Radquer-Legende Albert Zweifel
«Dann hätte ich vielleicht auch gedopt»

Wir waren Helden! Radquer-Weltmeister Albert Zweifel über Damenstrumpfhosen und wie es ist, mit einem Schädelbruch 40 Kilometer lang zu fahren.
Publiziert: 02.02.2020 um 12:08 Uhr
Daniel Leu

Herr Zweifel, jetzt können Sie es ja zugeben: Haben Sie jemals gedopt?
Albert Zweifel: Ich wusste damals nicht einmal, was Doping ist. Deshalb kam ich gar nie in Versuchung. Heute weiss ich: Viele meiner Gegner waren gedopt, vor allem an den Rundfahrten. Hätte ich in der Zeit davon gewusst, hätte ich vielleicht auch gedopt. So ehrlich sollte man sein.

Sie wurden auch ohne Doping fünfmal Radquer-Weltmeister. Was war Ihr Erfolgsrezept
Ganz einfach: hartes Training.

Wie oft trainierten Sie?
Fünfmal täglich. Morgens ging ich Joggen, dann machte ich Gymnastik und danach gings für zwei Stunden auf die Strasse. Am Nachmittag trainierte ich im Gelände, und abends stand noch einmal ein Lauftraining an.

«Ich wusste damals nicht einmal, was Doping ist», sagt Albert Zweifel über die Zeit in seiner Profikarriere.
Foto: Sobli
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Woher dieser Wille?
Ich sah nur den Sport. In meinem letzten Schuljahr fand in Magglingen ein dreitägiges Trainingslager an. Mein Lehrer verbot mir die Teilnahme. Ich ging trotzdem und flog deshalb von der Schule. Doch das war mir völlig egal.

Andere Jugendliche feierten in dem Alter Partys.
Das war nie mein Ding. Ich hatte immer das Gefühl, ich müsse mehr trainieren als meine Konkurrenten. Während meine Schweizer Gegner Peter Frischknecht und Hermann Gretener nach dem Training auch mal Jassen gingen, stieg ich noch einmal aufs Velo.

Auch in Sachen Ernährung verhielten Sie sich hochprofessionell.
Zuerst ernährte ich mich so wie meine Gegner. Vor den Rennen gab es jeweils Steaks mit Reis. Dann fing ich mit Müesli und gesunder Ernährung an. Das war damals alles neu.

Einer Ihrer Sponsoren war aber der Salami-Produzent Sempione.
Jetzt kann ich es ja sagen: Ich habe höchst selten deren Salami gegessen.

Ab Mitte der 70er-Jahre dominierten Sie die Radquer-Szene nach Belieben. Machten Sie sich damit auch Feinde?
Vor allem die Schweizer Journalisten ärgerten sich darüber. Sie verlangten von mir, ich solle nicht immer gleich zu Beginn vorne wegfahren. Dies sei viel zu langweilig.

Kamen Sie der Bitte nach?
Extra verlieren? Das war nichts für mich.

Liessen Sie nie absichtlich einen Gegner gewinnen?
Nur einmal, bei einem Rennen in Altstetten. Damals liess ich meinem Teamkollegen Bernhard Woodtli den Vortritt, da er zu diesem Zeitpunkt noch kein Rennen gewonnen hatte.

Was erhielten Sie im Gegenzug?
Normalerweise war es üblich, dass man dann das Preisgeld kriegte. Ich habe es aber bis heute nicht erhalten.

Ihre Dominanz muss vor allem für Peter Frischknecht besonders bitter gewesen sein.
Er wurde bestimmt über zehnmal an der SM Zweiter hinter mir. Und auch an der WM lag er meist einen Platz hinter mir.

Hatten Sie Mitleid?
Ich war mir gar nicht bewusst, wie brutal das für ihn gewesen sein muss. Ich war damals einfach ein Egoist, der immer gewinnen wollte.

Was heute unvorstellbar ist: Zu Beginn Ihrer Karriere fuhren Sie mit Woll-Trikots.
Die wurden dann so richtig dreckig, schwer und zogen sich in die Länge. Das weisse Weltmeister-Trikot zu reinigen, war harte Knochenarbeit. Man musste das von Hand schruppen.

Wer übernahm diese Arbeit?
Meine damalige Frau. Sie bekam jeweils wunde Finger davon.

Wie oft wurde im Hause Zweifel die Waschmaschine benutzt?
Fast täglich. Während meiner Karriere gingen so zwei Waschmaschinen drauf.

Froren Sie jeweils während den Rennen?
Ja. Weil auch die Hosen aus Wolle waren, starteten wir immer mit kurzen Hosen, um weniger zu frieren. Und wenn es extrem kalt aber trocken war, trug ich Damenstrumpfhosen.

