Nachfolger von Cancellara?
«Marc Hirschi kann die Tour de Suisse gewinnen»

Zu den Favoriten auf den Tour-Sieg zählt Marc Hirschi nicht. Wer ihn unterschätzt, macht aber einen grossen Fehler.
Publiziert: 06.06.2021 um 11:06 Uhr
Mathias Germann

Seit Fabian Cancellara 2009 wartet die Rad-Schweiz auf den nächsten helvetischen Sieger der Tour de Suisse. Viel zu lange! Immerhin: Nun gibt es Licht am Horizont. In dieser Saison feierten Stefan Bissegger (23), Stefan Küng (28), Gino Mäder (24) und Mauro Schmid (21) bereits Siege. Gewinnt also einer von ihnen nun die Tour de Suisse? Kaum, einzig Mäder gilt als Rundfahrten-Talent. Doch da ist noch einer: Marc Hirschi.

Ruhig wurde es zuletzt um den 22-jährigen Berner, der 2020 wie ein Komet an den Rad-Himmel schoss. Ganz ungelegen kam ihm dies nicht, hat er doch ein schwieriges Frühjahr hinter sich. Der überraschende Teamwechsel von DSM zu UAE Emirates kostete Energie, Fuss- und Materialprobleme plagten ihn und auch die Weisheitszähne mussten raus. «Es kam viel zusammen», gibt er zu. Sein Manager und Vorbild Fabian Cancellara und sein neues Team hätten ihm aber geholfen. «Sie fingen mich auf», so Hirschi.

Kaum einer ist so cool wie Hirschi

Zuletzt bereitete sich Hirschi in Val d’Isère (Fr) in einem Höhentrainingslager auf die Tour de Suisse vor. Er fühlt sich immer besser. «Aber so gut drauf wie 2020 bin ich noch nicht», sagt er. Wir erinnern uns: Damals gewann Hirschi eine Tour-de-France-Etappe solo, siegte bei Flèche Wallonne und wurde WM-Dritter. Auf die Frage, ob er die Tour de Suisse gewinnen könne, antwortet Hirschi: «Das ist im Hinterkopf und ein grosses Ziel. In diesem Jahr ist das aber wenig realistisch.»

Sieht so der kommende Sieger der Tour de Suisse aus? Marc Hirschi sagt, dies sei «nicht realistisch».
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Dies sieht Rad-Routinier Michael Schär (34) anders. «Ich glaube, dass es Marc schon jetzt schaffen kann. Und wenn es ihm nicht in diesem Jahr gelingt, dann in den nächsten.» Man merkt sofort: Schär ist tief beeindruckt von seinem zwölf Jahre jüngeren Landsmann. «Marc ist neben seiner Klasse ein unglaublich cooler Fahrer. Viele junge Fahrer sind nervös und verlieren dadurch wertvolle Energie. Nicht so Marc, er ist tiefenentspannt.»

Gewichtsprobleme? Nicht bei Hirschi

Tatsächlich wirkt Hirschi wie ein Routinier – auf, aber auch neben dem Rad. Im Gespräch ist er entspannt, eloquent, er geht auf die Fragen ein, ohne sich dabei profilieren zu wollen. Und er gibt Schär, mit dem er bei der WM das Zimmer teilte, recht. «Ich bin schon entspannter als andere Fahrer. Am Abend vor einer Etappe befasse ich mich noch nicht mit dem Rennen. Das würde mich nur nervös machen, ich würde dann nicht gut schlafen. Am nächsten Morgen erhalte ich so oder so alle Infos», so Hirschi.

Locker, lockerer, Hirschi? Nicht ganz. Als Junior schrieb er alle seine Trainingswerte pingelig genau auf: Kilometer, Puls, Watt, Herzfrequenz, Geschwindigkeiten. «Je älter ich wurde, desto mehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass weniger oft mehr ist. Ich bin ruhiger geworden und weiss, was mir guttut», so Hirschi. Dabei profitierte er von einem Faktor, den andere belasten, ihn aber fast kaltlässt: sein Gewicht. «Ich muss bei der Ernährung nicht pingelig genau sein. Genetisch bedingt habe ich keine Probleme, um auf mein Renngewicht zu kommen.» Dieses beträgt 61 Kilo bei einer Grösse von 1,74 m.

Was ist, wenn Hirschi Gelb trägt?

Hirschi hofft, bei der Tour de Suisse einen Etappensieg einzufahren und ins gelbe Leadertrikot zu schlüpfen. «Beim Auftakt-Zeitfahren will ich nicht zu viel Zeit verlieren. Die zweite und dritte Etappe könnten für einige dann zu hart sein. Wer weiss, vielleicht schaffe ich es», sagt er.

Womit bereits eine der grössten Stärken des WM-Bronzemedaillengewinners zum Tragen käme: seine Zähheit. «Wenn Marc Blut leckt, wird man ihn fast nicht mehr los», erklärt Schär. Hirschi bestätigt: «Merke ich, dass ich vorne mitfahren kann, ziehe ich daraus Energie. Ob diese reicht, um die Tour de Suisse zu gewinnen, weiss ich nicht. Klar ist aber auch, dass ich das gelbe Trikot nicht kampflos abgeben würde.»

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