«Wir werden Andy wiedersehen»
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«Auf Totenbett muskelbepackt»:BLICK-Sportchef Bingesser zum 20. Todestag von Andy Hug

Witwe Ilona Hug zum 20. Todestag der Kampfsport-Ikone
«Wir werden Andy wiedersehen»

Ilona (56) ist die Liebe seines Lebens. Auch wenn es am Ende Krisen gibt, ist es Ilona, die am 24. August in Tokio die Hand von Andy Hug hält, als der Schweizer Samurai seinen letzten Kampf verliert. Heute jährt sich der Todestag der Kampfsport-Legende zum 20. Mal.
Publiziert: 24.08.2020 um 16:57 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2020 um 17:01 Uhr
Eines der letzten Familienbilder: Andy Hug mit seiner Ilona und Sohn Seya.
Foto: Si
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Felix Bingesser

Interviews gibt Ilona Hug nur noch ungern. Sie hat sich zurückgezogen aus der Öffentlichkeit. Seit bald 18 Jahren ist sie mit Fussball-Trainer Maurizio Jacobacci (FC Lugano) liiert. Sie pendelt zwischen Los Angeles und der Schweiz, verdient ihr Geld als Immobilien- und Kunsthändlerin. «Wie es zwischen mir und Andy war, das wissen nur wir zwei. Und immer, wenn ich mich öffentlich äussere, heisst es sofort: ‹Jetzt spielt sie wieder die trauernde Witwe.›» Und dann erzählt sie die Geschichte ­einer Ehe mit dem Mann, der vom japanischen Kaiser empfangen wurde und zum bedeutendsten Ausländer gewählt wurde.

Ilona Hug, was machen Sie und Ihr gemeinsamer Sohn Seya (25) am 20. Todestag von Andy?
Ilona Hug: Das Zusammensein geniessen. Das genügt. Seya ist mit seiner Frau aus Los Angeles in die Schweiz gekommen und musste jetzt zehn Tage in der Quarantäne bleiben. Wahrscheinlich werden wir uns Sushi bestellen. Und miteinander reden. Ursprünglich wollten Seya und ich nach Japan reisen und sein Grab in Kyoto besuchen. Wir fliegen alle zwei, drei Jahre dahin. Aber wegen Corona geht das jetzt nicht.

Wer pflegt eigentlich dieses Grab?
Das ist immer noch alles organisiert. Das macht ein Mönch aus dem Hoshuin-Tempel.

Denkt man eigentlich nach zwanzig Jahren noch viel an den verstorbenen Mann?
Ich stehe wieder mitten im Leben und habe einen tollen Partner. Aber wenn man einen Sohn hat, der in Mimik und Gestik und mittlerweile auch von den Sprüchen her ein Ebenbild des Vaters ist, dann denkt man zwangsläufig viel zurück und wird immer wieder an ihn erinnert. Und ich bin überzeugt, dass wir uns irgendwann wiedersehen.

Sind Sie praktizierende Christin?
Ich war mal im Jugendchor. Ich gehe nicht jede Woche in die Kirche, aber ich bete jeden Tag. Wie wollen Sie einem fünfjährigen Jungen erklären, dass der Vater für immer weg ist, dass er ihn nie wieder sieht? Hier hilft der Glaube, die Religion. Da findet man Hoffnung. Dass man sich irgendwann wieder trifft. Dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Dass der Vater jetzt an einem wunderbaren Ort ist. Das sind Dinge, die helfen in einer so schwierigen Situation enorm. Und Seya und ich glauben auch daran.

Heute vor 20 Jahren war wohl der schlimmste Tag in Ihrem Leben.
Rückblickend war ich wie in einem schlechten Film, und ich habe reagiert wie ein Roboter. Andy ist ja überstürzt nach Japan zurückgeflogen, da er an ein wichtiges Meeting musste. Drei Tage später rief er mich an und bat mich, zu ihm zu kommen. Ich habe sofort einen Flug gebucht. Via Amsterdam. Als ich in Holland auf den Anschlussflug gewartet habe, bekam ich aus Tokio ein Telefon. Es sei so schlimm, ich müsse gar nicht mehr kommen, ich würde ihn nicht mehr lebend sehen.

Aber Sie haben ihn noch lebend gesehen.
Ja, aber er lag im Koma. Wenige Stunden später war er tot. Es ging alles so schnell. Optisch war er immer noch der starke und muskulöse Athlet. Aber wenn man dann bei der Kremation dabei ist und nur noch ein kleines Häufchen bleibt, dann ist das schon furchtbar. Wie gesagt: Ich war gar nicht ich selbst, ich habe mich gefühlt wie ein Zombie.