Ihre damalige Frau Rösli und Sie wurden gar Werbestars für Waschpulver.
Das war für Dixan. Wir wurden für den Dreh nach Wien eingeladen und drehten verschiedene Spots. Bei einem nahm ich das saubere Trikot aus der Waschmaschine und sagte dann: «Jetzt kann ich wieder trainieren.»

Im Sommerhalbjahr starteten Sie auch auf der Strasse. Warum reichte es nie zu einem Etappengewinn?
Ich war ein paarmal nahe dran. Dass ich nie gewonnen habe, wurmt mich heute noch. Doch ich war auf der Strasse halt bloss Mittelmass.

1976 stürzten Sie schwer.
In Gletsch lief mir ein Pfleger vors Velo, und wir stürzten beide. Da er einen Atemstillstand erlitt, ging die Ambulanz zu ihm. Mich hatte man gar nicht beachtet. Man wechselte mir das Vorderrad und ich fuhr die 40 Kilometer bis ins Ziel einfach weiter. Als ich dort ankam, wollte ich bloss wissen, wie viel Zeit ich verloren hatte.

Die Diagnose war dann eine schockierende.
Zuerst ging ich noch ins Hotel duschen. Erst danach fuhren wir in den Spital. Dort wurde ein Schädelbruch diagnostiziert. Der Arzt im Spital sagte mir, ich müsse den Beruf wechseln.

Sie fuhren weiter und durften 1981 gar an der Tour de France starten. Ging damit ein Traum in Erfüllung?
Ja, diese Erfahrung müsste jeder Profi einmal machen. Danach weiss man, was Härte ist. Nach zehn Tagen war ich bereits völlig kaputt. Trotzdem schaffte ich es noch nach Paris. Gegen die Tour de France ist die Tour de Suisse ein Bubenrennen.

Heuten verdienen die erfolgreichen Radprofis Millionen. Wie war es bei Ihnen?
Zu Beginn gab es vielleicht 50 Franken Startgeld. Später als Weltmeister waren es schon einmal 4000 Franken. Da ich später sehr viele Rennen fuhr, kam auch einiges zusammen. Mir wurden auch Skiferien bezahlt und ein Auto gratis zur Verfügung gestellt. Ich konnte mich nicht beklagen.

Heute gibt es in der Schweiz kaum noch Querrennen. Wie sehr schmerzt das?
Sehr, ich war vor kurzem an der SM in Baden. Bei den Männern gingen nur noch 16 Fahrer an den Start, bei den Frauen gar nur drei.

Woran liegts?
Die Jungen wollen alle nur noch biken. Und wer Querrennen fährt, der muss immer nach Belgien, da es hier nur noch wenige Rennen gibt.

Wie oft sind Sie noch auf dem Rad?
Vier- bis fünfmal pro Woche. So kommen im Jahr etwa 13'000 Kilometer zusammen. Schnell bin ich aber nicht mehr, denn vor zwei Jahren wurde bei mir eine Herzschwäche festgestellt. Deshalb habe ich jetzt einen Herzschrittmacher implantiert und muss es langsamer angehen. Das schmerzt schon. Im Herzen bin ich noch immer Spitzensportler.

Letzte Frage: Gibt es wirklich keinen Skandal, den Sie uns beichten möchten?
(überlegt sehr lange) Nein, da war wirklich nichts. Nur einmal in Muntelier wurde ich disqualifiziert, weil ich verbotenerweise das Velo in der letzten Runde gewechselt hatte.

Im BLICK stand damals: «Zweigel mogelte!»
So sehe ich das nicht. Ich wusste damals gar nicht, dass das verboten ist.

Persönlich

Der Zürcher Oberländer wurde im Quer fünfmal Weltmeister, gewann mehr als 300 Rennen und legte dabei gegen 120 000 Kilometer zurück. Auf der Strasse ist er mit 16 Teilnahmen an der Tour de Suisse Rekordhalter. Nach seinem Rücktritt 1989 hatte er bis 2014 für Max Hürzeler in Mallorca eine Radstation für Veloferien betrieben. Heute lebt er wieder das ganze Jahr in Rüti ZH.

Der Zürcher Oberländer wurde im Quer fünfmal Weltmeister, gewann mehr als 300 Rennen und legte dabei gegen 120 000 Kilometer zurück. Auf der Strasse ist er mit 16 Teilnahmen an der Tour de Suisse Rekordhalter. Nach seinem Rücktritt 1989 hatte er bis 2014 für Max Hürzeler in Mallorca eine Radstation für Veloferien betrieben. Heute lebt er wieder das ganze Jahr in Rüti ZH.

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War früher alles besser? Oder bloss anders? Dieser Frage gehen wir in der SonntagsBlick-Serie «Wir waren Helden!» nach. Und reden einmal pro Monat mit einer Schweizer Sport-Persönlichkeit über die guten, alten Zeiten.

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