Wasserspringerin Michelle Heimberg verrät, was sie verdient
«Ich muss oft überlegen, ob ich mir das leisten kann»

Kassensturz bei Europameisterin Michelle Heimberg. Das Beispiel der Wasserspringerin zeigt eindrücklich: Als Athletin aus einer Randsportart ist es schwierig, finanziell über die Runden zu kommen.
Publiziert: 23.05.2024 um 17:05 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2024 um 17:25 Uhr
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Daniel LeuStv. Sportchef

«Für mich ist Geld nicht alles. Dass ich wegen meines Sports im Alltag sparsam sein muss, stört mich kaum, denn ich darf meiner Leidenschaft nachgehen», sagt Michelle Heimberg. Die 23-Jährige ist die erfolgreichste Wasserspringerin der Schweiz. 2021 nahm sie an den Olympischen Spielen teil, und 2023 wurde sie vom Ein-Meter-Brett Europameisterin. Insgesamt gewann die Aargauerin schon sechs EM-Medaillen.

Für Blick öffnet Heimberg nun ihr Portemonnaie und zeigt, was es finanziell bedeutet, in einer Randsportart tätig zu sein.

Ihr Budget

Das ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich, im Schnitt liegt es bei 40’000 bis 50’000 Franken. «Es hängt stark davon ab, wie viele Wettkämpfe und Trainingslager ich absolviere», erklärt Heimberg. In diesem Budget nicht enthalten sind ihre Lebensunterhaltskosten, wie Miete (sie wohnt mit ihrem Freund zusammen), Lebensmittel und Versicherungen.

Michelle Heimberg gehört zu den besten Wasserspringerinnen Europas.
Foto: AFP
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Der grosse Geld-Check

In unserer Blick-Serie schauen wir in die Portemonnaies von Schweizer Sportlerinnen und Sportlern. Was verdienen sie? Welche Ausgaben müssen sie selber berappen? Und wie finanzieren sie ihr Leben? Einblicke, die nachdenklich machen, denn Athletinnen und Athleten – insbesondere aus Randsportarten – haben es hierzulande nicht leicht, über die Runden zu kommen, wie unser grosser Kassensturz eindrücklich aufzeigt.

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In unserer Blick-Serie schauen wir in die Portemonnaies von Schweizer Sportlerinnen und Sportlern. Was verdienen sie? Welche Ausgaben müssen sie selber berappen? Und wie finanzieren sie ihr Leben? Einblicke, die nachdenklich machen, denn Athletinnen und Athleten – insbesondere aus Randsportarten – haben es hierzulande nicht leicht, über die Runden zu kommen, wie unser grosser Kassensturz eindrücklich aufzeigt.

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Da Heimberg Studentin der Kommunikationswissenschaften und Medienforschung ist, kamen bislang ihre Eltern für einen Grossteil ihrer Lebensunterhaltskosten auf. «Neben Studium und Sport habe ich nur wenig Zeit, um auch noch zu arbeiten. Ohne die Unterstützung meiner Eltern könnte ich deshalb mein Leben nicht so führen, wie ich es momentan tue.» Seit kurzem arbeitet sie zusätzlich noch zu 30 Prozent für ein Zürcher Start-up-Unternehmen.

Ihre Einnahmen

Stiftung: Heimberg wird von der Fritz-Gerber-Stiftung mit einem tiefen fünfstelligen Frankenbetrag unterstützt. Diese gemeinnützige Organisation betreibt Begabtenförderung in den Bereichen Kunst, Musik, Handwerk und Sport.

Gönner: «Diesen Bereich versuche ich zurzeit voranzutreiben. Einzelne Privatpersonen haben mir letztes Jahr zusammen rund 2000 Franken gespendet. Das ist zwar noch keine Riesensumme, aber ein willkommener Zustupf, den ich gut gebrauchen kann.»

Sporthilfe: Zurzeit bekommt Heimberg einen Förderbeitrag von 24’000 Franken. Die Höhe des Geldbetrags hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem davon, wie ihre Perspektiven von Swiss Olympic eingeschätzt werden. Wer in den Genuss der Sporthilfe kommen will, muss jedes Jahr einen neuen Antrag stellen.

