Der Zuckerhut weinte mit
So viele Frauen-Tränen sahen wir noch nie

TV-Nachtvogel Roger Benoit über die 13. Olympische Nacht. Mit vielen Höhepunkten – und um 03.28 Uhr mit den Medaillen Nummer 99 und 100 für Amerika!
Publiziert: 19.08.2016 um 08:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:53 Uhr
Roger Benoit

Der Meilenstein wurde genau zehn Minuten vor der zweiten Bolt-Show erreicht. Im 400-Meter-Hürdenfinal der Damen: 1. Dalilah Muhammad, 3. Ashley Spencer. Wir gratulieren mit dem Stolz unserer bisher  fünf tollen Medaillen.

ORF: Fussball statt Olympia

Der österreichische Olympia-Kanal ORF 1 nutzte den Abend für eine Pause und Erholung auf dem grünen Rasen. Man sendete live die beiden Quali-Spiele für die Euro-Liga: Austria Wien – Trondheim Rosenborg (2:1) und  Trencin – Rapid Wien (0:4).

Endlich durfte gejubelt werden. Doch der Wiedereinstieg um 23.17 Uhr verhiess nichts Gutes. Moderator Rainer Pariasek sagte, dass Peter Schröcksnadel, der Vizechef der Austria-Delegation, in zwei Wiener Zeitungen auf die Athleten losgegangen sei. «Es fielen Worte wie Olympia-Touristen und fehlender Killerinstinkt. Klar, dass jetzt hier einige Rio-Teilnehmer angefressen sind.» Ja, wenn der Erfolg ausbleibt, müssen immer Schuldige her.

Freudentränen: Das französische Handball-Team feiert den Finaleinzug nach dem Krimi gegen Holland.
Foto: Getty Images
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Krach im Austria-Team

Die Seglerin Lara Vadlau, mit 22 Jahren immerhin schon Europa- und Weltmeisterin, schlug dann zurück: «Ich glaube, das Geld vom Verband kommt zuletzt bei den Athleten an – und mit 200 Euro pro Tag bekommen wir nie einen guten Trainer. Wenn sich die Sache nicht grundlegend ändert, hauen wir den Hut drauf!» Mit ihrer Kollegin Jolanta Ogar wurden sie bei den 470er-Booten Neunte…

Schon vorher hatte sich bei SRF2 eine Frau benachteiligt gefühlt, die Springreiterin Janika Sprunger (29). Sie wurde für den Einzelfinal aus der Mannschaft genommen, weil am Freitag nur drei Teilnehmer pro Nation starten dürfen. Wie Guerdat, Fuchs und Duguet hatte sich auch Sprunger an den zwei Tagen zuvor neun Fehlerpunkte notieren lassen müssen.

Kein Glück mit Bonne Chance

Janika, den Tränen mehr als nahe: «Niemand hat mich angehört, was ich zu sagen hätte. Ich weiss, es ist eine delikate Angelegenheit. Aber es ist sonst schon schwer, sich als Frau zu behaupten.» Ob die Baselbieterin ihren drei männlichen Kollegen (mit denen sie 6. im Nationenpreis wurde) jetzt die Daumen drückt. Es darf wohl gerätselt werden. Der Name ihres Pferdes «Bonne Chance»  hat ihr kein Glück gebracht.

Es blieb eine Nacht voller Emotionen und noch mehr Tränen. Wie beim Ringen bis 53 Kilo. Die japanische Nationaheldin Saori Yoshida, die bei den letzten drei Spielen jeweils Gold erobert hat, verliert um 22.52 Uhr im Final gegen die Amerikanerin Maroulis.

US-Girls scheiterten

Der ARD-Reporter: «Jetzt heulen dann gleich beide los!» Und so ist es. Wie beim Handball-Halbfinal-Krimi der Damen, Frankreich – Holland (24:23). Und noch mehr Tränen dann beim Volleyball-Knüller der Damen zwischen Topfavorit Amerika und Serbien. Die US-Girls verlieren im fünften Satz. Wir haben noch selten in so geschockte Gesichter bei Olympia 2016 geblickt.

