«Erfolg macht süchtig – ich will mehr davon»
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Nach 90 km Monster-Flucht:So knapp verpasst Hirschi den Tour-Etappensieg

Alle feiern den Schweizer Rad-Star
Das sagt Hirschi über seinen Wahnsinns-Ritt

Marc Hirschi (22) sorgt bei der Tour de France für Spektakel. Nach einem 90 Kilometer langen Solo verpasst er den Sieg hauchdünn. «Klar, ich bin traurig», sagt er.
Publiziert: 06.09.2020 um 23:18 Uhr

Mut, Klasse und Leidenschaft: Marc Hirschi (22) hat alles. Und genau das zeigt er in der zweiten Pyrenäenetappe der Tour vor einem Millionenpublikum. Trotzdem verpasst der Berner den Sieg hauchdünn.

Bei seinem heroischen 90-Kilometer-Soloritt wird er kurz vor dem Ziel von den Top-Fahrern im Gesamtklassement eingeholt. «Das wars», denken alle, «jetzt ist Hirschi demoralisiert.» Tatsächlich? Denkste! Hirschi lässt sich nicht beirren, sprintet tatsächlich um den Etappensieg mit, liegt sogar vorne – und wird erneut abgefangen. Platz 3. Wütend schlägt der Schweizer Youngster rechte Hand auf den Lenker. Es fehlte wenig, so wenig zu seinem ersten Profi-Sieg. «Klar, ich bin traurig. Es war ein harter Tag und ich war nahe dran. Aber es hat nicht gereicht», sagt er. Dass er von Jury wegen unerlaubter Verpflegung auf den letzten 20 Kilometern eine 20-Sekunden-Strafe kassiert, ändert nichts an der grossartigen Leistung.

Am Ende gewinnt der Slowene Tadej Pogacar (21) die Etappe vor seinem Landsmann und Tour-Favorit Primoz Roglic (30). Der bisherige Leader Adam Yates (28, Gb) muss das Maillot Jaune an Roglic abgeben, vor dem heutigen Ruhetag bleibt die Ausgangslage im Gesamtklassement aber spannend.

Die Radsport-Fans jubeln dem Schweizer Marc Hirschi zu.
Foto: AFP
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Hirschi fährt teuflisch gut

Letztlich ist jedoch die Flucht Hirschis das Thema des Tages. Alle haben Mitleid mit dem U23-Weltmeister von Innsbruck 2018. Und alle hätten ihm den Etappensieg bei seiner ersten Tour gegönnt. Damit kann sich Hirschi nichts kaufen. Als er auf dem Podest zum kämpferischsten Fahrer des Tages gekürt wird, hebt er den Blumenstrauss nur kurz – er ist wohl für einmal froh, sein Gesicht hinter einer Maske verstecken zu können.

Dann erzählt Hirschi: «Ich habe mich immer auf mich konzentriert und an den Sieg geglaubt. Ich konnte schliesslich nicht beeinflussen, was hinter mir passiert.» Der zwischenzeitliche Vorsprung von fast fünf Minuten lässt nicht nur ihn, sondern auch die Schweizer Radsportfans träumen. Würde es den ersten helvetischen Tour-Etappensieg seit Fabian Cancellara 2012 (Prolog in Lüttich) geben? Die brutalen Rampen des Col de Marie Blanque (1035 Meter über Meer), dem letzten Hindernis des Tages, sprechen dagegen. Doch Hirschi kämpft, leidet und fährt mit einem Vorsprung von 15 Sekunden über die Passhöhe.

Acht Kilometer vor dem Ziel hat er dann gar 25 Sekunden Vorsprung – Hirschi, der teuflisch gute Abfahrer, rast allen davon. Er ist kurz vor dem Olymp. In der Fläche ist aber er gegen die Meute von hinten, die auch auf Bonifikationssekunden aus ist und darum kein Mitleid kennt, chancenlos. Er wird eingeholt. «Mein Team funkte mir zu, ich solle warten. Das habe ich gemacht. Ich bin ja auch nicht schlecht im Sprint. Aber ich war nicht gut genug.»

Das Fazit: Hirschi hat sein Meisterstück fast abgeliefert – nur die Krönung fehlte.

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