Nach Rassismus-Skandal um Sprinter Mancini
Jetzt redet Staffel-Kollege Schenkel

Erstmals redet der ehemalige Staffel-Captain Amaru Schenkel (30) über den Rassismus-Skandal um Pascal Mancini (29) und dessen Ausschluss.
Publiziert: 24.08.2018 um 01:52 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 14:31 Uhr
Michael Wegmann

BLICK: Amaru Schenkel, wie gut kennen Sie Pascal Mancini?
Amaru Schenkel:
Sehr gut. Wir sind zusammen während zehn Jahren in der Staffel gelaufen. Pascal und ich haben über Jahre die Schweiz als Team, als Mannschaft, repräsentiert.

Sind Sie befreundet?
Nein, befreundet sind wir nicht. Privat hatten wir Sprinter untereinander kaum Berührungspunkte. Wir hatten alle mit der Staffel ein gemeinsames Ziel, wollten gemeinsam so schnell wie möglich laufen. Das ist uns ja auch gelungen, Pascal und ich waren bei jedem einzelnen Schweizer Rekord dabei.

Mancini wurde vom Verband nicht nur für die EM gesperrt, ihm wurde bis Ende Jahr die Lizenz entzogen, weil er rassistisches Gedankengut portiert hat. Waren Sie erstaunt?
Ich habe nur noch den Kopf geschüttelt. Ich habe Pascal immer als respektvollen, angenehmen Typen empfunden. Obwohl wir auch unsere Konflikte hatten.

Amaru Schenkel nimmt zum Rassismus-Skandal seines Ex-Teamkollegen Mancini Stellung.
Foto: TOTO MARTI
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Welche?
Da waren ab und zu Meinungsverschiedenheiten, nichts Spezielles. Sprinter sind grundsätzlich Alphatiere. Alles Einzelsportler, welche die Richtung vorgeben wollen. Aber dabei ging es nie um Nationalitäten, Hautfarbe oder sexuelle Ausrichtungen. Ich habe ihn nie als Rassisten empfunden. Er ist übrigens auch sanfter, als er auf Fotos rüberkommt. Wobei ich ja auch nicht gerade wie ein Vorzeigeschwiegersohn wirke, obwohl ich natürlich einer bin.

Aber Ihr «sanfter» Kollege hat schon 2014 mit dem «Quenelle-Gruss» gejubelt, als er Schweizer Meister wurde. Mit dem umgekehrten Hitler-Gruss.
Ich habe diesen Gruss weder gekannt, noch hat er mich interessiert. Ich war einzig sauer, dass ich damals wegen eines Fehlstarts disqualifiziert wurde. Ist dieser Gruss rassistisch? Da gehen die Meinungen zumindest auseinander. Die entscheidenden Frage ist: Wo hört freie Meinungsäusserung auf und wo fängt Rassismus an?

Und haben Sie eine Antwort?
Eine heikle Frage, die Sie einem Philosophen stellen müssten. Für mich als Schwarzer ist das ein schwieriges Thema.

Schenkel (l.) und Mancini beim Weltklasse-Zürich-Meeting im Jahr 2014.
Foto: BLICKSPORT

Waren Sie oft mit Rassismus konfrontiert?
Als Jugendlicher hatte ich als Afro-Schweizer nicht gross mit Rassismus zu tun. Vielleicht war es, weil es damals hier nicht so viele Afrikaner gab. Ich denke, es ist auch die Anzahl, die Leute in den Rassismus treibt. Dumme Leute. Menschen sind grundsätzlich ignorant. Ich empfinde es als ebenso schlimm, wenn ich als Zürcher in Basel Angst haben muss, verkloppt zu werden, nur weil ich ein FCZ-Shirt trage. Umgekehrt natürlich auch. Ich habe nun meine Definition für Rassismus gefunden.

Welche?
Rassismus ist, wenn eine grössere Gruppe aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion oder anderen Eigenschaften verurteilt wird. Wenn alle in einen Topf geworfen werden. Aber wissen Sie was? Ein bisschen Rassismus steckt doch in allen von uns. Ich bin ja auch rassistisch – ich kann Bünzlis, Ignoranten und dumme Menschen nicht ausstehen.