Und die Tage danach?
Auch da war ich wie in Trance und bin hin- und hergeschoben worden. Wissen Sie: Sein Leben war ein Auf und Ab, ein Hin und Her. Vieles lief gut, anderes weniger. Er war in Japan eingespannt in eine grosse Orga­nisation, wo er und ich den Durchblick gar nie richtig haben konnten. Seine Karriere verlief ja so atemberaubend, da sind plötzlich ganz viele Berater und Manager und neue Freunde da. Und Andy war zeitlebens ein gutmütiger und gutgläubiger Mensch. Aber ich mag mich mit den Geschichten und all den Mysterien gar nicht mehr auseinandersetzen. Man muss seine Ruhe finden.

Was haben Sie an Andy Hug am meisten geschätzt?
Seine Art, seinen Humor, seine Liebenswürdigkeit. Ich kann das heute und immer noch aus Überzeugung sagen: Er ist der liebste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Es ist einfach tragisch, dass er sein Leben nach all den Entbehrungen nicht noch einige Jahre hat geniessen können. Wir waren als Familie jahrelang getrennt und hatten noch viele gemeinsame Pläne und Projekte. Andererseits ist ihm vielleicht auch einiges erspart geblieben.

Was denn?
Ich weiss nicht, all die vielen Schläge und Verletzungen, die hätten vielleicht auch Spätfolgen gehabt. Harte Gegner von ihm wie der Südafrikaner Mike Bernardo oder der Kroate Branko Cikatic sind auch schon gestorben. Gegen Cikatic hat er in Japan seinen ersten grossen Kampf gehabt.

Wie war das?
Sie haben ihm gesagt, das sei ein Aufbaugegner. Aber dann war es ein brutaler Fight. Andy hat sehr viel einstecken müssen und hat verloren.

Was war denn die schönste Zeit?
Die ersten Jahre. Wir haben uns 1987 kennengelernt. Wir waren beide 24. Die ersten sieben Jahre waren wir Tag und Nacht zusammen. Am Anfang in einer kleinen Wohnung in Wohlen. Und dann natürlich die Geburt von Seya.

Wie fest hat eigentlich Seya seinen Vater in all den Jahren vermisst?
Ein Kind braucht seinen Vater. Er hat ihn nie richtig gehabt. Und trotzdem gestikuliert und spricht er wie sein Vater. Mich und Seya hat der Verlust von Andy extrem zusammengeschweisst. Es sind in all den Jahren immer wieder Bilder und Filmsequenzen aufgetaucht, die er noch nie gesehen hat. Erst mit der Zeit hat er so richtig realisiert, was für ein Star sein Vater vor allem in Japan war.

Seya lebt in Los Angeles und hat eine Texanerin geheiratet. Sie pendeln hin und her. Kennt man den Namen Hug in Kalifornien?
Nur eingefleischte Kampfsportfans. Aber Seya hat einen tollen Weg gemacht. Er hat Wirtschaft und Film studiert und schon einige Rollen in Hollywood-Produktionen gehabt. Er ist an einer Bar beteiligt, und er macht Töpferarbeiten. Die kann man auf Instagram unter «hugstudiola» sehen.

Das Leben von Andy Hug würde ja genug Stoff für eine Hollywood-Produktion geben?
Absolut, das möchten wir auch gerne, wir sind in Verhandlungen. Aber mich hat noch kein Drehbuch überzeugt. Wir möchten keine verzerrte Klischeeproduktion. Natürlich: Die familiären Verhältnisse von Andy waren schwierig. Aber seine Grossmutter hat gut zu ihm geschaut.

Dann muss halt Seya ein Drehbuch schreiben.
Er hat schon das eine oder andere geschrieben. Konkrete Pläne gibt es keine, aber wir schliessen nichts aus.

Seya schreibt das Drehbuch über das Leben seines Vaters und spielt die Hauptrolle. Und erfüllt damit einen grossen Traum seines Vaters. Da würde sich ein wunderbarer Kreis schliessen.
Klar ist das eine wunderbare Vorstellung. Er hat soeben sein erstes Drehbuch geschrieben und in einem Wettbewerb namens «Screen-Craft USA» eingereicht. Da ist er in der letzten Runde. Und den Körper dazu hat sich Seya mittlerweile antrainiert. Aber eben: Das ist noch ein weiter Weg.

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