Als Frau ist Claudine Müller eine Trainer-Exotin
Baslerin steckt hinter den EM-Medaillen der Hürdenstars

Claudine Müller ist als beste Hürdentrainerin der Schweiz für zwei unserer neun EM-Medaillen verantwortlich. Die Baslerin über den Medaillen-Doppelgewinn ihrer Schützlinge Ditaji Kambundji und Jason Joseph.
Publiziert: 16.06.2024 um 15:54 Uhr
|
Aktualisiert: 16.06.2024 um 18:35 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_1046.JPG
Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Es ist für Trainerin Claudine Müller (44) ein Medaillen-Doppelpack. Schon wieder! Müller ist die renommierteste Hürdensprint-Trainerin der Schweiz und steckt hinter den EM-Medaillen von Ditaji Kambundji (22) und Jason Joseph (25). Die Bernerin holt am Schweizer Super-Samstag vor einer Woche an der EM in Rom Silber, der Basler holt eine Viertelstunde danach Bronze.

Müllers Medaillen-Doppelpack. Wie schon vor einem Jahr an der Hallen-EM in Istanbul, als Kambundji und Joseph ebenfalls doppelt abräumten. Der Unterschied zu damals: Nun in Rom war Müller selber vor Ort. «Diesmal hat es mir zeitlich gut reingepasst. Am Freitag hin, am Samstag die Rennen, am Sonntag wieder heim», sagt die Baslerin, die sich am liebsten im Hintergrund hält und selten Interviews gibt. Für Blick macht sie nach der glanzvollen EM eine Ausnahme.

Joseph kehrte zu Müller ins Training zurück

«Ditaji hat eine Topzeit hingelegt, dabei war es kein perfekter Lauf», sagt Müller. Und über Joseph: «Er hatte kaum Vorbereitungsrennen (Pause wegen Oberschenkelblessur, d. Red.), doch die Trainings vor der EM waren sehr gut. Er hat für diese Medaille gekämpft und sie geholt.»

Silber an der EM in Rom: Seit Ditaji Kambundji in Basel bei Claudine Müller an ihrer Hürdentechnik feilt, ist sie schneller denn je.
Foto: keystone-sda.ch
1/8

Müller war früher selber Hürdenläuferin und Mehrkämpferin auf nationalem Topniveau. Nach dem Rücktritt blieb sie den Hürden als Coach treu. Die Baslerin begleitet Joseph schon seit Teenager-Tagen. Mit einem Unterbruch. Doch seit der Hürdensprinter Ende 2022 sein Gastspiel in den USA bei Startrainer Rana Reider abbrach und zur langjährigen Weggefährtin zurückkehrte, ist er so schnell wie nie.

«Ich habe mich schon sehr gefreut, dass er zurückgekommen ist», sagt Müller. Was sie nicht sagt: Wenn eines der grössten Hürdentalente Europas wie Joseph wieder auf sie setzt und mit Kambundji das weibliche Pendant neu auf sie setzt, ist das ein Ritterschlag für ihre Arbeit. Letztes Jahr war Müller an den Sports Awards neben Jan Cadieux (Eishockey) und dem späteren Gewinner Tom Stauffer (Ski alpin) als Trainerin des Jahres nominiert.

Ditaji Kambundji ist erst das zweite Jahr unter Müllers Fittichen. Der Fokus liegt voll auf der Technik, das klassische Sprinttraining absolviert Kambundji nach wie vor bei Trainer Florian Clivaz mit Schwester Mujinga in Bern. «Bei Jason mache ich hingegen die ganze Planung», schildert Müller.

Athletentrainings, Arbeit an der Uni, Familie

Die Baslerin ist eine Exotin im Trainergeschäft. Einerseits als Frau – die Leichtathletik ist nicht nur in der Schweiz im Coaching total von Männern dominiert. Andererseits auch, weil sie trotz des internationalen Erfolgs nicht komplett auf die Schiene Trainerin setzt. Zwar macht der Sport mittlerweile den grösseren Teil ihres Berufslebens aus. Im Bereich von 50 bis 60 Prozent ist Müller Trainerin. Nicht nur von ihrem Weltklasse-Duo. Sie hat bezahlte Mandate am nationalen Leistungssportzentrum Nordwestschweiz, beim Klub Old Boys und auch von Kambundji und Joseph persönlich. Auch Mathieu Jaquet (25), ebenfalls zuletzt an der EM in Rom dabei, gehört zu ihrem Athleten-Portfolio.

Doch daneben arbeitet die zweifache Mutter auch noch 40 Prozent an der Universität Basel. «Zwei halbe Tage im Homeoffice und zwei halbe Tage im Büro. Das ist ideal für mich», sagt Müller.

Wie wichtig Müllers Training ist, zeigt eine Aussage von Kambundji, die nach ihrem Silber-Lauf die Arbeit in Basel hervorhebt. «Ich habe in allen Bereichen Fortschritte gemacht, bin überall schneller und stärker. Das hilft mir ganz konkret in Rennen wie heute: Wenn ich eine Hürde touchiere, kann ich dennoch schnell sein.»

Müller ist für Olympia zuversichtlich

Mehr Stabilität im Flug über die Hürden – welches Geheimnis steckt hinter Müllers Arbeit? Sie winkt ab. Geheimnisse gäbe es nicht. Alles eine Frage der Technik. Dass eine Läuferin nach einer Hürdenberührung das Tempo nicht so sehr verliert und nicht stolpert, habe mit der Rotation des Körpers zu tun. Weniger Rotation im Körper beim Flug über das Hindernis bringt den Athleten selbst beim Anschlagen weniger aus dem Rhythmus, der Tempoverlust kann verringert werden. An solchen Themen arbeitet Müller akribisch. Sie schildert, dass sie auch vieles in den Übungen konkret auf die Rennsituation ausrichtet.

Denn im Rennen gibts Druck, im Rennen gibts Hürdentouchen, im Rennen gibts Gegner, die einem auch mal davonziehen. «Das versuchen wir, mit Handicaprennen zu simulieren, und wir lassen jemanden zum Beispiel etwas früher starten.»

Zwei Medaillen-Doppelgewinne gabs für Müller nun schon. Wäre der Traum zu gewagt, dass Kambundji und Joseph sogar an den Olympischen Spielen in Paris doppelt zuschlagen? Müller: «Es liegt etwas drin, ich bin zuversichtlich für Olympia.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?