«Guy Parmelin hat mir ein SMS geschrieben»
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Moser nach Gold-Wunder:«Guy Parmelin hat mir ein SMS geschrieben»

Nach Essstörungen hat sie «jetzt den Kopf frei»
Stabhoch-Wunder Moser über ihren schweren Weg zu EM-Gold

Sie sorgte an der Hallen-EM in Torun (Pol) für die grosse Sensation: Stabhochspringerin Angelica Moser holt ihren ersten grossen Titel bei der Elite. Sie spricht über die Achterbahn der Gefühle, die Herausforderungen der Vergangenheit und den «Sprung ihres Lebens».
Publiziert: 07.03.2021 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2021 um 18:38 Uhr
Aufgezeichnet: Stefan Meier

Haben Sie schon realisiert, was Sie geleistet haben?
Es war sehr emotional und ich habe es noch nicht wirklich begriffen. Es kommt langsam, aber irgendwie ist es noch surreal.

Was ist am Abend nach dem Sieg noch gelaufen?
Nach dem Wettkampf musste ich erst noch zum Corona-Test und zur Doping-Kontrolle. Zurück im Hotel hat das Team einen mega herzigen Empfang gemacht für mich. Das hat mich sher gefreut. Wir sind dann noch zusammengesessen und dann bin ich ins Bett gegangen. Und dann musste ich wieder früh auf für die Medaillenzeremonie.

Wie haben Sie geschlafen?
Nicht sehr gut und nicht sehr viel. Ich bin vielmehr wach gelegen.

Merken Sie sich dieses Gesicht: Nachdem Angelica Moser bei den Junioren schon abgeräumt hat, holt sie mit Gold bei der Hallen-EM in Torun ihre erste Medaille bei den Grossen.
Foto: keystone-sda.ch
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Haben Sie viele Gratulationen erhalten?
Es gab extrem viele Nachrichten. Als ich mein Handy entsperrt habe, ist es grad abgestürzt, weil so viele Whatsapp reingekommen sind. Ich habe auch ein SMS vom Bundespräsidenten erhalten, von Guy Parmelin. Das ist schon sehr speziell. Und natürlich ganz viele von Freunden und Familie. Man merkt, wie sehr die Leute das wahrnehmen und dass es etwas bedeutet.

Sie haben bei den Junioren viel gewonnen, der Wechsel zur Elite war dann aber schwierig. Spüren Sie eine gewisse Erleichterung, dass es jetzt geklappt hat?
Nicht wirklich, viel eher eine mega Freude. Weil ich es nicht erwartet habe, dass es so gut rauskommt. Klar, der Übergang war nicht einfach. Aber ich hatte viele Verletzungen und andere Probleme, wie man weiss. Darum bin ich einfach froh, dass es geklappt hat.

Sie sprechen Ihre Essstörungen an, die Sie überwunden haben und über die Sie öffentlich gesprochen haben. War das der Schlüssel, dass Sie da durch mussten und jetzt mental stärker sind?
Es war nicht der entscheidende Punkt. Aber ich habe den Kopf viel freier jetzt. Ich kann mich auf andere Sachen konzentrieren. Auf das Training, die Wettkämpfe. Und ich kann alles viel mehr geniessen.

Angelica Moser über ihre Esssucht

Angelica Moser ist eine der grössten Schweizer Leichtathletik-Hoffnungen. Sie ist zweifache U23-Europameisterin, Junioren-Welt- und Europameisterin und holte Gold bei Jugend-Olympia. Mit Gold an der Hallen-EM holt sie ihren ersten Titel bei den Grossen. Die 23-Jährige ist in Plano, Texas geboren. Sie lebt in Andelfingen ZH und in Biel. Beim Wechsel in die Elite bremsten die Zürcherin mehrere Verletzungen.

In der «Sonntagszeitung» sprach sie im September 2020 erstmals über ihre Essstörungen. Sie schildert Fressattacken nach Wettkämpfen und ihre Sucht nach süssem, spricht von «extrem unregelmässigen Essverhalten», von «Gewohnheits-Snacking» und von «Belohnungsessen». Erst mit Therapie-Gesprächen konnte sie ihre Probleme überwinden.

