Wer ist der Beste aller Zeiten?
Bolt hat den Königs-Sprint neu erfunden

Carl Lewis, Jesse Owens, Bob Hayes, Maurice Greene oder Asafa Powell? SonntagsBlick erklärt, weshalb Usain Bolt der 100-m-König aller Zeiten ist.
Publiziert: 06.08.2017 um 20:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:40 Uhr
Hier läuft Bolt in seinem letzten 100-m-Rennen zu Bronze
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Carl Schönenberger aus London

Es ist das kürzeste Spektakel, das es in der Leichtathletik gibt. Eine Chance, knapp zehn Sekunden – und schon ist alles vorbei. Dennoch, der Sprint-Quicky ist die Königs-Disziplin der Leichtathletik. Keine andere Disziplin bewegt das Publikum mehr, bringt auch Leute ins Staunen, die sich sonst für die Rennerei, Springerei und Werferei nicht interessieren.

Wer ist es also – der weltbeste 100-m-Sprinter aller Zeiten? Fangen wir beim zur Auswahl stehenden halben Dutzend hinten an.

Platz 6: Asafa Powell, der tragische Held. Mit 97 Zielgeraden-Sprints in unter 10 Sekunden steht der 34-jährige Jamaikaner seit dem 1. Mai dieses Jahres im Guinness-Buch der Rekorde. Kein anderer Sprinter hat das jemals geschafft, und in absehbarer Zeit kann das auch keiner Schaffen. Powell, mit 9,72 Sekunden einst Weltrekordler und Viertschnellster aller Zeiten ist immer noch aktiv, fehlt in London bloss wegen einer Verletzung. Sein Makel: Bei Olympia oder Weltmeisterschaften werden seine schnellen Beine jedesmal vom Kopf gebremst. Für mehr als zu Bronze hat es ihm nie gereicht.

Asafa Powell.
Foto: Keystone

Platz 5: Maurice Greene, der Mini-Sprinter. Olympiasieger 2000, Weltmeister 1997 und 1999, bis 2005 mit 9,79 Sekunden Weltrekordler. Der heute 43-jährige Ami aus Kansas City hat mit nur 1,76 m Grösse und 75 Kilo die Szene acht Jahre lang dominiert und der Welt demonstriert, dass auch Kleine grosse Zeiten laufen können. Greene sind die Erfolge nie in den Kopf gestiegen, er blieb immer ruhig und unscheinbar.

Maurice Green
Foto: AP

Platz 4: Bob Hayes, die Sprint-Maschine von Tokio. Bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio gewinnt der damals 21-jährige Muskelprotz aus Jacksonville (Florida) in auf elektronisch hochgerechneten 10,06 Sekunden den 100 m Final. Auf Innenbahn einer total holprigen Aschenbahn in geliehenen Nagelschuhen, weil er seine eigenen in seinem Zimmer unter dem Bett nicht gefunden hat. Hayes hätte noch deutlich schneller laufen können, doch er wechselte direkt nach Olympia als Footballer zu den Dallas Cowboys als Wide Reciever.

Bob Hayes.
Foto: Getty Images

Platz 3: Carl Lewis, der Künstler. 1984 und 1988 wurde der heute 56-jährige Sprinter aus Houston (Texas) Olympiasieger – 1983, 1987 und 1991 Weltmeister über 100 m, mit 9,83 Sekunden «erbte» er nach Ben Johnsons Doping-Fall kurzzeitig den Weltrekord. Nach Jahren der rasenden Kraftprotze hat Carl Lewis den 100-m-Sprint zur Kunst gemacht. Ästhetisch, wie er seine auf 1,88 m Grösse verteilten 80 Kilo in Höchstgeschwindigkeit versetzte. Ein Mann mit Geschäftsinstinkt, der als erster vormachte, dass sich mit seiner Leichtathletik-Kunst auch Geld verdienen lässt.

Carl Lewis.
Foto: Getty Images

Platz 2: Jesse Owens’ Sprint für die Geschichte. Es ist der 3. August 1936. Vor den Augen des Führers Adolf Hitler sprintet ein 1,78 m grosser und 71 kg schwerer 23-jähriger Schwarzer aus Oakville Alabama in 10,3 Sekunden zu Olympia-Gold und zerstört damit Hitlers Überzeugung von der Überlegenheit der weissen Rasse. Jesse Owens Sprint-Stil ist ungewohnt – kurze, schnelle Schritte, der Oberkörper aufrecht. Es dauert fast 60 Jahre, bis einer die Vorteile dieser Sprint-Technik erkennt – US-Star Michael Johnson kopiert in den 1990er Jahren Jesse Owens fast perfekt und schafft damit seine Fabel-Weltrekorde über 200 und 400 m.

Jesse Owens.
Foto: Keystone

Platz 1: Usain Bolt erfindet die 100 m neu. Als sich der damals 21-jährige Jamaikaner Usain Bolt im Herbst 2007 von seinem Trainer Glen Mills vom 200-m- zum 100-m-Sprinter umpolen lässt, hat er vor allem aus einem Grund Spass: «Die 100 Meter sind kürzer, viel weniger hart ein 200-Meter-Sprint.» Die Skeptiker zweifeln: Mit 1,95 m und damals knapp 90 kg ist Bolts Körper zu lang für den kurzen Sprint. Seit 2008 belehrt Usain die Zweifler eines Besseren: Er hat den 100-m-Sprint neu erfunden, hat es trotz seiner langen Beine geschafft, die Schrittfrequenz so hoch zu halten, wie seine kleineren Gegner – dabei bleiben seine Schritte so lang, dass er für die 100 m bloss 41 davon braucht. Wenn Usain nach 40 Metern auf Touren ist, dann fliegt er. Was zuvor Jahre lang bei 100-m-Finals reiner Kampf war, verwandelt Bolt in ein Spiel. Er macht aus dem sportlichen Ernst eine Show, interagiert rund um seine Auftritte mit den Fans im Stadion. Bolt hat es geschafft, Leichtathletik-Meetings zu Unterhaltungs-Events zu machen. Noch nie zuvor hatte man einen Sprinter gesehen, der mental über Jahre hinweg so stark ist, dass er mit seinen Gegnern spielen kann.

Usain Bolt.
Foto: AFP
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