Zum Umgang mit Fussball-Fans
Gewalt, gesperrte Kurven und ganz viel Politik

Ärger um Gewalt, gesperrte Kurven und die Politik mischt kräftiger mit als auch schon: In der Debatte um den Umgang mit Schweizer Fussballfans gehen die Wogen hoch. Warum wir gerade dabei sind, uns kräftig zu verrennen, schreibt Blick-Sportchef Emanuel Gisi.
Publiziert: 10.02.2024 um 12:27 Uhr
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Emanuel GisiSportchef

Es gibt Probleme im Leben, für die gibt es keine Lösung. Manchmal hilft es, das erst einmal zu akzeptieren. Und dann kann man anfangen, damit umzugehen.

Und schon sind wir bei der Fangewalt im Fussball.

In diesen Tagen geht es gerade hoch her, weil im ganzen Land Fansektoren gesperrt werden. In Zürich, in Bern, in Lausanne, in Luzern. Gewaltausbrüche in den Wochen und Monaten davor sind der Grund dafür. Berner Fans demolierten in Zürich einen Bus und bedrohten den Chauffeur. Zürcher Fans lieferten sich am Bahnhof Altstetten Scharmützel mit der Polizei. In Basel, fast ein Jahr ist es her, attackierten Fans Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, mit schwerwiegenden Folgen.

Kontrahenten: Mitte-Politikerin Karin Kayser-Frutschi (Nidwalden) engagiert sich mit der KKJPD für restriktivere Massnahmen im Umgang mit Fussballfans.
Foto: Keystone
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Seit Monaten werden also immer wieder Kurven geschlossen. Und die Fans sind trotzdem da. Sowohl bei YB als auch in Zürich kauften sich die Anhänger einfach Tickets für andere Sektoren, sorgten damit sogar noch für Zusatzeinnahmen ihrer Klubs. Sie drehen den Bewilligungsbehörden damit eine lange Nase, machen sie lächerlich.

Beim Heimspiel des FCZ gegen Lausanne war wegen 100 Vandalen die komplette Südkurve mit Tausenden Zuschauern gesperrt. Macht das Sinn?

Wie würden wir es im Strassenverkehr lösen?

Stellen wir uns folgendes Beispiel aus dem Strassenverkehr vor. Eine Kleinstadt im Mittelland, Wohngegend, 30er-Zone. Immer wieder fahren Autos zu schnell, manche sogar deutlich zu schnell. Eines Tages wird ein Kind angefahren. Anwohner empören sich, die Medien berichten, die Politik gerät unter Druck. Jetzt greifen die Behörden durch. Die Strasse wird gesperrt. Zu gefährlich.

Ab sofort müssen alle einen Umweg fahren, dafür hat jetzt das Nachbarquartier doppelt so viel Verkehr. Natürlich fährt auch dort der eine oder andere zu schnell.

Macht keinen Sinn, sagen Sie jetzt vielleicht. Bloss: Nach dieser Logik geht man im Schweizer Fussball vor. Eine Gruppe von Fans benimmt sich daneben – eine viel grössere Gruppe wird bestraft, indem sie draussen bleiben muss, obwohl sie sich nichts zuschulden kommen liess.

Natürlich würden wir in der 30er-Zone nicht die Strasse sperren. Wir würden regelmässig Radarkontrollen durchführen. Wer zu schnell fährt, bezahlt. Wer in einer 30er-Zone 70 km/h fährt, verliert für 24 Monate den Führerschein, dem Rasergesetz sei Dank. Klingt vernünftig.

Der Kampf gegen Fangewalt bleibt mühsam

Wie wir dieses Konzept auf den Fussball anwenden können: Wer Mist baut, gehört bestraft. Dafür gibt es die Polizei. Übeltäter identifizieren, fassen, bestrafen. Ist mühsam, ist schwierig, macht niemandem Spass. Aber so funktioniert unser Rechtsstaat.

