Ehepartner müssen sich nicht gegenseitig belasten.

Rechtslage – Nach Schweizer Recht muss sich der Beschuldigte vor Gericht nicht selbst belasten. Er hat die Freiheit, zu schweigen und das Mitwirken im Strafverfahren zu verweigern. Zwar ergibt sich daraus kein Recht auf Lügen, jedoch werden Unwahrheiten nicht sanktioniert. Eine Strafe droht, wenn der Beschuldigte mit bewusst falschen Aussagen eine andere Person belastet. Es ist unklug, vor Gericht zu lügen, da einsichtige und geständige Personen auf ein milderes Strafmass hoffen dürfen. Anders bei Zeugen, die nicht selbst bei der Straftat beteiligt sind, aber Aussagen dazu machen können. Sie sind zu Aussage und Wahrheit verpflichtet. Ausnahmen: Ärzte oder Pfarrer mit besonderem Berufsgeheimnis. Auch Ehepartner müssen sich nicht gegenseitig belasten.

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