Europameister Stefan Bissegger über unverschämte Fans
«Ich hätte das Telefon am liebsten weggeworfen»

Europameister Stefan Bissegger (24) zählt bei der WM in Australien zu den Anwärtern auf Zeitfahr-Gold. Auf seine Social-Media-Accounts schaut er schon länger nicht mehr – warum nicht?
Publiziert: 17.09.2022 um 12:44 Uhr
Mathias Germann

In der Jugend wurde Stefan Bissegger das eine oder andere Mal von seinen Konkurrenten ausgelacht. Warum? Unter anderem, weil er die Rennen mit einem Alu- statt einem modernen Carbonrad fuhr. Vater Bruno und Mutter Andrea hatten schlicht nicht das Geld, um ihrem Sohnemann die neuesten und teuersten Produkte zu kaufen. «Das hat mich nie gestört. Vielleicht war es rückblickend vielleicht sogar besser so», sagt Bissegger. Sicher ist: Längst lacht keiner mehr über den «Muni» aus dem Thurgau. Bissegger ist einer der besten Zeitfahrer der Welt, vor einem Monat holte er EM-Gold. «Das macht mich stolz», sagt er.

Zurückgelehnt hat sich Bissegger nach seinem Gold-Coup nicht. Sein nächstes Ziel ist eine WM-Medaille, «am liebsten die goldene», wie er anmerkt. Am Sonntag gilt es im australischen Wollongong (ab 5:40 Uhr Schweizer Zeit), 100 Kilometer südlich von Sydney, ernst. «Die Konkurrenz wird grösser sein als bei der EM, viele werden sich wohl steigern. Ich aber auch. Bei meinem Sieg war ich solide, aber nicht überragend – ich habe noch Luft nach oben», sagt er.

Freundin Céline nimmt ihm Arbeit ab

Genau solche Aussagen zeigen, wie Bissegger tickt. Er scheut sich nicht davor, Klartext zu reden. Dafür erntete er via Social Media auch schon Kritik. Da hiess es beispielsweise, er habe bloss eine grosse Klappe. «Ich bin ein Mensch, der selbstbewusst ist. Aber was ist daran schlimm? Ich respektiere jeden meiner Gegner. Das gefällt mir beim Zeitfahren – wenn einer schneller war als ich, hat er sich das verdient. Punkt. Und dann gratuliere ich ihm auch», so Bissegger.

Radprofi Stefan Bissegger (SUI) mit Freundin Celine und Katze Lio.
Foto: Sven Thomann
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Das Rad-Kraftpaket gibt aber durchaus zu, dass ihn die negativen Kommentare auf Instagram und Twitter auch schon zugesetzt hätten. «Stimmt, sie können wehtun. Ich werde auch oft markiert, dann poppt eine Meldung nach der anderen auf dem Handy auf – das stresst mich. Darum schaut sich mittlerweile meine Freundin Céline alles an und meldet mir nur das, was sie für wichtig hält. So habe ich den Kopf frei», erklärt Bissegger. Doch was nervte ihn früher besonders? Ihm kommt eine Episode in den Sinn: «Einmal schrieb jemand unanständig und fordernd, ich solle ihm per Post ein Trikot schicken, hätte ich das Telefon am liebsten weggeworfen – das ist einfach unanständig.»

Nachträgliche Geburtstagsparty?

Zurück zur WM. Die 34,2 praktisch flachen Kilometer mit den vielen Richtungswechseln sollten dem guten Techniker Bissegger liegen. «Wenn es nicht regnet», ergänzt er schmunzelnd. Der Hintergrund: Beim Auftakt-Zeitfahren der Tour de France stürzte er im Juli gleich zweimal. «Ich kam mit den Zeitfahrreifen nicht zurecht. Im Trockenen passt aber alles.» Und was, wenn es regnen sollte? «Dann würde ich diesmal die Reifen des Strassenvelos montieren – sie funktionieren gut», sagt er.

«Alle Australier hassen Velofahrer»

Der Kontrast könnte nicht grösser sein. 2021 fand die Rad-WM im Belgien statt. Also dort, wo Velo-Profis wie Helden verehrt werden. Ganz anders sieht das Ganze 2022 aus – die WM findet in Australien statt. Genauer: In Wollogong, 100 Kilometer südlich von Sydney. Gümmeler sind hier kaum auszumachen.