Gewalt geht nicht. Wenn FCZ-Fans in der Stadt Zürich ein Tram mit GC-Anhängern auseinandernehmen, ist das kriminell, idiotisch, unzivilisiert, das gilt für Attacken überall.

Womit wir bei der Rolle der Ultras wären. Die organisierten Fans bekommen gerade viel Zuspruch vom Rest der Fussballfreunde. Das passiert erwiesenermassen immer, wenn Strafen ausgesprochen werden, die als unverhältnismässig empfunden werden.

Doch wer nun davon ausgeht, dass die Ultras einfach die Guten mit den schönen Choreos sind, macht es sich zu einfach. Die organisierten Fans haben es zum Beispiel geschafft, sich gar nicht erst einzubringen, als es die Diskussion um das Kaskadenmodell losging. Schwach.

Stattdessen gefällt man sich in Aktionen wie der Ankündigung einer gemeinsamen Fan-Demo in Bern, mit der die Polizei sinnlos auf Trab gehalten wird. Oder mit der Idee vom vergangenen Wochenende, wo sie nach dem Motto «verschobene Wahrnehmung – verschobene Kurven» gegen ihrer Ansicht nach eskalierten Behördenmassnahmen protestieren. Letztere Aktion kann man übrigens durchaus als Machtdemonstration verstehen.

Zu oft hat man in der Szene Probleme damit, sich öffentlich von Gewalt zu distanzieren. Obwohl, und das ist wichtig, die überwiegende Mehrheit an Kurvengängern friedfertig ist, obwohl die Szenen nicht aus einer einheitlichen, gleich denkenden Masse an Fans bestehen. Damit erweist man denen, die sich in Klubs und Liga für Fanbelange einsetzen, einen Bärendienst. Die Selbstreinigungskraft der Kurve wird dann gerne beschworen, man regle die Dinge untereinander.

Wer soll denn eingreifen?

Offensichtlich gelingt das nicht immer. Wie soll das auch gehen? Soll ein Familienvater, der auf den Stehplätzen hinter dem Tor steht, mal eben einer Gruppe von Schlägern den Tarif durchgeben? Paradox: Genau das scheinen derzeit auch die Bewilligungsbehörden zu verlangen. Anders lassen sich die Kurvensperrungen, die Tausende Unbeteiligte betreffen, nicht erklären.

Gleichzeitig werden manche Gewaltausbrüche in Fankreisen auch einfach hingenommen, weil sie «halt dazugehören» zum Erlebnis Fussball. Es ist vertrackt.

Ein Gedanke zum Schluss: Wo Fussball eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt, gibt es Fangewalt. Von Südamerika über Nordafrika bis nach Europa. Personalisierte Tickets, Kurvensperren, Dialog und Prävention bis zum Abwinken, Ansätze gibt es viele. Verschwunden ist die Gewalt nirgends. Auch nicht in England, wo es in der Premier League meist ruhig sein mag, dafür knallt es in tieferen Ligen.

Das macht es nicht besser. Aber warum sollte es ausgerechnet in der Schweiz anders sein?

Fakt ist: Fansektoren werden geschlossen, Auseinandersetzungen gibt es immer noch und die, die man aussperren will, sind weiterhin da – im Moment verhalten sie sich im Stadion übrigens friedlich. Dazu kommt, dass sich die Kantonalen Justiz- und Polizeidirektionen, Klubs und Liga in den Haaren liegen, wie es nun weitergehen soll. Wir sind in einer Sackgasse. Für manche Dinge gibt es keine einfache, knackige Lösung. Sondern bloss mühevolle Kleinarbeit. Heisst: Der Dialog, der ganz unglamourös im Hintergrund manchen Gewaltausbruch verhindert, muss weitergeführt werden. Und wer kriminell ist, gehört bestraft. Es geht nicht anders. Zeit, dass wir das akzeptieren.

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