Foto: Sven Thomann

«Ich verdiene nichts»
Rad-Profi Imhof muss trotz Erfolgen finanziell unten durch

Er ist der beste Bahnfahrer der Schweiz. Und fährt auf der Strasse so stark wie nie zuvor. Dennoch dreht Claudio Imhof (28) jeden Franken zweimal um.
Publiziert: 14.06.2019 um 15:41 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2019 um 15:56 Uhr
Mathias Germann

Claudio Imhofs Zimmer ist spartanisch eingerichtet. Kein Schnickschnack. Nur ein Bett, ein Schrank, ein Tisch, ein Fernseher, zwei Fotos von ihm mit seiner Freundin. Mehr braucht der Thurgauer nicht. Doch da ist noch was. Konkret: Dutzende Medaillen hängen an den Wänden, Fotos von Rennen und Siegerehrungen sind eingerahmt. Erinnerungen, auch an alte Tage. «Radfahren ist halt das, was ich am liebsten mache», sagt er. Es hört sich fast nach einer Entschuldigung an, weil er es noch immer tut.

Imhof ist 28 Jahre alt – und seit 28 Jahren ist dieses Zimmer im Eltnernhaus in Sommeri TG sein Reich. Warum zog er nie aus? «Ich bin fast das ganze Jahr unterwegs, meine Freundin Marie-Lise studiert noch. Eine eigene Wohnung würde sich nicht lohnen», sagt er. Das ist eine Erklärung. Die andere ist: Imhof müsste sich weit strecken, um sich überhaupt eine Wohnung leisten zu können. «Ich verdiene nichts», gibt er unumwunden zu. Klar, er kassiert Preisgelder und hat kleinere Sponsoren, dazu gibt es Leute, die ihm unter die Arme greifen. Das alles aber reicht gerade so, um die Kosten – vor allem die Reiserei ist teuer – zu decken.

Bahnerfolge lohnen sich finanziell nicht

Dabei ist Imhof der beste Bahnfahrer der Schweiz und Leader des Nationalteams. «Unsere Lokotive», wie Nati-Trainer Daniel Gisiger meint. Im letzten Jahr führte Imhof den Vierer bei der EM in Glasgow (Schottland) zu Silber. Insgesamt 5 Medaillen hamsterte er an Grossanlässen, bei Olympia 2020 in Tokio möchte er die Sammlung weiter aufstocken.

Rad-Crack Imhof präsentiert seine Medaillen-Sammlung.
Foto: Sven Thomann
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Aber eben: Wer auf der Bahn in der Schweiz top ist, hat noch lange kein dickes Bankkonto. «Hätte ich nach meiner Lehre als Käser in diesem Beruf weiter gemacht, hätte ich jetzt einige Reserven mehr», sagt Imhof. Er bereut es trotzdem nicht, alles auf die Karte Radsport gesetzt zu haben. Imhof ist auch nicht enttäuscht, wütend schon gar nicht. Trotzdem hatte er zuletzt ein Gefühl, das er noch nie zuvor verspürt hatte. «Ich habe es einigen Leuten gezeigt», sagt er und meint damit Menschen, die ihm zum Aufhören rieten.

Daran dachte Imhof tatsächlich, als Ende 2018 seine zwei wichtigsten Sponsoren ihm einen Laufpass gaben. «Ich hatte einige schlaflose Nächte, wusste nicht, ob und wie es weitergehen würde», so Imhof. Doch der «Selbstvermarkter» erfand sich neu, heuerte bei einem Strassen-Team (Akros-Thömus) an, um eine Lizenz für Rennen zu erhalten. Zudem profitiert er davon, dass die UCI dem Antrag von Swiss Cycling für ein Nationalteam während der ganzen Saison statt gab. Imhof packte die Chance beim Schopf, zeigte an der Tour de Romandie starke Leistungen und gewann gar eine Etappe der Rhone-Alpes Isère Tour. «Ich wusste immer, dass ich es drauf habe. Ich bin stolz auf mich.»

Kein Wunder. Denn Imhof weiss, wie sich Rückschläge anfühlen. Er war oft verletzt, litt am Pfeifferschem Drüsenfieber («ich verlor die Lust an allem») und ständigem Übertraining. Gisiger: «Er meinte lange, er müsse sich nie erholen Das hat sich gebessert.» Imhof muss schmunzeln: «Meine letzten Ferien hatte ich vor einem Jahr. Ich ging wandern.»

Mit der Teilnahme an der Tour de Suisse erfüllt sich Imhof nun einen Kindheitstraum. Fährt er auch da stark, winkt vielleicht auch mit 28 Jahren noch ein Profi-Vertrag. «Ich würde Claudio sofort holen», sagt Gisiger. Und was ist mit einer eigenen Wohnung? Imhof: «Eines Tages wollen meine Freundin und ich schon zusammenziehen.»

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