Zwischen Corona und Jubel
Die bizarren Spiele von Tokio

Die Olympischen Spiele von Tokio sind Geschichte. So erfolgreich sie waren aus Schweizer Sicht, so bizarr erlebte sie Reporter Emanuel Gisi vor Ort.
Publiziert: 08.08.2021 um 14:12 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2021 um 14:14 Uhr
Emanuel Gisi, stellvertretender Ressortleiter Sport, erlebte die bizarren Tokio-Spiele vor Ort. Er erlebte triste Stimmung und viele Schweizer Medaillen.
Foto: Thomas Meier
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Emanuel Gisi aus Tokio

Schauen wir auf die Schweizer Bilanz von Tokio, dann waren die Olympischen Sommerspiele 2021 phänomenal: 13 Schweizer Medaillen! Denkt man an all die Geschichten, die dahinter stecken, wirds noch besser: Von Schützin Nina Christens doppeltem Coup über die Schwimm-Sensationen bis zum dreifachen Mountainbikerinnen-Triumph – dann werden die Spiele noch grösser.

Aber das ist nicht die ganze Geschichte dieses Sommers. Es waren auch bizarre Spiele. Wer die 16 Wettkampftage in Tokio erlebt hat, fand sich in teils grotesken Situationen wieder. Beim Karate im Nippon Budokan, einem steilen, engen 14’000er-Stadion, das dafür gemacht ist, zum Hexenkessel zu werden, herrschte eine Atmosphäre wie bei einem Geräteturn-Wettbewerb am Samstagnachmittag im Schweizer Mittelland. Bitter.

Stimmungsmacher scheitert grandios

Beim Beachvolleyball versuchte es der Stadion-DJ verzweifelt mit der üblichen Stimmungs-Mucke, um irgendwie über die Leere auf den Rängen hinwegzutäuschen. Er scheiterte grandios.

Das Nationalstadion, in dem die Leichtathletik-Wettkämpfe ausgetragen wurden, ist ein wunderschönes Bauwerk. Es musste leer bleiben. Eigentlich eine Schande.

Neuansteckungen explodieren – eine Folge der Spiele?

Klar, Corona verlangt Opfer und wer trotz Pandemie Olympia will, muss Kompromisse machen. Trotzdem dürfte sich der eine oder die andere ab und zu gefragt haben: Ist es richtig, was hier gerade passiert? Zumal die Japaner die Austragung der Spiele nach wie vor kritisch sehen und die Covid-Infektionen im Grossraum Tokio gerade explodieren (4500 Neuansteckungen am Freitag, Tendenz stark steigend). Das IOC wird sich dafür feiern, dass nur rund 400 Neuansteckungen in den letzten 14 Tagen direkt mit den Spielen zusammenhängen. Aber Experten sprechen davon, dass Olympia mindestens dazu geführt haben dürfte, dass die Bevölkerung die Covid-Massnahmen weniger sorgfältig befolgte. Olympia brachte eine gewisse Sorglosigkeit nach Japan. Das werden Thomas Bach und seine Kollegen in ihrer vorhersehbaren Selbstbeweihräucherung selbstverständlich ausblenden.

Das alles schmälert nicht die Leistungen der Sportler und nicht die Emotionen, welche die Menschen rund um den Erdball dabei empfunden haben, mitzufiebern. Aber es macht diese Spiele zu einer bittersüssen Angelegenheit. Zu einer hoffentlich einmaligen Angelegenheit.

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