Mancini postete nach dem WM-Titel der Franzosen ein Affenvideo.
Pascal hat bestritten, dass er es in Anlehnung an die vielen dunkelhäutigen Spielern bei Frankreich veröffentlicht hat. Ob dies stimmt, weiss nur er. Ich weiss, dass er es verpasst hat, die zweifellos rassistischen Kommentare zu entfernen, oder sich von ihnen zu distanzieren. Das kann er sich als öffentliche Person nicht erlauben. Der EM-Ausschluss war gerechtfertigt.

Hat Sie das Affenvideo verletzt?
Nein. Ich bin da nicht so sensibel. Ich finde dieses Video einzig unangebracht, dumm und alles andere als lustig.

Ihm wurde auch die Lizenz entzogen. Auch gerechtfertigt?
Je nachdem. Hätte man ihm die Lizenz nur aufgrund der Medienberichte und ohne ein persönliches Gespräch weggenommen, wäre das sehr schwach. Ich weiss aber nicht, ob eine Unterredung stattgefunden hat.

«Dieser Sport ist in seiner Vielfalt und Schönheit einzigartig», sagt Schenkel
Foto: KEY

Dass sich ausgerechnet Ihr Ex-Kollege mit Leuten umgibt, die rassistisches Gedankengut verbreiten, dürfte auch für Sie schwierig zu verstehen sein?
Ja, da läuft er mit Alex Wilson und mir in der Staffel, bezeichnet Maurice Greene als sein Vorbild und lässt sich gleichzeitig mit Mitgliedern der «Resistance Helvetique» ablichten. Das hat schon schizophrene Züge! Privat darf er sich ja mit seinen Freunden treffen, aber sich öffentlich mit ihnen zeigen, hilft nicht.

Wo ist denn da der Unterschied?
Jugendfreunde können Jugendfreunde bleiben, auch wenn sie politisch nicht dieselbe Meinung vertreten. Dass sich aber ausgerechnet ein Leichtathlet mit Freunden mit solchem Gedankengut zeigt, ist besonders bitter.

Warum?
Dieser Sport ist in seiner Vielfalt und Schönheit einzigartig. Leichtathletik betreiben dünnere, dickere, drahtigere und muskulösere Menschen. Je nachdem laufen sie Marathon, sprinten, betreiben Kugelstossen oder Speerwerfen. Es hat für alle Platz. Das ist doch phantastisch.

Ist Mancinis Karriere nun vorbei?
Ich denke nicht. Ich weiss, dass er diesen Sport liebt und er alles daran setzen wird, zurück zu kommen. Sportlich würde er der Staffel sicher guttun. Er ist neben Silvan Wicki der stärkste Läufer der Gegenwart.

Und Alex Wilson?
Alex ist der schnellste Schweizer Sprinter. Eines Tages wird er in der Staffel auch so gut sein, wie er es über hundert und zweihundert Meter ist.

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Der Fall Mancini

Sprinter Pascal Mancini wurde erst von der EM ausgeschlossen, dann wurde ihm auch die Lizenz entzogen. «Der Zentralvorstand ist der Ansicht, dass die Verfehlungen des Athleten in Verbindung mit seiner bekannten Gesinnung nicht zu tolerieren sind», schreibt Swiss Athletics. Mancini hat mit diversen Postings auf seinem Facebook-Profil eine rassistische Gesinnung vermuten lassen. So veröffentlichte er nach Frankreichs WM-Sieg ein Affen-Video. Auch diverse Fotos zusammen mit rechtsnationalen Personen sind zu finden. Schon 2014 hat er den Quenelle-Gruss – eine antisemitische Geste – gezeigt. Danach musste er mit dem Verband eine Vereinbarung unterzeichnen, dass er den Sport nicht benutzt, um seine Geisteshaltung zu verbreiten. Nun hat der Verband reagiert. Mancini fühlt sich missverstanden: «Ich sage, was ich denke, auch öffentlich. Wäre ich ein Rassist, würde ich es sagen. Aber ich bin kein Rassist.»

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