Woods fährt trotz Rippenbruch
Das ist der wahre Held der Tour de France

Michael Woods (32) will nicht aufgeben. Auch mit zwei gebrochenen Rippen nicht. Sein innerer Schmerz ist noch viel grösser.
Publiziert: 24.07.2019 um 09:28 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2019 um 07:47 Uhr
Mathias Germann

Michael Woods kann nicht mehr. Sein ganzer Körper tut weh. Nie und nimmer wird er diese Bergetappe gewinnen. Dabei fehlen nur 450 Meter bis zum grössten Erfolg seiner Karriere. Dann schreit sein sportlicher Leiter in den Funk: «Tu es! Tu es für deine Familie, Mike. Tu es für deine Familie!»

Woods reagiert, zapft die letzten Energiereserven an, greift an und siegt solo. Gegenüber der BBC erzählt er: «Ich war in einer Welt des Schmerzes. Nie zuvor hatte ich das ­erlebt. Ich konnte nicht einmal mehr nachdenken. Aber ich wollte meinen verstorbenen Sohn ehren.»

Auf dem Arm und im Herzen immer dabei

Zehn Monate sind seit diesem Tag vergangen, als Woods die 17. Etappe der Vuelta hinauf nach Balcon de Bizkaia gewann. Vergessen wird er ihn nie. Zu viel hängt daran.

Michael Woods kämpft sich zum Sieg der 17. Etappe der Vuelta 2018.
Foto: AFP
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Wenige Wochen vor seinem Sieg verlor seine Ehefrau Elly das gemeinsame Kind in der 37. Schwangerschaftswoche. «Wir freuten uns riesig, es war schliesslich unser erstes Baby. Doch in der letzten Kontrolle teilte man uns mit, dass Hunter nicht mehr lebte.»

Hunter, so sollte das Kind heissen. Diesen Namen trägt Woods als Tattoo am rechten Arm mit sich – und auch in seinem Herzen, während er sich an der Tour quält.

Atmen fällt extrem schwer

Er stürzt in der 11. Etappe so unglücklich auf sein Funkgerät – dieses ist unter dem Trikot eingeklemmt –, dass zwei Rippen brechen. «Vor allem das Atmen bereitet mir Mühe», sagt er. Aber Aufgeben kommt nicht in Frage. Woods will sein Team Education First mit Leader Rigoberto Uran (9. im Gesamtklassement) nicht im Stich lassen.

Letztlich ist sein jetziger körperlicher Schmerz nichts im Vergleich zu seinem seelischen Leiden. Der tragische Verlust seines Sohnes im September 2018 begleitet ihn auf jedem ­Kilometer dieser Tour de France. «Es war der schlimmste Moment meines Lebens. Nie zuvor hatte ich jemanden verloren, der mir so nahe stand.»

«Hunter hat mich über die Ziellinie gebracht»

Noch mehr als er selbst litt seine Frau. «Es war unglaublich hart zu sehen, wie sie damit klarzukommen versuchte», erzählt Woods. «Mit dem Trauma. Und mit der Phase nach der Schwangerschaft, als ihr die Hormone signalisierten, dass sie eigentlich ein Baby gebären sollte – aber da war kein Baby mehr.»

Warum Hunter genau starb – darüber will Woods nicht reden. Vielleicht weiss er es auch gar nicht. Das Schicksal des sonst so fröhlichen Kanadiers schlug schon so hart genug zu. Er weiss nur: «Bei meinem Sieg an der Vuelta war es Hunter, der mich über die Ziellinie brachte.»

Und dann erzählt er vom Moment kurz nach jenem Sieg, als er seine Frau Elly anrief. «Sie sagte, dass sie mich liebt, und ich sagte ihr, dass ich sie liebe. Und dann haben wir nur noch geweint.»

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Im BLICK-Ticker gibt es alle Etappen der Tour de France 2019 nochmals zum Nachlesen. Verpassen Sie kein Ergebnis und Highlight des legendären Radrennens!

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