Angelica Moser ist eine der grössten Schweizer Leichtathletik-Hoffnungen. Sie ist zweifache U23-Europameisterin, Junioren-Welt- und Europameisterin und holte Gold bei Jugend-Olympia. Mit Gold an der Hallen-EM holt sie ihren ersten Titel bei den Grossen. Die 23-Jährige ist in Plano, Texas geboren. Sie lebt in Andelfingen ZH und in Biel. Beim Wechsel in die Elite bremsten die Zürcherin mehrere Verletzungen.

In der «Sonntagszeitung» sprach sie im September 2020 erstmals über ihre Essstörungen. Sie schildert Fressattacken nach Wettkämpfen und ihre Sucht nach süssem, spricht von «extrem unregelmässigen Essverhalten», von «Gewohnheits-Snacking» und von «Belohnungsessen». Erst mit Therapie-Gesprächen konnte sie ihre Probleme überwinden.

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Sie haben zweimal gerissen auf 4,60 Meter, standen also kurz vor dem Aus. Was ging in Ihnen vor?
Das ist natürlich nicht das, was man sich erhofft. Es ist relativ schwierig, damit umzugehen. Aber es ist mir gut gelungen, mich auf den nächsten Sprung zu konzentrieren und nicht daran zu denken. Zum Glück hat es noch geklappt und dann bei 4,65 war es ja noch einmal das gleiche. Das ist schon nicht das, was man sich erhofft.

Am Ende knackten Sie dann auch noch 4,70 und 4,75, beides persönliche Bestleistungen. Wann hats klick gemacht?
Der erfolgreiche Sprung auf 4,65 hat mir gezeigt, dass ich es drauf habe. Dann konnte ich gleich wieder springen, musste nicht lange warten. Das mag ich eher. Auf 4,70 hat es dann auf Anhieb geklappt, ich bin in einen Flow gekommen.

Bei 4,75 hat man Ihren Schrei gehört in der Luft. Haben Sie gewusst, dass das Gold ist?
Ich habe mich einfach extrem gefreut nur schon wegen der Höhe. Die persönliche Bestleistung zweimal zu verbessern ist mega toll. Und ich wusste, dass Tina Šutej nur noch einen Sprung hat und es über 4,80 versuchen wird. Also eine Höhe, die sie noch nie übersprungen hat.

Wie war diese Achterbahn der Gefühle?
Es ging alles sehr schnell. Das alles war mir irgendwie gar nicht richtig bewusst. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich eine Medaille auf sicher habe. Das hat mich schon völlig geflasht. Dann schaffte ich die 4,75, es ging wirklich schnell. Dann hat mein Coach Damien (Inocencio, d. Red.) zu mir gesagt: «Du weisst, dass du jetzt in Führung liegst?» Da erst habe ich es richtig wahrgenommen.

War der Sprung das, was momentan für Sie drin liegt oder ginge es noch besser?
Ich habe ihn noch gar nicht genau gesehen, muss ich sagen. Vom Gefühl her war es sicher einer der allerbesten in meinem Leben, auch technisch. Also nehme ich mal an, dass der wirklich gut war. Das Ziel wäre es schon, im Sommer noch etwas drauf zu legen. Aber jetzt erst einmal runterfahren und erholen. Und dann geht es in erster Linie darum, die Höhe zu bestätigen und stabil auf 4,75 zu springen.

Wenn Sie etwas holen, dann immer Gold. Das war bei den Junioren- und U23-Meisterschaften schon so. Und im Sommer kommt ja dann Olympia in Tokio.
Das ist dann schon nochmal was anderes. Es ist sicher ein Ziel, dort auch gut zu springen. Aber für eine Medaille braucht es dort deutlich mehr. Mein Ziel bleibt der Final-Einzug.

Die Quali für Olympia haben Sie aber jetzt geschafft. Die Planung wird einfacher.
Das vereinfacht wirklich alles. Ich muss jetzt nicht mehr der Limite nachrennen. Ich kann den Peak voll auf Tokio legen und einen schönen Aufbau machen, damit ich im August auf dem Höhepunkt bin.

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