YB-Sportdirektor Christoph Spycher zum Fall Ngamaleu
Ist ein Russland-Transfer moralisch vertretbar?

Der Transfer von Moumi Ngamaleu von YB zu Dynamo Moskau wirft hohe Wellen. Ist ein Wechsel nach Russland aktuell ethisch vertretbar? Die Hintergründe.
Publiziert: 10.09.2022 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2022 um 13:22 Uhr
Alain Kunz

Eigentlich, so dachte man, würde nichts mehr werden aus einem Abgang des abwanderungswilligen Nicolas Moumi Ngamaleu (28). Der Kameruner, den YB Ende August deshalb vorsorglich von der Kontingentsliste strich, falls er doch noch gehen würde, stand dann schliesslich im Aufgebot in St. Gallen und wurde beim 1:2 auch eingewechselt. «Weil bei uns das Sportliche immer Vorrang hat», sagt Christoph Spycher, Verantwortlicher Sport im YB-Verwaltungsrat. Der Platz auf der Liste ist nun bis Ende Jahr besetzt.

Kein Schlange-Stehen für Ngamaleu

Dumm gelaufen, denn kurz darauf intensivieren sich die Kontakte mit Dynamo Moskau. «Der Spieler selber wünschte den Transfer unbedingt», sagt Spycher. «Aufgrund seiner grossen Verdienste bei YB stimmten wir zu. Nicht wegen des Geldes. Wenn man am 8. September einen Transfer macht, sind die Klubs zuvor nicht Schlange gestanden», so der oberste YB-Sportverantwortliche. «Nein, der Deal war für uns als Klub weit davon entfernt, extrem lukrativ gewesen zu sein.» Zumal der Spieler Ende Saison ablösefrei gewesen wäre. Zwei Millionen wird man dennoch gelöst haben.

Die Frage nach der Moral

Aber ist es ethisch und moralisch überhaupt vertretbar, mit einem Klub aus dem Kriegstreiberland Russland derzeit Deals zu machen? Rein technisch ist das unproblematisch, Restriktionen gibt es keine. Spycher: «Das ist eine sehr, sehr schwierige Frage, die wir intern ausführlich diskutiert haben, auch mit Moumi! Für uns steht aber der Spieler im Vordergrund. Und es war Moumis ausdrücklicher Wunsch, nach Moskau gehen zu dürfen. Zudem muss man beim Versuch der Beantwortung der Frage nach der Moral mitberücksichtigen, was dieser Transfer für ihn für Folgen hat», so Spycher. «Der Wechsel hat für ihn persönliche und finanzielle Konsequenzen. Zudem sieht er bessere Chancen regelmässig zu spielen als bei uns, damit er sich seinen grossen Traum von der WM-Teilnahme mit Kamerun erfüllen kann.»

Nicolas Moumi Ngamaleu ist bei Dynamo Moskau bereits als neuer Spieler vorgestellt worden.
Foto: Instagram
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Ngamaleu verdoppelt seinen Lohn

Konkret: Persönliche Gründe sind nachvollziehbar. Das Geld? Ngamaleu kann seinen YB-Lohn verdoppeln. Und dürfte bei Dynamo über eine Million netto verdienen. Und die WM-Perspektive? Spycher erläutert: «Derzeit spielen wir meist mit Raute. Da sind keine klassischen Flügel wie Ngamaleu vorgesehen.»

Kommt hinzu, dass der Krieg in Europa in Afrika ganz anders betrachtet wird als bei uns. Kriege flammen auf dem schwarzen Kontinent immer wieder auf. Aus Kamerun war nach Ngamaleus Transfer kein negativer Kommentar zu vernehmen. Und zweitens ist es der sehnlichste Wunsch eines afrikanischen Spielers, seine Familie finanziell absichern zu können. Das kann Ngamaleu nun.

Spycher: «Moral? Eine sehr schwierige Frage …»

Und doch bleibt ein schaler Nachgeschmack. Spycher: «Wie gesagt, das ist eine sehr schwierige Frage. Wir verurteilen den Krieg auf Schärfste. Ich kann nur für mich sprechen und sagen, wenn ich ein Jobangebot aus Moskau hätte, müsste ich keine Zehntelsekunde nachdenken … Aber es ist alles komplex. Zuletzt sind Spieler aus sehr vielen Ländern nach Russland gewechselt.»

