«Es könnte das Ende seiner Karriere bedeuten»
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Blick-Germann zu Flückiger:«Es könnte das Ende seiner Karriere bedeuten»

Die heissesten Fragen zu Mathias Flückiger
Dieser Doping-Fall schockiert die Schweiz

Mountainbike-Ass Mathias Flückiger (33) wird nach einer positiven A-Probe provisorisch gesperrt. Ein Schock. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum Fall.
Publiziert: 19.08.2022 um 16:06 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2022 um 09:57 Uhr
Mathias Flückiger wurde positiv auf das Anabolikum Zeranol getestet. Bisher hat er sich nicht dazu geäussert.
Foto: keystone-sda.ch
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Mathias Germann und Emanuel Gisi

Was ist passiert?

Am Donnerstagabend um 21:48 Uhr versendet Swiss Cycling eine brisante Pressemitteilung. Der Titel: «Mathias Flückiger wird nach positivem Dopingtest provisorisch gesperrt.» Das Schweizer Mountainbike-Ass sei anlässlich der Schweizer Meisterschaften in Leysin im Juni positiv auf die verbotene anabole Substanz Zeranol getestet worden. Der Verband sei am Donnerstagabend von Swiss Sport Integrity darüber informiert worden. «Es handelt sich um einen potenziellen Verstoss gegen Anti-Doping-Bestimmungen. Flückiger wird gemäss dem Doping-Statut von Swiss Olympic per sofort provisorisch gesperrt», heisst es im Communiqué.

Was sagt Flückiger?

Er ist aus München abgereist und zurück in der Schweiz, hat sich aber noch nicht geäussert. Wie Swiss-Cycling-CEO Thomas Peter bei «SRF» sagt, sei Flückiger nach der Nachricht «geschockt» gewesen. Ob Flückiger die Öffnung der B-Probe beantragen wird, ist offen. Bis es so weit ist, muss er sich aber nicht äussern.

Was ist Zeranol?

Ein Anabolikum, also ein muskelförderndes Mittel. Zeranol wird in der Tiermast eingesetzt. Offenbar ist das Produkt in weiten Teilen Europas längst verboten, in den USA aber nicht. Zeranol dient auch dem Fettabbau und wirkt damit ähnlich wie Clenbuterol, das bekannter ist. Dem zweifachen Tour-de-France-Sieger Alberto Contador wurde Clenbuterol 2010 zum Verhängnis, viele seiner Erfolge in den Jahren zuvor wurden aberkannt.

So krass ist die Substanz Zeranol
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Antidoping-König erklärt:So krass ist die Substanz Zeranol

Wie kommt Zeranol in den Körper?

Durch das Essen kontaminierter Nahrungsmittel oder bewusst durch die Einnahme von Tabletten. Neben verunreinigtem Fleisch könnte die Substanz auch durch einen Pilz in den Körper Flückigers gelangt sein, über ein schimmeliges Getreideprodukt zum Beispiel.

Wie häufig wird das Anabolikum als Doping verwendet?

Wie die Amerikanische Anti-Dopingagentur USADA schreibt, wurden innert 15 Jahre bei mehreren Millionen Tests weltweit nur sechs positive Fälle bekannt. Auch der Schweizer Anti-Doping-Chef Ernst König sagt: «Es gibt weltweit praktisch keine Fälle.» In der Tat gab es 2020 gerade mal zwei Fälle weltweit.

Warum dauerte es so lange, bis der Fall bekannt wurde?

Tatsächlich stammt Flückigers positive Probe vom 5. Juni, er gab sie im Rahmen der Schweizer Meisterschaft in Leysin ab. Der Grund: Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat spezifische Vorgaben, wie in der Analytik vorzugehen ist. «Und das wiederum heisst, dass die Analyse im Labor viel mehr Zeit beansprucht, als das bei verbreiteten Substanzen der Fall sein würde. Für uns ist das kein Standard-Fall, wir haben da sehr viel Arbeit hineingesteckt», erklärt König.

Wie viel Unruhe bringt der Fall ins Schweizer Mountainbike-Team?

Dass eine solche Meldung am Abend vor den Cross-Country-Bewerben öffentlich wird, ist für alle ein Schock. König: «Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass das Timing für den Athleten und den Verband nicht ideal ist. Aber wir können uns das nicht aussuchen. Als klar war, dass diese Substanz in der Probe vorliegt, mussten wir die provisorische Sperre aussprechen.»

Was sagt man in der Szene zu Flückigers Fall?

Vom «schwärzesten Tag in der Schweizer Mountainbike-Geschichte» spricht Bike-Legende Thomas Frischknecht vor dem Rennen am Freitag beim «SRF». «Tragisch, was passiert ist. Es gibt noch viele Fragezeichen», so der Schweizer Pionier weiter. Frischknecht, der Flückiger seit dessen Juniorenzeiten kennt, wolle den Mountainbiker nicht verteidigen, trotzdem solle man ihm das Recht geben, sich selber dazu zu äussern.

