Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Mit der Kamera unter den Rock

Ein hemmungsloser Kameramann sorgt beim Oberaargauischen Schwingfest für Stirnrunzeln. Über Voyeurismus in den Sportstadien. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 04.06.2023 um 18:13 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2023 um 12:30 Uhr

Beobachtet wird man mittlerweile immer und überall. Überwachungskameras gibt es an jeder Hausecke, Drohnen surren bald über jede Blumenwiese. Und die modernen Autos filmen mit Kameras permanent alles, was rundherum vor sich geht.

Der gläserne Mensch. Längst Realität. Man ertappt sich mittlerweile dabei, wie man nervös um sich blickt, wenn man sich beim Waldspaziergang hinter einem Baum seiner drei morgendlichen Kaffees entledigt.

Auch beim Besuch eines Sportstadions ist man dauerüberwacht. Dies ist, gerade was Sicherheit und mögliche Ausschreitungen betrifft, bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Und wer sich im öffentlichen Raum bewegt, nimmt das bis zu einem gewissen Grad in Kauf. Aber wo sind die Grenzen?

Der Voyeurismus der Kameraleute ist grenzenlos.
Foto: Screenshot Tele Bärn
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In den USA gibt es seit vielen Jahren die «Kiss-Cam». Zoomt die Kamera auf einen gewissen Platz, dann erwartet die johlende Menge einen Kuss. Gut ist, wenn der Sitznachbar auch der Lebenspartner ist. Es gab auch schon Ohrfeigen vor laufender «Kiss-Cam».

Auch in der Schweiz sind der voyeuristischen Kreativität der Kameraleute keine Grenzen gesetzt. Das rein sportliche Geschehen ist nicht immer im Fokus. Nickt einer auf der Tribüne ein, wird er in Grossaufnahme gezeigt. Bis bei offenem Mund die Stiftzähne und die Goldkronen im Unterkiefer zu sehen sind. Und der um zwanghafte Originalität bemühte Kommentator klopft sich in seiner Kabine auf die Schenkel und schreit: «Kein Wunder, bei diesem langweiligen Spiel.»

Auch bei einem, der Bier und Wurst in Händen hält, versuchen sich die Kommentatoren mit einem meist abgedroschenen Scherzchen. Selbst auf Kinder, die Pommes-Frites essen und sich danach in der Nase bohren, wird gezoomt, was das Zeug hält. Der Voyeurismus der Kameraleute ist grenzenlos.

Das war auch beim Oberaargauischen Schwingfest vor einer Woche so. Man muss kein Vertreter der Prüderie sein, um sich fremdzuschämen, als ein unbedarfter Kameramann des übertragenden Senders Telebärn penetrant und eine gefühlte Ewigkeit einer Zuschauerin unter den Rock filmte. Die nichtsahnende Frau wurde blossgestellt, ohne es zu realisieren.

«Sofern die Frau in der Sequenz erkennbar ist, wurden ihre Persönlichkeitsrechte hier wohl verletzt», sagt Medienanwalt Serafin Oberholzer dazu. Und ergänzt: «Der Kameraschwenk ins Publikum ist durchaus erlaubt. Aber aus der Masse heraus auf eine einzelne Person zoomen, die sich unfreiwillig entblösst oder sich sonst in einer misslichen Situation befindet, ist persönlichkeitsrechtlich problematisch.»

Zuschauerbeschwerden, sagt Telebärn dazu, seien keine eingetroffen. Wo kein Kläger, da kein Richter. Und der Sender ergänzt: «Bei jeglichen Schwingfest-Übertragungen steht das sportliche Geschehen im Fokus. Auch wenn zwischendurch kurze Stimmungsbilder aus dem Publikum eingefangen werden, ist das Geschehen im Hintergrund zweitrangig.»

Wie der Blick unter den Rock.

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