Stefan Küng (28): «Gestern machten wir bei einer Ausfahrt einen Halt in einem Café, als Einheimische zu uns kamen und meinten: ‹Ihr seid mit dem Rad bis hierher gefahren?› Sie fanden, das sei gefährlich und meinten: ‹Alle Australier hassen Velofahrer!›»

Küng selbst hörte auch schon davon, dass man Down Under Radfahrer nicht besonders respektieren würde. So entstünden immer wieder brenzlige Situationen auf den Strassen. «Aber wir haben uns auf einen Waffenstillstand geeinigt», so der Thurgauer schmunzelnd.

Letztlich fehle die Velo-Kultur im Land zwar, doch genau aus diesem Grund habe man sich um die WM beworben. «Man will hier etwas verändern, Velowege bauen und die Menschen für den Sport begeistern», so Küng.

Er selbst zählt im Zeitfahren am Sonntag (05:40 Uhr) zu den heissesten Anwärtern auf WM-Edelmetall. «Ich fühle mich gut für dieses letzte, grosse Saisonziel.»

Seine grössten Konkurrenten? Der Italiener Filippo Ganna («Er ist der Mann, den es zu schlagen gilt), der Belgier Remco Evenepoel («Er surft nach seinem Vuelta-Sieg auf einer Euphorie-Welle»), dazu Sloweniens Tour-Held Tadej Pogacar («Er kommt immer besser in Fahrt) und sein Landsmann Stefan Bissegger («Er ist Europameister, mehr muss man nicht sagen»).

Getty Images

Der Kontrast könnte nicht grösser sein. 2021 fand die Rad-WM im Belgien statt. Also dort, wo Velo-Profis wie Helden verehrt werden. Ganz anders sieht das Ganze 2022 aus – die WM findet in Australien statt. Genauer: In Wollogong, 100 Kilometer südlich von Sydney. Gümmeler sind hier kaum auszumachen.

Stefan Küng (28): «Gestern machten wir bei einer Ausfahrt einen Halt in einem Café, als Einheimische zu uns kamen und meinten: ‹Ihr seid mit dem Rad bis hierher gefahren?› Sie fanden, das sei gefährlich und meinten: ‹Alle Australier hassen Velofahrer!›»

Küng selbst hörte auch schon davon, dass man Down Under Radfahrer nicht besonders respektieren würde. So entstünden immer wieder brenzlige Situationen auf den Strassen. «Aber wir haben uns auf einen Waffenstillstand geeinigt», so der Thurgauer schmunzelnd.

Letztlich fehle die Velo-Kultur im Land zwar, doch genau aus diesem Grund habe man sich um die WM beworben. «Man will hier etwas verändern, Velowege bauen und die Menschen für den Sport begeistern», so Küng.

Er selbst zählt im Zeitfahren am Sonntag (05:40 Uhr) zu den heissesten Anwärtern auf WM-Edelmetall. «Ich fühle mich gut für dieses letzte, grosse Saisonziel.»

Seine grössten Konkurrenten? Der Italiener Filippo Ganna («Er ist der Mann, den es zu schlagen gilt), der Belgier Remco Evenepoel («Er surft nach seinem Vuelta-Sieg auf einer Euphorie-Welle»), dazu Sloweniens Tour-Held Tadej Pogacar («Er kommt immer besser in Fahrt) und sein Landsmann Stefan Bissegger («Er ist Europameister, mehr muss man nicht sagen»).

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Am letzten Dienstag feierte Bissegger seinen 24. Geburtstag. Wobei «feierte» das falsche Wort ist. «Das WM-Zeitfahren ist entscheidend, alles andere ist mir egal.» Im Falle eines WM-Titels fünf Tage danach würde Bissegger die Party aber sicherlich nachholen. «Das Regenbogentrikot zu gewinnen, ist eines der grossen Ziele meiner Karriere. Sollte ich es schaffen, lassen wir es krachen. Das wäre das schönste Geburtstagsgeschenk überhaupt!»

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