Ansonsten hält man sich bedeckt und schweigt. Kein Wunder, ist doch noch nichts endgültig bewiesen. Nino Schurter, der neunfache Weltmeister und Olympiasieger von 2016, ist übrigens nicht bei der EM – er konzentriert sich auf die WM von kommender Woche. Wir erinnern uns: Flückiger und Schurter waren Ende Juli beim Weltcup in Lenzerheide miteinander kollidiert, wodurch beide den möglichen Sieg verpassten. «Du bist nicht normal», rief ihm Schurter im Ziel zu. Fakt ist: Weil es keine Bilder des Unfalls gab, gab es letztlich keine Klarheit. Gegenüber den Zeitungen von CH Media meinte Flückiger kürzlich: «Es gab eine Aussprache. Ich spreche deshalb in der Öffentlichkeit nicht mehr über Lenzerheide», so Flückiger. Er sehe Schurter als Konkurrenten. «In einer Sportart, wo der Kampf Mann gegen Mann entscheidet, ist man Konkurrent. Nur Personen, die nichts von Spitzensport verstehen, sehen das vielleicht nicht so. Alles andere wäre nur gespielt!», so Flückiger.

Was sagt Flückigers Team, Thömus maxon?

Es lässt verlauten: «Bei Doping gilt im Team Thömus maxon Swiss Mountain Bike Racing Nulltoleranz. Das Team Thömus maxon will sauberen und fairen Sport. Es verurteilt Doping mit aller Entschiedenheit. Gemeinsam mit Swiss Olympic, Swiss Cycling und Swiss Sport Integrity und den weiteren involvierten Partnern werden wir die notwendigen Schritte einleiten, um die Situation abzuklären und anschliessend weiter zu beurteilen.»

Welche Möglichkeiten hat Flückiger nun?

Er kann die Öffnung der B-Probe beantragen. Ob er von der Möglichkeit Gebrauch machen wird, ist unklar. Die Stiftung Antidoping Schweiz hat Flückiger eine Frist gesetzt – diese ist allerdings nicht öffentlich, sondern Teil des Prozesses. König: «Auch wie lange das Verfahren dauern wird, ist schwierig abzuschätzen. Wichtig ist, dass alle beteiligten Parteien sich genügend Zeit nehmen, um seriös und detailliert herauszufinden, was passiert ist und wie die positive Probe zustande kommen konnte. Gleichzeitig haben wir überhaupt kein Interesse, dieses Verfahren länger dauern zu lassen, als es nötig ist.»

Wie stehen Flückigers Chancen, ohne Sperre davonzukommen?

Wie die Vergangenheit zeigt, werden die allermeisten A-Proben im Sport durch die B-Probe bestätigt. Sollte auch die B-Probe positiv ausfallen, liegt der Ball bei Flückiger. Er bekommt die Möglichkeit, seine Unschuld zu beweisen.

Was heisst das für die WM in Les Gets?

Die kann sich Flückiger zu 99 Prozent abschreiben. Denn: Das Cross-Country findet bereits am 28. August statt. Die provisorische Sperre dürfte weitaus länger andauern. Bitter: Flückiger erklärte in diesem Jahr stets, dass die Eroberung des Regenbogentrikots – der Weltmeister erhält es – sein grosses Saisonziel sei.

Droht Flückiger bei einer Sperre das Karriereende?

Ja. Sein Team betont, dass man über die weitere Zusammenarbeit mit Flückiger nach dem Vorliegen der B-Probe entscheiden werde. Eine weitere Zusammenarbeit wäre aber unrealistisch, sollte sie positiv ausfallen. Mit 33 Jahren ist Flückiger bereits ein Routinier, eine mögliche, Sperre wäre für ihn ein harter Schlag.

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Für wie lange könnte Flückiger gesperrt werden?

Das hängt davon ab, wie das Verfahren läuft und welche Argumente, Erklärungen und Beweise Flückiger auf den Tisch legen kann. Eine Sperre von zwei Jahren oder sogar vier Jahre wäre durchaus möglich.

Was bedeutet der Fall für den Mountainbike-Sport?

Sollte sich die Doping-Vermutung bestätigen, wäre dies ein harter Schlag – nicht nur für die Schweiz, sondern weltweit. In den letzten Jahren wurde der Sport immer populärer. Flückiger stand dabei durch seine Erfolge oft im Fokus, 2020 holte er bei den Olympischen Spielen in Tokio Silber und 2021 gewann er den Gesamtweltcup. Längst zählt er zu den ganz grossen Figuren des Sports.

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