Kurt Felix: Was soll das?

Die Leichtathletik-Nacht beginnt auf der ARD mit einem dummen Spruch: «Kennen Sie eigentlich noch Verstehen Sie Spass mit Kurt Felix? Oder sollte man mit Namen keinen Spass machen?». So wurde Kurt Felix, der Zehnkämpfer aus Grenada, beim Speerwerfen vorgestellt…

Die ARD hat sich bei den Doping-Geschichten längst auf die Pole-Position gesetzt. Das Thema verbreitet dem Sender irgendwie eine Lust auf neue exklusive Enthüllungen.

Direkt banal das Gespräch zwischen Moderator Claus Lufen und LA-Experte Frank Busemann. «Jetzt kommen ehemalige Dopingsünder zurück – und werden noch besser! Was sagt uns das?» Busemann, der frühere Zehnkämpfer: «Doping bringt nichts – und Dopingsünder sollten lebenslang gesperrt werden.» In Rio hat es ja schon Gewichtheber, Ringer und Kanu-Fahrer erwischt…

Traum aus, auf der Tribüne

Um 02.30 Uhr fieberten wir mit Selina Büchel im 800-Meter-Halbfinal. «Ich tue alles für meinen Traum», hatte sie auf den sozialen Netzwerken mitgeteilt. Sie wird in ihrem Rennen gute Dritte und muss mit der Zeit von 1:59,35 auf der Tribüne bangen, ob sie zu den zwei Lucky Losers gehört. Es sind ergreifende Bilder der leidenden Toggenburgerin. Im dritten Halbfinal sind die Dritte und Vierte schneller als Büchel – Platz neun. Aus. «Ich habe mein Bestes gegeben. Aber das ist jetzt hart. Schade.» Auch sie kämpft mit den Tränen.

Wieder siegt der König

Wir sehen um 02.57 Uhr das Finale der Zehnkämpfer: 1500- Meter-Lauf. Wir sehen die gezeichneten Gesichter der Helden der Leichtathletik. Am Ende siegt wie in London der König, der Amerikaner Ashton Eaton. Er holt 8893 Punkte vor dem jungen Franzosen Kevin Mayer mit 8834.

Um 03.38 Uhr der Auftritt von Usain Bolt. Eine halbe Stunde zuvor ein Wolkenbruch über dem Stadion. Es sollte laut ARD «ein enges Duell» gegen den Kanadier Andre De Grasse geben. Dieser ist mit 70 Kilo um 25 Kilo leichter als der Jamaikaner – und mit 1,76 Meter auch 20 Zentimeter kleiner..

Bolt: «Wie Ali und Péle!»

Bolt hat jedoch keine Lust auf Spielchen, zieht sein Ding ab, verfehlt aber den Weltrekord von 19,19 mit 19,78 Sekunden klar. Das achte Olympia-Gold. Auf der ARD sagt Usain, der am Sonntag 30 wird: «Ich bin noch nicht eingerostet. Ich will in die Liga von Muhammad Ali und Péle!»

Ruefer: «Das Ding ist aus!»

Das Schlusswort der TV-Nacht darf wie immer Sascha Ruefer aus der total verregneten Beachvolleyball-Arena an der Copacabana nach Europa herüberschreien. Um 05.46 Uhr: «Das Ding ist aus. Brasilien ist Olympiasieger. Jetzt kennt die Freude keine Grenzen. Denn nach Fussball ist Beachvolleball die wichtigste Sportart für den Gastgeber!»

Alison und Bruno Schmidt holen also das fünfte Gold für den Veranstalter– mit 21:19, 21:17. Nach einer Vierfach-Berührung der Italiener Lupo und Nicolai, die der Schweizer Schiedsrichter sofort erkannte. So waren wir also auch dabei.

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