Nächste Gymnastinnen packen aus
«Wir wurden geschlagen und ich hatte blaue Flecken»

Die Gymnastinnen in der Schweiz litten jahrelang unter Qualen. Nach den Schilderungen von Ex-Athletinnen im BLICK packen nun weitere aus – und sprechen von körperlicher Gewalt.
Publiziert: 05.07.2020 um 18:29 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2020 um 18:39 Uhr

Die Rhythmische Gymnastik in der Schweiz wird von einem regelrechten Erdbeben erschüttert. Vor zwei Wochen machten Ex-Athletinnen im BLICK auf die extremen Missstände aufmerksam. Der Schweizerische Turnverband (STV) sah sich aufgrund der heftigen Schilderungen des Psychoterrors gezwungen, Nati-Trainerin Iliana Dineva und ihre Assistentin Aneliya Stancheva zu entlassen.

Jetzt lehnen sich weitere Ex-Athletinnen auf. In der «NZZ am Sonntag» schildern Lisa Rusconi (22) und Stephanie Kälin (25) ihre Qualen, die sie vor allem in die Zeit vor 2013 unter Cheftrainerin Heike Netzschwitz erlebten.

Sie seien «manchmal geschlagen und beschimpft worden. Ich hatte manchmal blaue Flecken an den Armen oder an den Beinen, vom Kneifen oder von Schlägen mit der Hand», schildert Rusconi. Und Kälin sagt über den Psychoterror: «Wir hörten, wir seien dumm und invalid.»

Die Rhythmische Gymnastik macht in der Schweiz harte Zeiten durch. Ex-Athletinnen berichten von jahrelangen Qualen und missbräuchlichen Methoden. (Symbolbild)
Foto: freshfocus
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Ein immer wieder kehrendes Thema sei das Gewicht gewesen. «Wir mussten jeden Tag auf die Waage stehen. Wir durften entweder gleich schwer sein wie tags zuvor oder leichter. Aber nie schwerer», so Kälin. «Wegen 200 Gramm stauchten uns die Trainerinnen zusammen und machten ein Riesentheater. Ich begann, zwei Pullover zu tragen, um vor dem Wiegen möglichst viel herauszuschwitzen.»

Das Trinken wurde verboten

Auch das Trinken sei ihnen während den langen Einheiten verboten worden. Oder es war nur erlaubt, wenn man die Übungen fehlerfrei absolvierte. Kälin: «Als Fehler galt auch, wenn wir nicht lächelten. Manchmal weinte ich während Übungen, aber mein Mund lächelte trotzdem.»

Die Worte gehen unter die Haut. Nach der Entlassung von Netzschwitz sei es besser geworden. Doch dann kam Dineva. Rusconi war da noch aktiv, kehrte von einer Verletzung zurück. Sie sei gemobbt worden. «Ich wurde behandelt, als sei ich unsichtbar, als existierte ich nicht mehr.» Schliesslich zog die Tessinerin die Reissleine, trat 2017 zurück. «Wenn ich nicht aufgehört hätte, dann wäre ich zugrunde gegangen, dann wäre das wie Selbstmord gewesen.»

«Ich erzählte dem Verband alles»

Mit ihren Eltern hätten sich beide lange nicht getraut, zu sprechen. Als sie sich dann aber zu wehren begannen, wurden sie beim STV nicht erhört. «Als ich 2017 zurücktrat, hatte ich mit meinen Eltern einen Termin mit den beiden Verbandschefs. Ich erzählte ihnen alles», sagt Rusconi. «Ihre Antwort war, dass man die Trainerinnen jetzt nicht entlassen wolle. Ich hatte sie vor den Problemen gewarnt, aber sie hörten nicht auf mich.» (sme)

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