So erklärt Bronze-Schützin Nina Christen ihren Coup
0:34
Die erste Schweizer Medaille:So erklärt Bronze-Schützin Nina Christen ihren Coup

So tickt der Olympia-Star
Gold-Heldin Christen drohte am Druck zu zerbrechen

Die Schützin Nina Christen macht mit Bronze den ersten Olympia-Wettkampftag zum Schweizer Jubeltag – und doppelt eine Woche danach mit Gold nach. Weil sie sich vor fünf Jahren traute, alles auf eine Karte zu setzen.
Publiziert: 24.07.2021 um 11:55 Uhr
|
Aktualisiert: 31.07.2021 um 10:40 Uhr
Emanuel Gisi aus Tokio und Stefan Meier

Diese Frau hat wirklich Nerven wie Drahtseile. Nina Christen steht nach dem Bronze zum Auftakt unter grossem Druck. Sie glaubt, dass nur Gold oder Silber in ihrer Paradedisziplin den Bronze-Auftakt rechtfertigen können. Gemäss SRF habe sie mental in der Luft gehangen. Die Erlebnisse der letzten Woche seien alles andere als einfach zu verdauen gewesen.

Und dann das. Im Final des 50 m Dreistellungsmatch mit dem Kleinkalibergewehr ist von dieser Anspannung nichts zu spüren. Im abschliessenden Stehendschiessen macht sie alle Gegnerinnen fertig, produziert fast nur 10er-Treffer. Eine Leistung, nahe an der Perfektion. Gold mit olympischem Rekord!

Kein Wunder, fliessen bereits bei der Rangverkündigung die ersten Tränen.

Nina Christen ist unsere neue Gold-Heldin. Nach Bronze mit dem Luftgewehr holt sie den Olympia-Sieg im 50 m Dreistellungsmatch.
Foto: Christoph Köstlin/laif
1/13

Früher als Mädchen alleine unter Jungs

Christen hat das Schiessen im Blut: Der Grossvater war Schütze, der Vater war Schütze, Schiessen ist bei den Christens ein Familien-Ding. Als Frau war sie zu Beginn im Verein eine Exotin. «Es hatte sonst nur wenige andere Mädchen», sagt sie. Jetzt nicht mehr. «Nun ist es umgekehrt.» Warum es so ist, dass mehr Frauen die Fähigkeit haben, gut zu schiessen? «Vielleicht, weil manch eine Frau kleine, filigrane Dinge lieber macht», vermutet Christen. «Oder sie sagt sich eher: ‹Ich mache jetzt das und nicht zwei Dinge miteinander.›»

Mit diesem 10,7-Schuss sichert sich Christen Bronze
0:56
Erste Schweizer Medaille:Mit diesem 10,7-Schuss sichert sich Christen Bronze

Gelitten habe sie übrigens nie unter der Männerdominanz. Sie habe nie das Gefühl gehabt, nicht dazuzugehören. Und sowieso: «Das war gar nicht schlecht, ich musste mich manchmal eben ein bisschen durchsetzen. Das hat mir nicht geschadet.»

Studium abgebrochen

Seit fünf Jahren setzt die Nidwaldnerin aus Wolfenschiessen voll auf den Sport, trainiert in Magglingen, wo sie ein 50-Prozent-Pensum bei der Armee hat. Für den Traum vom Profileben hat sie alles aufs Spiel gesetzt. Im Oktober 2016 brach sie ihr Biologiestudium ab, das sie erst kurz zuvor in Angriff genommen hatte. Zu verlockend war das Angebot, alles in ihre Leidenschaft investieren zu können.

Es hat sich ganz offensichtlich gelohnt. Erreichte sie in Rio 2016 bereits den ausgezeichneten 6. Platz im 50 m Dreistellungsmatch, krönte sie nun ihre Karriere mit Gold und Bronze. «Sie ist ein grosses Talent», sagt ihr Trainer Enrico Friedmann dem «SRF». «Was sie besonders auszeichnet: ihre mentale Stärke.»

Jetzt muss sie mit dem Fallschirm springen

Die spielt sie auch im Final von Tokio aus. Sowohl mit dem Luftgewehr als auch im Dreistellungsmatch schiesst sie auf hohem Level ihre 10er, lässt sich vom steigenden Druck nicht aus der Ruhe bringen. «Unglaublich wichtig ist, dass man sich nicht darauf konzentriert, was noch kommen könnte und was war», sagt sie über ihr Rezept.

Vielleicht hat sie das auch einer besonderen Trainingsmethode zu verdanken. Coach Friedmann lässt im Training gerne auch mal laute Musik laufen, Hardrock à la AC/DC, zum Beispiel. Damit testet er ihr Nervenkostüm, will damit bezwecken, dass sie sich später im Wettkampf von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen lässt. «Er hat mir im Training schon so manchen Weltrekord vermasselt», so Christen einst in der «NZZ».

Offensichtlich hat es funktioniert. Die Olympischen Spiele hat Christen schon mal gerockt. Und vielleicht hilft es ihr auch bei einer anderen Herausforderung. Vor Olympia machte sie bei der Blick-Medaillenwette mit. Ihr Einsatz: Ein Fallschirmsprung. Ob sie sich darauf freut? «So halb-halb», sagt sie und grinst. Sie wird die Bedenken sicher überwinden. Wie immer.

Alle Schweizer Olympiasieger an Sommerspielen: Belinda Bencic, Tennis-Einzel in Tokio.
Foto: freshfocus
1/56
Olympische Sommerspiele in Tokio

Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.

Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?