Und das Image? Da bleibt doch an YB Negatives hängen? Zumal die Berner schon Kiki Martins Ende Januar an Spartak Moskau verkaufte. Drei Wochen später brach der Krieg aus. Spycher: «Als Martins ging, war der Krieg nicht absehbar. Nun haben wir einem grossen Wunsch eines verdienstvollen Spielers entsprochen. Es stellen sich in der heutigen Zeit immer viele Fragen: Wie steht Dynamo zum russischen Staat? Darf man einen Spieler zu Newcastle transferieren, das in saudi-arabischer Hand ist? Darf man eine WM in Katar austragen?»

Die Fragen sind allesamt rhetorisch.

Norwegen-Star aus Nati verbannt – wegen Russland-Transfers

Was passieren kann, wenn man nach Russland wechselt, muss der norwegische Nationalspieler Mathias Normann (26) schmerzhaft erfahren. Der Spieler, der dem russischen Erstligisten FK Rostow gehört und zuletzt an den englischen Zweitligisten Norwich City ausgeliehen war, geht ausgerechnet zu Ngamaleu-Klub Dynamo Moskau. Leihweise für ein Jahr mit Kaufoption.

Die Folge: Nationaltrainer Stale Solbakken hat über den Verband verlauten lassen, dass er den Mittelfeldspieler für die nächsten Länderspiele nicht mehr aufbieten werde. Es sei zwar nicht die Aufgabe des Verbandes, einen Klubwechsel eines Spielers zu kommentieren, sagt Verbandspräsidentin Lise Klaveness. Man befinde sich jedoch in einer aussergewöhnlichen Situation.

Für den norwegischen und europäischen Fussball sei es klar, dass gemeinsam Druck auf das kriegsführende Russland ausgeübt werden müsse. «Stale und ich sind uns einig, dass Normann Norwegen nicht vertreten kann, wenn er nun für einen neuen russischen Klub spielen wird», so Klaveness. Norwegen trifft Ende September in der Nations League auf Slowenien und Serbien. (A.Ku.)

Was passieren kann, wenn man nach Russland wechselt, muss der norwegische Nationalspieler Mathias Normann (26) schmerzhaft erfahren. Der Spieler, der dem russischen Erstligisten FK Rostow gehört und zuletzt an den englischen Zweitligisten Norwich City ausgeliehen war, geht ausgerechnet zu Ngamaleu-Klub Dynamo Moskau. Leihweise für ein Jahr mit Kaufoption.

Die Folge: Nationaltrainer Stale Solbakken hat über den Verband verlauten lassen, dass er den Mittelfeldspieler für die nächsten Länderspiele nicht mehr aufbieten werde. Es sei zwar nicht die Aufgabe des Verbandes, einen Klubwechsel eines Spielers zu kommentieren, sagt Verbandspräsidentin Lise Klaveness. Man befinde sich jedoch in einer aussergewöhnlichen Situation.

Für den norwegischen und europäischen Fussball sei es klar, dass gemeinsam Druck auf das kriegsführende Russland ausgeübt werden müsse. «Stale und ich sind uns einig, dass Normann Norwegen nicht vertreten kann, wenn er nun für einen neuen russischen Klub spielen wird», so Klaveness. Norwegen trifft Ende September in der Nations League auf Slowenien und Serbien. (A.Ku.)

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Lugano
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6
4
13
2
Servette FC
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6
-3
12
3
FC Zürich
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5
6
11
4
FC Luzern
FC Luzern
6
4
11
5
FC Basel
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6
9
10
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
5
5
10
7
FC Sion
FC Sion
6
4
10
8
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
6
-4
5
9
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
6
-4
4
10
FC Lausanne-Sport
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6
-7
4
11
FC Winterthur
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6
-7
4
12
BSC Young Boys
BSC Young Boys
6
-7
3
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