Preisgelder: «In unserer Sportart gibt es nur an grossen Titelkämpfen etwas zu verdienen: an der WM für die Top 8 und an der EM für die Medaillenränge. Für meinen EM-Titel 2023 erhielt ich 3000 Franken.»

Prämien: Für EM-Bronze 2023 vom Drei-Meter-Brett erhielt sie von Swiss Olympic 2000 Franken, für ihren EM-Titel 2023 vom Ein-Meter-Brett aber «nur» 1000 Franken, weil das keine olympische Disziplin ist.

Eigene Sponsoren: Die sind für eine Wasserspringerin wie Heimberg ein Problem, da der Weltverband nur ein einziges kleines Logo auf dem Badekleid duldet. «Deshalb habe ich vor allem Sachsponsoren, so darf ich zum Beispiel bei Skill Lab dank einer Partnerschaft günstiger trainieren.»

Militär: Ist Heimberg an Wettkämpfen oder in Trainingslagern, wird das wie ein WK behandelt, und sie bekommt EO-Beiträge (Erwerbsausfallsentschädigung). 2023 erhielt sie dadurch 7000 Franken.

Ihre Ausgaben

Im Vergleich zu anderen Randsportarten muss Heimberg sehr viele Kosten selber tragen. Mit Folgen. «Ich muss mir bei vielem überlegen, ob ich mir das leisten kann», erklärt sie, «das ist schade, denn ich weiss, dass es für meinen sportlichen Erfolg eigentlich zwingend notwendig wäre.»

Wettkämpfe: Von Swiss Aquatics wird nur bei Titelkämpfen ein Teil ihrer Auslagen übernommen, bei einer WM zum Beispiel 60 bis 70 Prozent. Für den Rest muss Heimberg selber aufkommen. «2023 bestritt ich Wettkämpfe in Kanada und China. Dabei habe ich alles selber finanziert, auch den Trainer und den Physio.» Ein Problem dabei: Die Hotels, in denen sie übernachten muss, sind vom Weltverband vorgegeben und tendenziell teurer, als wenn sie selber etwas buchen würde. Ein weiteres Problem: Beim Weltcup-Finale zum Beispiel werden die Kosten für den Trainer durch die Anzahl Schweizer Teilnehmerinnen und Teilnehmer geteilt. Da Heimberg 2023 aber die einzig Qualifizierte war, wurde ihr der gesamte Betrag in Rechnung gestellt.

Mentaltraining: Heimberg arbeitet pro Jahr regelmässig mit einer Mentaltrainerin zusammen. Kostenpunkt: 2500 Franken.

Physio: «Da wir nur ein bis zwei Sekunden in der Luft unterwegs sind, muss im Körper alles im Lot sein, damit ich meine Leistung abrufen kann. Deshalb bin ich auf einen Physiotherapeuten angewiesen.» Für ihn (inklusive Massage und Osteopathie) gab sie im letzten Jahr 3500 bis 4000 Franken aus. Auch fürs Krafttraining und Pilates muss sie selber aufkommen.

Fahrkosten: Heimberg lebt in Aarau, studiert in Zürich, trainiert in Bern, und die Kaderzusammenzüge finden meistens in Lausanne statt. Deshalb besitzt sie ein GA und kann bei Bedarf auf das Auto ihrer Eltern zurückgreifen. Insgesamt kommt sie so jährlich auf Kosten von rund 3000 Franken.

Ihr Fazit

Michelle Heimberg muss jeden Franken gefühlt zweimal umdrehen. Da sie kein Management hat, bleibt vieles an ihr hängen. Auch die Ungewissheit. «Manchmal frage ich mich schon, was passieren würde, wenn zum Beispiel die Stiftung mich nicht mehr unterstützen würde. Müsste ich dann mit meinem Sport, den ich so liebe, aufhören?»

Eine Sorge hat die Aargauerin aber nicht: die Karriere nach der Karriere. «Dank meines Studiums werde ich später etwas haben, auf dem ich nach dem Sport aufbauen kann. Das ist mir wichtig und beruhigt mich.»

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